Leseproben

Dienstag, 6. April 2010

Sicherung Testuden

Testuden und Aerobolde
Inhalt
Endlich
Tote Wespen zählen
Die Oase in der Kalahari
Geplänkel
Ein unverhofftes Ende
Die Rutengänger
Nicht jedem eine Kugel
Lichtschranken um eine falsche Idylle
Zauberlehrlinge
Die zweite Berliner Plage
Die Verführung eines Helden
Die letzten schlafenden Hunde sind geweckt
Reichtum auf Erden
Ruhe vor dem Sturm
Der Zug der Testuden
Stiefkinder der Hölle
Vor der Entscheidung
Wie gewonnen so zerronnen
Endlich
Was sollten wir tun? Der Schrecken, den die Sikroben verbreitet hatten, war vorbei. Ja, besser noch: Aus der Horrormasse war etwas geworden, was über eine Unmenge nützlicher Artikel das Leben für uns Menschen verbessert hatte. Petra Herbst hatte das zum reichsten Menschen der Erde gemacht. An einem änderte das aber nichts: Was denn die Sikroben eigentlich waren, wusste immer noch niemand. Es war nur zu ahnen, dass es mit jenen merkwürdigen Kugeln zu tun hatte, die vor übe zwei Jahrzehnten sieben Kinder zu einem Schwursymbol gemacht hatten. Logisch, dass zumindest Jens an dem Problem dran blieb. Es war zwar nicht mehr offizieller Dienst, aber so ein klein wenig verknüpfte er dann doch sein Privatleben mit seiner Möglichkeit als Dienststellenleiter der Polizei. Und Granzner erwies sich da als zuverlässiger Kollege. Ganz zufällig wollte er einen Freund in Hamburg besuchen und schon ließen sich mehrere Dinge miteinander verknüpfen. Vielleicht gäbe es doch eine Spur von Hardy. Richtiger: Von seiner Kugel. Denn so, wie er verschwunden war, schien unwahrscheinlich, dass er seine Kugel mitgenommen hatte. Dass er sie in seiner letzten Wohnadresse noch besessen hatte, war zwar auch nicht wahrscheinlich, und befragen konnte ihn niemand. Aber die Adresse war die einzige Spur. Mitunter war keine Polizeiarbeit ohne ein Körnchen glücklichen Zufalls zu bewältigen.

Keine Stunde später stand Granzner am Rande eines riesigen Müllplatzes. Das Auftauchen eines Polizisten verwirrte die Mitarbeiter der Entsorgungsfirma zuerst sehr. Umso entspannter reagierten sie, als sie erfuhren, worum es ging. Natürlich, an diesen Typen, so einen falschen Italiener, erinnerten sie sich gut. Er habe einen Komplettpreis ausgehandelt. Aber das meiste war zur Ersatzteilgewinnung ungeeignet. Da habe ein sehr moderner Mensch ohne Individuelles gewohnt. Da war Schreddern das Beste. Eine Kugel? ・c Ja, doch, kann sein. So ein komisches Ding ・c Lorry, wo hast du denn die Kugelstoßkugel hingeworfen, die so leicht war?
Der Fleischgesichtige, den die anderen Lorry gerufen hatten, schlurfte schräg über den Platz. „Wissen Sie・, er musterte den Besucher abschätzend, „das Ding ist wirklich etwas Besonderes. Damit können Sie bei Ihrer ganzen Verwandtschaft Eindruck schinden・c・
Der Dienstausweis brachte ihn zum Schweigen. Tatsächlich kramte er schließlich aus einem Haufen absolut ungeordnet bei- und übereinander liegender Reste eine Kugel hervor, die Jens・L Beschreibung entsprach. „Die ließ sich nicht schreddern・, murmelte er dabei verlegen.
Tote Wespen zählen
I
Jana und Tina ließen die Fototermine mit ihrer Mutter gleichmütig über sich ergehen. Immer lächelnd. Petra schauderte es manchmal. Für Sekunden war ein fremder, unheimlicher Gesichtsausdruck zwischen den Kindermasken aufgetauscht. Oder bildete sie sich das nur ein? Petra versuchte, so viel Zeit wie möglich mit den beiden zusammen zu sein. Sie lieb zu haben und zu beobachten. Jana und Tina waren trotz des Trubels rundum ausgeglichen und gleich bleibend lieb zueinander. Auch zu ihr. Eher zu lieb. Wenn die beiden doch bloß irgendetwas Verrücktes gemacht oder ein paar pubertäre Frechheiten gesagt hätten! Egal was: Im Schultreppenhaus mit Jungs geknutscht oder wenigstens geraucht, obwohl oder gerade weil sie dafür noch zu jung waren. Nichts dergleichen. Petra konnte Jana und Tina sagen, was sie von ihnen erwartete, und sie erfüllten alles mit penetrant gleichmütiger Freundlichkeit. Sie boten nicht den geringsten Anlass für Ermahnungen. Nein, sie war als Kind anders gewesen.
Später hätte sie nicht sagen können, welcher Teufel sie geritten haben mochte. Sie beantragte einen umfassenden genetischen Check der Kinder, einen Vergleich mit sich, die Überprüfung aller Möglichkeiten, bei welchen Krankheiten Prädispositionen bestünden, und Ratschläge, was sie eventuell vorbeugend dagegen unternehmen könnte.
Zu Beginn des Auswertungsgesprächs stotterte die Ärztin. Es sei ・c Also sie könne sich nicht vorstellen, wie das passiert sein sollte ・c Sie könne nur vorschlagen, die ganze Untersuchung zu wiederholen ・c
Petra drückte ihren Rücken durch. „Also rundheraus: Was hat ihre Untersuchung ergeben?・



Petra war schon während der kurzen Rede der Ärztin aufgestanden. Jetzt fiel sie ihr ins Wort. „Danke, vielen Dank! Mehr konnte ich nicht erwarten. Tut mir Leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe, aber ich möchte die Sache dann doch nicht weiter verfolgen. Danke ・c・
Auf Wiedersehen sagte sie nicht. Minutenlang hatte ihr Gehirn nur Platz für ein Wort: Aliens. Natürlich war keine Probe verwechselt worden. Ihre Kinder waren tatsächlich konstruierte Geschöpfe, die sie zu was auch immer aufziehen sollte. Vielleicht entpuppten sie sich bald als Monster. Alles eine Frage der Zeit.
Halt! Was war mit Jens und Sonja? Deren Kuckuckspärchen? Die Lösung lag in den Kugeln. Die hatten aller Wahrscheinlichkeit das Problem geschaffen ・ die würden es auch auflösen, wenn sie nicht selbst darauf kam. Aber sie würde darauf kommen!
Beim Einschlafen halfen starke Medikamente. Aber am Morgen dieselben Fragen: Was sollte sie tun? Womit hatte sie das verdient? Hatte sie nicht dieselben Zwillinge wie vorher? Doch was immer sie dachte und tat: Sie konnte Tina und Jana nicht mehr so unbefangen sehen wie bisher. Egal, was sonst geschah: Die Angst würde bleiben.
Petra nahm sich immer mehr Zeit für neue Versuche mit den beiden Kristallen, dem, den sie von Jens hatte, und dem, den sie ganz leicht aus der polizeilichen Asservatenkammer ausleihen konnte, als sie plötzlich die Petra Herbst war. Nur wenige Eingeweihte wussten um das, was in dem provisorischen Labor im Plagwitzer Park vor sich ging. Anfangs kamen am laufenden Band Patente dabei heraus. Die hingen noch immer mit den Sikroben zusammen und Petras In-Sich-hinein-Horchen, welche Ideen die Kristalle mit Freudenschauern belohnten. Petra schloss die einzelnen Entwicklungslinien für sich ab, sobald jemand die Gewinnerwirtschaftung für sie übernahm. Mit angemessener Gewinnverteilung ・c versteht sich ...
In der Öffentlichkeit galt Petra Herbst als gesellig, witzig, eine Bereicherung für jede Society-Party. Aber war das die Macht, von der sie geträumt hatte? Dass sie ihre Abende mit Schmarotzern vergeudete? Typen, die ihr Gehabe von der Leistung irgendwelcher Urahnen ableiteten? Welche auch immer das gewesen sein mochten? Die, die jetzt ihre ererbte Macht demonstrierten, konnten doch gerade mal für Fotos posieren ・c War es nicht viel lohnender, die Geheimnisse dieser Welt zu erforschen? Da waren Kräfte in den Kristallen, die alles bisher Aufgetretene in den Schatten stellen konnten.Petra spürte das, war sich dessen eigentlich auch ohne die euphorisierende Stimmung durch die Kristalle sicher. Aber welche konnten das sein? Wie sollte sie nach etwas suchen, dessen Wesen ihr unbekannt war? Manchmal schlug ihre Stimmung von einem Extrem ins andere, und auch das offenbar ohne Stimulation durch die Kräfte der Kristalle. Manchmal verabscheute und begeisterte sie sich fast im selben Moment. Obwohl ・c woher sollte sie wissen, welche Laune sie nun den Kugeln verdankte und welche nicht. Als sie innerlich geulkt hatte, vielleicht bestärke sie die eine Kugel bei etwas, bei dem die andere sie bremsen mochte, hatte sie keinen Ausschlag der Gefühlskurve gespürt.
Auf jeden Fall brauchte sie mehr Möglichkeiten für unbeachtete Untersuchungen. Sie kam sich zurecht von einer Mischung aus Sensationsreportern und potentiellen Werksspionen umgeben vor. Doch auch dafür gab es eine Lösung: Mit einem gigantischen „Mega-Projekt・ des „Herbst-Imperiums・ lenkte Petra das Medieninteresse von ihren Untersuchungen in Plagwitz ab: Unter Leitung des weltberühmten Parici wuchs am Rande von Berlin ein gewaltiger Gebäudekomplex. Sein Kern war der Wolkenfinger, ein Silitbau, der weithin von der Macht der Herbst-Unternehmen zeugte. Dort würden die modernsten Forschungen der menschlichen Zivilisation ihre Heimstatt haben. Solche und ähnliche Floskeln trieften aus den bunten Blättern. Petra verkürzte die tägliche Zeit ihrer „Medienrezeption・ immer mehr.
Dann・c
Eigentlich ging es nur um einen im Vergleich zu den zurückliegenden Berliner Ereignissen kleinen Zwischenfall. Aber fast hätte er die Neugierde der Klatschpresse auf ihre tatsächlichen Forschungen ausgerichtet ・ und zwar auf Testreihen, von denen auch die meisten Mitarbeiter nichts wussten und von denen die Öffentlichkeit auf keinen Fall erfahren sollte.
An drei aufeinander folgenden Tagen flogen und krabbelten Insekten unterschiedlichster Gattungen in absolut gerader Linie auf den Plagwitzer Park zu. Am ersten Tag dauerte diese Völker-Wanderung fast zwei Stunden, am zweiten und dritten nur Minuten. Trotzdem. Es fiel auf. Im Umkreis von über 100 Kilometern um das kleine alte Herbst-Labor hatten sich alle Insekten auf die Reise dorthin gemacht, als wären sie sehr eindringlich gerufen worden. Extreme Forschungen? Auf jeden Fall extreme Spekulationen. Und beeindruckende Bilder: In unmittelbarer Nähe des alten Instituts hatten sich die Insektenwolken so dicht zusammengeballt, dass es zur Mittagszeit stockdunkel und die Fortbewegung von Menschen außerhalb abgedichteter Räume ausgeschlossen war. Aus dem Park drang danach der Gestank von Verwesung und Verbranntem.
Urplötzlich endete der Zug. Von einem Moment zum nächsten stoppten die Tiere dort, wo sie gerade waren. Unzählige wütende Bienen- und Wespenvölker fielen in Leipzig über ahnungslose Passanten her. Was bedeutete das?
Vielleicht wäre die Erscheinung weniger beachtet worden, da sie nur für so kurze Zeit aufgetreten war, aber irgendein Amateur hatte gerade am Völkerschlachtdenkmal gefilmt. Er verdiente mit seinem Chaosfilm nicht nur viel Geld, sondern er löste damit eine regelrechte mediale Kalauerei um „Völker-Schlachten・ und „Völker-Wanderungen・ aus.
Am Abend des zweiten Tages saß Petra mit ihren Zwillingen zusammen vor dem Bildschirm. Dort wurde aus einer Pressemitteilung ihres Unternehmens zitiert, die erklärte, dass es in Plagwitz einige unerwartete Nebeneffekte bei einer Versuchsreihe zur Untersuchung der Grundlagen der Sikrobenkatastrophe und der Verhinderung ihrer Wiederholung gegeben habe. Man möchte sich bei der Bevölkerung wegen unbeabsichtigter Belästigungen entschuldigen. Petra atmete auf. Das würde hoffentlich die Lokalpresse beruhigen. Jana und Tina merkten gar nicht, dass es um das Labor ihrer Mutter ging.
Leider überfielen am dritten Tag die Insekten, plötzlich der Orientierung auf ihr Ziel, den Kristall beraubt, mehrere Radfahrer. Sie verursachten damit Verkehrsunfälle mit mehreren Toten und Verletzten.
Was also tun? Solche Insektenwanderungen durften natürlich nicht wieder auftreten. Die Kristalle mussten verhüllt bleiben. Nur war so keine Forschung mehr an ihnen möglich, höchstens ein paar Sikrobenpatente hätte Petra vielleicht noch ansteuern können. Inzwischen primitive Routine.
Petra sah nur einen Weg, wie ein scheinbar unlösbares Problem eben doch gelöst werden konnte: Weitermachen in einer Gegend, wo sie fast unbeobachtet arbeiten konnte, wo sogar ein solches Öko-Chaos wie diese Insekteninvasion nicht sofort lauter besser wissende Mediengeier anlockte. Sie brauchte einen Ort, an dem sie unbemerkt von der Öffentlichkeit Forschungen betreiben konnte, deren Neben- und Haupteffekte wenig vorhersehbar waren. Wobei sie natürlich nicht jede Verbindung zur Umwelt kappen durfte. Es war ja unwahrscheinlich, dass diese plötzliche Anziehungskraft auf Insekten ein Zufall war. Der günstigste Kompromiss zwischen allen Faktoren für einen solchen Standort schien ihr der namibische Teil der Kalahari zu sein. Der Untergrund ließ Bautätigkeit zu, die Versorgung mit Wasser und allem Lebensnotwendigem war schwierig, aber möglich, in relativ weitem Umkreis bestand relativ wenig Gefahr für Menschenleben, aber vor allem: Fremde kamen schwerlich unbemerkt in die Nähe der Anlage.
Petra ließ Baracken errichten, die Möglichkeiten für eine künftige Wüstensiedlung erkunden. Sie führte Gespräche, um eine Mannschaft zum dauerhaften Arbeiten vor Ort zusammenzustellen. Sie schmierte schnell alle bürokratischen Hürden weg. Ohne Aufsehen wurden die beiden Kristalle in die „Oase・ gebracht. Sicher würde Petra nur gelegentlich selbst in ihrem Kalahari-Camp arbeiten. Weder sollte an die Öffentlichkeit dringen, welches ihr wichtigstes Projekt war, noch war vorherzusagen, wie lange es bis zu den ersten Erfolgen dauern würde. Das Neue war nur eine vage Hoffnung ・ genau das, was sich Petra jetzt wünschte. Das machte die Tarnung als angepasste Party-Löwin wieder erträglich.
Ihr Pressesprecher gab über das, was im Plagwitzer Labor geschehen war, noch zwei unverbindliche Erklärungen ab. Sollten sie doch spekulieren! Das alte Institut wurde geschlossen und blieb abgesperrt. Der Park war lange nicht nutzbar. Viele Reporter versuchten, bis zu den Laborräumen vorzudringen. Einem gelang es trotz der eingesetzten Sicherheitsfirma, Fotos zu schießen und eine Tüte voll verschmorter Wespen herauszuschleppen. Letztlich behielt Petra Recht: Andere Schlagzeilen forderten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Petra ließ die Gebäude abreißen und unterstützte die Renaturierung des Parks mit einer großzügigen Spende.
Aber nun fehlten ihr die Kristalle. Ohne deren Einfluss war Petra eine normale Forscherin und Unternehmerin. Nichts verriet ihr mehr, ob sie eine Überlegung weiter verfolgen sollte oder nicht. Sie musste Sackgassen riskieren. An ihr nagte eine heimliche Angst. Hatte sie von den Kristallen eigentlich Ratschläge im Zusammenhang mit ihren Kindern bekommen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Und dem eigentlichen Geheimnis der Kristalle war sie nur wenig näher gekommen. Sie sehnte sich nach dem Süden Afrikas. Ohne dass sie dafür der Hilfe der beiden Kristalle bedurft hätte, kam ihr ein neuer Gedanke. Vielleicht brauchte sie die restlichen Kugeln? Ob nicht Jens ・c? Er war am weitesten mit seinen Überlegungen zu den Kugelwirkungen. Es sollte sie nicht wundern, wenn er längst die anderen Kugeln aufgestöbert hatte.
Und die Kristalle, die sie schon besaß? Auf jeden wirkten sie nicht. Aber warum auch immer ・ auf diese ausgeflippten Schülerinnen ・c Vielleicht eigneten die sich als so etwas wie Minensuchhunde für die nächste Forschungsetappe? Wer konnte denn sagen, welche Kräfte diesen Kristallen noch entstiegen?
Die Oase in der Kalahari
Die letzten Häuser Windhuks lagen hinter, eine stundenlange Fahrt vor uns. Inzwischen hatte der Jeep den alten Trans-Kalahari-Highway verlassen. Wir fuhren auf einem Mittelding zwischen moderner Straße und Wüstenweg, extra für das Projekt der Herbst-Gesellschaft neu angelegt. Seit Aroab rasten wir direkt in die Wüste hinein. Die Lust zum Quatschen war weg. Jule hockte schweigend neben mir. Ob sie meine Zweifel ahnte? Wohl kaum. Sie war einfach nur glücklich über ein völlig unerwartetes Abenteuer.
Und ich?
Oh Mann ・c Schon als Kind hatte ich ja eine große Forscherin werden wollen. Biographien solcher Frauen verschlang ich wie Schokopudding. Eigentlich war ich danach auch stinkig: So viel hatte die Menschheit von den Geheimnissen der Welt schon herausgefunden! Wäre da überhaupt noch etwas für mich übrig?
Das letzte Idol war dann Petra Herbst, die Frau des Jahrhunderts. Ich sammelte alle Artikel über sie. Geheimnisumwitterte Erfolgsfrau, große Unternehmerin, einfach stark. Mehrmals begann ich einen Brief an sie. „・c Lachen Sie nicht: Ich habe ja selbst versucht, den schrecklichen Sikroben entgegenzutreten. Wie gern möchte ich richtig wissenschaftlich arbeiten, mich so wie Sie mit zielgerichteter Forschung dem Geheimnis dieses Unheimlichen annähern. Jeder Tag muss bei Ihnen einfach etwas Spannendes sein. So möchte ich auch leben. Aber ich bin nun mal erst in der zehnten Klasse. Jahrelang werde ich mich noch mit viel unnützem Zeug herumplagen, und vielleicht sind die letzten Entdeckungen schon gemacht, wenn ich meine Papiere habe, um dabei mitzumachen. Aber vielleicht ・c・
Weiter war ich nicht gekommen. Worauf hätte ich mich berufen sollen, um eine solche Berühmtheit davon zu überzeugen, dass sie ausgerechnet irgendeine Eberswalder Schülerin nötig hatte? Mich? Also landeten meine Briefe im virtuellen Papierkorb, im Müll.
Dann Leipzig. Ich verschlang alles, was darüber erschien. Seltsam. Kein Artikel bot eine Erklärung an, was eigentlich passiert war. Ein Unfall. Was mochte das für eine Nebenwirkung sein, die alle Insekten anzog und sie dann als verwirrte Bestien sich selbst überließ? Es gab also auch jetzt noch gefährliche Forschungen.
Ich quatschte die Zarge an. Die sah mich mit einem schrecklich verständnisvollen Muttergesicht an. „Aber Marie, was hast du zu bieten? Meinst du, die warten auf dich?・
Ich saß bei ihr auf so einer Sitzcouch, die bestimmt mal der letzte Schrei gewesen war, sah sie eindringlich an, also die Zarge, und bemerkte trotzdem, dass eine Wandfläche ihres Wohnzimmers mit Kunstpostern beklebt war. Also nicht mit Bildern in Rahmen. „Frau Zarge, sehen Sie, später gibt es bestimmt einen neuen Grund, warum alles nicht so wird, wie ich möchte. Sie wissen doch, wie gern ich bei den Zischies mitgemacht habe.・
Die Zarge hatte gelächelt. „Stimmt. Ohne dich hätte unsere Arbeitsgruppe nicht überlebt. Hm. Ich mache dir einen Vorschlag: Diese Bewerbung schreibe ich für dich. So eine Art Gutachten, verstehst du? Ich bin nämlich mal mit der Petra in eine Klasse gegangen. Da zählt mein Wort vielleicht. Wenn・Ls klappt, bekommst du da eine Ausbildung, wenn nicht, dann machst du hier deine Hochschulreife.・
Am liebsten hätte ich sie umarmt. „Klasse! Und kann Jule mitkommen?・


Ich hatte mich auf eine Ablehnung vorbereitet. Ich wusste ja, die meisten Bewerbungen wurden abgelehnt. Und was passierte mir? Ich wurde zu einem Gespräch bei Petra Herbst persönlich eingeladen. Und die fragt mich, eine Schülerin ihrer ehemaligen Klassenkameradin persönlich, ob ich bereit sei, im neuen Außenlabor in Afrika mitzuarbeiten! Was für eine Frage! Auf jeden Fall besser, als in Eberswalde zu versauern! Und dann sagte sie noch, Julia dürfe auch dabei sein, „weil ihr euch beide so glänzend ergänzt ...・ Na endlich sah das einmal jemand ein. Das war mein erster Gedanke. Bloß dann ・c Dann musste ich natürlich alles haarklein der Zarge erzählen. Die sagte erst, dass sie sich mit mir freut. Aber mit so einem Unterton, dass ich gleich merkte, irgendwas war da nicht koscher. „Die große Chefin selbst. Was die alles weiß ・c・ Das stank nach Zweifel, reichte zum Ärgern und die Zarge wollte nichts erklären. Sagte nur „Schon gut!・, aber eben in der Art, wie wenn sie verschweigen wollte, dass eben nichts gut war.
Ich hielt mein Gesicht in den Fahrtwind. Das sollte das Misstrauen vertreiben. Von wegen „Ich freu mich mit dir ・c Wirklich!・ War ja wirklich komisch. Gleich zur Chefin einer solchen Superfirma. Und dann dieser Satz über Jule und mich ・c Den Rest konnte sie ja von der Zarge haben, aber ・c So interessant waren wir beide doch wirklich nicht!
Jule sah noch richtig blass aus. Eben wie gerade erst in Afrika eingetroffen. Gefreut hatte sie sich sofort über den Vorschlag. Für drei Jahre auf die andere Seite der Erde, wenn das nichts war ・c
Eintönige Landschaft. Nicht einer dieser Kameldornbäume aus dem Kalahari-Buch war nun in der Wirklichkeit zu sehen. Wie ein gebeugter Riese hatte da ein einzelner den Fotografen angezwinkert. Das wäre der passende Empfang gewesen. Statt dessen verschwamm das Savannengras vor meinen Augen mit dem allgegenwärtigen Rot der Wüste. Nicht ein Tier. Hat sich was mit aufregender Safari in die Wildnis.
„…
„…
Sollte Jori noch einen längeren Vortrag vorgehabt haben, wen er gerade mit „uns・ gemeint hatte, so verhinderte das der schnell deutlicher werdende Punkt am Horizont. Jule streckte fast gleichzeitig mit mir die Finger aus. „Ist es das?・
Jori nickte.



Der Jeep passierte ein Flügeltor, ein einheimischer Uniformierter salutierte grinsend. Es war nicht klar, ob vor Jori, der seine Kennkarte an den Leseautomaten hielt, oder vor Jule und mir.
Schon schloss sich das Tor hinter uns. Drinnen machte alles einen nüchternen Eindruck. Flache, weißgraue Baracken, sorgfältig gereinigte Wege, nirgends eine schmückende lebende Pflanze. „Wir hatten Büsche und Bäume angepflanzt, aber die Invasion ・c ihr versteht・, erklärt Jori. „Vielleicht versuchen wir es noch einmal, wenn wir sicher sind, dass wir hier für länger bleiben.・
Ich warf Julia einen fragenden Blick zu. Sie hatte den Unterton anscheinend nicht bemerkt, sah sich wohl gerade in lauter fremden Bildern ertrinken. Eine Heimat für drei Jahre? Viele Wege, gleichförmige Wohnbaracken und mehrere Gebäude, die sowohl Riesenlabors als auch Gemeinschaftsräume sein konnten. Eine kleine, aber absolut nicht zum Bleiben einladende Stadt.


Jori lächelte. „Nur Geduld. Das machen wir gleich.・ Ihm war die Verblüffung anzumerken. Dass wir sofort nach den Kristallen fragten, zeigte ihm wohl, dass die grünschnäbligen jungen Mädchen sich gründlich auf die Oase vorbereitet haben mussten. So wie wir wirkten ・c Bestimmt hatte er innerlich gestöhnt, was die große Chefin ihm da für Babys aufgehalst hatte.

Jori wies uns in den normalen Tagesablauf ein. Das Notwendigste. Danach war es noch hell.

Jori lächelte. „Na, wenigstens das wisst ihr noch nicht. Wir haben die Veränderung wohlweislich geheim gehalten. Diesen Kristall hatten wir die ganze Zeit offen liegen. Er war das Ziel der Insekten. Wie ihr seht, ist er inzwischen fast wie ein Kohlkopf so groß. Der zweite ist unverändert. Den haben wir in seiner Schutzhülle behalten. Frau Dr. Herbst ist der Überzeugung, dass der Massenselbstmord der Insekten einen Sinn hatte. Wir kennen ihn zwar nicht, also auch jetzt noch nicht, aber wie sollten wir ihn herausbekommen, wenn wir nicht wenigstens einen der Kristalle sich frei entwickeln ließen. Nur ist aber schon wochenlang nichts mehr passiert. Zumindest konnten wir mit unseren Geräten nichts beobachten. Ihr könntet ihn übrigens auf einer Fingerspitze balancieren. So leicht ist er nämlich trotzdem geblieben.・

Jule stand eine Weile reglos neben mir. Jori beobachtete uns schweigend aus den Augenwinkeln. Was machte das schon? Wir fühlten uns merkwürdig berauscht. Abgehoben. Glücklich. Echt starke Wirkung.

Jori räusperte sich. „Also, ich will mich nicht aufdrängen, aber wisst ihr noch den Weg zu eurem Bungalow? Wenn ja, dann sehen wir uns morgen um acht in Baracke zwo-zwölf.・
Wir verabschiedeten uns schnell von ihm. Schielten dabei zu dem Kristall hinüber. „Als ob er lebt, was?・ Jule war ganz entrückt.
Ich wehrte mich noch gegen diesen Rausch. „Vielleicht? Aber er ist mir unheimlich. Als ob er mich mit unsichtbaren Kräften anzieht. Ob ich die Sache mit Hellersdorf noch nicht überstanden habe?・


Wie auf Kommando drehten wir uns um. Ich horchte in mich hinein. Nein, da war nichts, was mich am Gehen gehindert hätte, keine magische Anziehungskraft, nur plötzlich war ich furchtbar traurig. Oder bildete ich mir auch das nur ein?
Morgen kommen wir ja wieder hierher.

Ich deutete mit dem Daumen auf den Duschraum. „Willst du zuerst?・

War mir komisch! Als ob ein Anderer aus mir sprach. „Also, dann eben zusammen. Spart Wasser.・
Wir verließen die kleine Duschzelle zusammen, trockneten uns gegenseitig ab und legten uns aneinander geschmiegt auf meine Liege. Streichelten uns, berührten uns wie suchende Blinde. Ganz still lauschte ich auf Jules Herzschlag. „Was meinst du: Ob das die Wirkung das Kristalls ist?・
Julia krabbelte mit den Fingern ihrer linken Hand an meiner Wirbelsäule abwärts. „Vielleicht. Die gefällt mir aber, die Wirkung.・
Von nun an machten wir regelmäßig unsere Morgenspaziergänge zum Kristall. Standen einfach glücklich Arm in Arm vor dem Gitter und betrachteten verwundert wie beim ersten Mal den riesigen fremden Körper. Das Gefühl blieb. „Der Stein durchdringt uns, und ich fühle mich dabei echt high. Er mag uns・, fasste Jule es einmal zusammen.
Während der folgenden Tage traten wir überall als Paar auf. Mit Jori kamen wir wunderbar zurecht. Der junge Schwarze ・ übrigens der einzige geborene Namibier im Camp ・ freute sich über unseren nicht erlahmenden Eifer. Wir verlangten nicht mehr, als unsere Aufgaben zusammen erledigen und Pausenspaziergänge zu dem Kristall machen zu dürfen.
Bei einem dieser Spaziergänge sprach ich es zum ersten Mal aus: „Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass etwas mit unserer Rolle hier nicht stimmt? Zwei Schülerinnen zwischen gestandenen Wissenschaftlern? Wo wir nicht einmal die elfte Klasse beendet haben? Und die hier haben sie sicher gesiebt, bis sie die geeignetsten gefunden hatten ・c・
Jule wehrte sich. „Ach, du immer mit deinen Gespenstergeschichten! Freu dich doch!・ Verstand sie meine Zweifel nicht? Was sollte ich tun? Es war doch nur eine vage Ahnung. Ich hakte nicht nach.
Man hatte uns eine eigene Forschungskammer zugewiesen. So hießen im Camp die mal durch Zwischenwände, mal durch einfache Raumteiler voneinander abgetrennten Arbeitsgruppenplätze. Wir hatten keinen Kontakt zu den anderen Gruppen. Allein Jori kam oft und schaute uns über die Schultern. Dann sagte er etwas Aufmunterndes und ging weiter. So viel Selbstständigkeit war mir unheimlich. Zusammen lasen wir unsere Testreihen aus dem Tagesstick ein. Dort waren auch alle Sicherheitsvorschriften enthalten und die Infos, welche Materialien wir aus dem Magazin holen sollten, meist Kleidungsstücke und Haushaltsgegenstände. Dann setzten wir die nach Plan unterschiedlich lange den Sikroben aus. Und dann physikalischen Belastungen. Bei wie viel Gramm Zugkraft riss ein silizierter Faden von 1,0 Millimeter Durchmesser, der vorher ・c und dann folgte die Reihe der Materialien, aus denen das Zeug vorher bestanden hatte. Endlose Reihen an Werten, die wahrscheinlich erst in Form dreidimensionaler graphischer Darstellung Trends erkennbar werden ließen.
Kleinarbeit eben. Dann aber wollte Jule „・cnoch mal kurz in die 14.・ Ich hatte keine Lust, allein mit den Messungen weiterzumachen. Wir mussten sie sowieso immer beim anderen gegenzeichnen. Jetzt war die Gelegenheit. Hellhörig war ich geworden, als Jori gefragt hatte, wie weit wir mit dem Zerrodyn-Projekt wären. Den Begriff hatte sonst keiner erwähnt. Ich hatte noch locker gefragt, „Hä? Zerrodyn?・. Seltsamerweise schaltete Jori sofort weg, sagte „Ach nichts・ und sprach über etwas Anderes. „Ach nichts・ sagt aber niemand so sichtlich erschrocken. Das verfolgte mich.
Ich loggte mich mit Joris Passwort ein, stellte fest, dass Zerrodyn ein von der Herbst Corporation beantragtes Warenzeichen war. Der Zugang zu weiteren, sicher spezielleren Dateien war passwortgeschützt. Joris Passwort? Ich hatte mir seine Zeichenkombination gemerkt. Ich hoffte es jedenfalls. Gespannt starrte ich auf den Bildschirm, auf meine Satellitenuhr・c Okay, bis Jule zurück wäre, war noch Zeit.

"
Ich erkannte die Zahlenreihen sofort. Das waren genau die Messreihen, an denen wir im Moment arbeiteten. Manchmal geringfügig abweichend. Allerdings im Gegensatz zu unserem Programm waren die Reihen abgeschlossen. Es waren sozusagen auch die Ergebnisse dabei, die wir noch gar nicht gemessen hatten.
Verdammt, die Zeit! Schnell die Datei schließen. Ich hatte mich gerade der nächsten Messreihe zugewandt, da kam Jule zurück.
Mit den Tropfen zu hantieren forderte ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn Jule in dem Moment mein Gesicht gesehen hätte ・c Was sollte ich denken? Jule? Glücklicherweise gab der Computer gerade die Korrelation zwischen Infektionszeit und Festigkeit grafisch aufbereitet aus.

Jule lachte. „Red dich nicht raus: Du hättest schon mehr geschafft haben müssen.・
Auf dem Weg zur Unterkunft schlug ich Jule vor, mehr darüber herauszubekommen, was die anderen im Camp so machten. „・c Das ist doch normal bei einer Ausbildung, oder?・ Ich ließ es nicht bei dieser vagen Ankündigung. Von diesem Nachmittag an machten wir mehrere Ausflüge zu den anderen Arbeitsplätzen der Oase. Aber während jeder Wissenschaftler nur so sprudelte vor Erklärungswut, wenn es um Fragen zu unserem Projekt ging, lenkten alle ab, sobald wir ihnen über die Schultern sehen wollten. Anthra schaltete seinen Oszillator aus, wenn wir hereinkamen. Er unterschätzte meine Augen. Ich hatte es schon gesehen: Hier wurden Strahlungen in unterschiedlichen Wellenbereichen gemessen. Wahrscheinlich von dem Kristall. Auf Anthras Oszillator gab es aber noch eine andere Kurve. Deren Amplitude hatte genau in dem Moment nach oben ausgeschlagen, in dem ich sie sah ・c und Anthra ausschaltete.


Bildete ich mir das alles nur ein? Bestimmt war es ganz normal, wenn die unbedeutendsten Hilfs-Schüler nicht gleich in alle Geheimnisse der aktuellsten Forschungen eingeweiht wurden. Wir gäben zwar die ungewöhnlichsten Spione ab, so unbeholfen, wie wir noch waren, aber ・c eine Ahnung sagte mir, dass mehr dahinter steckte als normaler Geheimnisschutz. Ich hätte wetten mögen, die Kurve auf Anthras Oszi hatte eine Reaktion in meinem Inneren angezeigt ・c und gleichzeitig kam mir der Gedanke albern vor.
Tag für Tag wurden wir mit Messreihen überschüttet. Ich kam nicht mehr dazu, zu prüfen, ob die schon früher gemacht worden waren. Vielleicht war das nur ein Test, wie gut wir arbeiteten? Das wäre zwar irgendwie unfair ・ so heimlich ・ aber ein Grund zur Begeisterung. Ich wusste ja, wir waren Spitze. Wenn mich nicht gerade das so verunsichert hätte: Wir konnten nicht so gut sein. Woher denn?

Jori wimmelte ab, irgendwie ungehalten, so als wäre ihm die Frage lästig. „Quatsch! Das bildest du dir bloß ein. Ihr habt bestimmt nichts angestellt.・

Schließlich besann er sich. „Na ja, eigentlich ist nichts, aber ・c Weißt du, du müsstest euch mal sehen. Ihr marschiert da jeden Tag mindestens zweimal zu dem Kristall. Dort steht ihr, als hättet ihr eine überirdische Erscheinung. Oder als betet ihr dieses Ding an und würdet glücklich damit. Für euch mag das natürlich erscheinen.・ Jori zögerte. „Die meisten hier erinnern sich aber an die letzte Phase. Was haben wir gezittert. Täglich kamen von allen Seiten die Insekten. Täglich haben sie sich wie von Geisterhand geführt in den Tod gestürzt. Täglich hätten Regierungsvertreter auftauchen können, um das Projekt zu beenden.・



Jori nickte. „Fragt sich nur, wie.・

Jule nickte und antwortete: „Ich wollt・Ls dir nicht sagen. Genauso war mir auch.・
Wir besuchten morgens unseren Glücksstein regelmäßig ・ noch vorm Frühstücken. „Meinst du, wir sind lesbisch?・ fragte Jule.

Geplänkel
T
Dann aber meldete sich Petra. „Hast du inzwischen etwas von den anderen gehört? Egal, ob von den Kugeln oder den anderen Verschworenen?・
In dem Moment war Jens so mit der Akte auf seinem Tisch beschäftigt, dass er unwillig murrte: „Das weißt du doch. Wir haben uns schließlich beim letzten Treffen darüber unterhalten. Und Neues gibt・Ls noch nicht.・

Jens erschrak. „Nein, nein, Petra, entschuldige! So war das nicht gemeint. Und in den zurückliegenden Tagen hat sich bei etwas Anderem viel getan. Das ist aber ・c Also da sollten wir besser unter vier Augen drüber sprechen. Vielleicht treffen wir uns mal wieder? Am kommenden Wochenende? Wieder bei mir?・

Jens versicherte, es habe Zeit.

Dann wurde Jens zum Dienststellenleiter befördert. Eigentlich machte ihm die neue Arbeit Spaß. Trotzdem musste er sich erst daran gewöhnen, dass er seine Teams nur kontrollieren und anleiten sollte. Sehr schnell sehnte er sich nach einer Fährte, die er persönlich verfolgen konnte.
Sonja meldete sich regelmäßig. Sie plauderte von ihrer neuen Siebten, gelegentlich tauschten sie ihre Meinungen über das wieder entstehende Berlin aus, der, wenn es nach den Vorstellungen der Planer ginge, künftig modernsten Metropole der Welt. Obwohl im Moment Hunderttausende im näheren und ferneren Umland darauf warteten, überhaupt eigene Quartiere zu beziehen. Petras „Herbst Immobilien AG・ hatte offenbar die meisten mit einer dicken Silitschicht überzogenen Baugrundstücke erworben. Aber bei dem monströsen Gesamtprojekt fielen auch für kleinere Firmen Aufträge ab. Wie sagte Petra im Interview von "Karriere"? „Hier erleben wir die allerletzten europäischen Gründerjahre.・ Jens hatte mit dem Kopf geschüttelt und den Sender gewechselt. Da würde die „Schwurschwester・ sich wohl kaum in Sternekop melden.
Und Sonja und Janine? Jens vermutete inzwischen überall Geheimnisse, denen er auf den Grund gehen musste. Ihre Kinder als Geschöpfe der Fremden würden irgendwann in ihre eigentliche Heimat zurückkehren ・ wenn sie nicht auf der Erde zu Monstern mutierten. Ob die Frauen auch auf solche Idee gekommen waren? Wenn nicht, dann weckte Jens womöglich die Zweifel erst dadurch, dass er sie aussprach? Vielleicht käme Janine nie auf so was? Sina und Leonie keine richtigen Menschenkinder? Quatsch!
Wenn er ehrlich zu sich war, dann waren die beiden für ihn eben nicht mehr nur die netten Mädchen. Am liebsten machte er Überstunden. Dann brauchte er sie nicht anzusehen. Seine Lieblinge, seine Engel. Zugleich Fremde wie diese Klone von Petra und Sonja. War ihre Geburt nicht ungewöhnlich leicht gewesen? Damals war es ihm ganz natürlich erschienen, dass Janine bei den Presswehen nicht geschrien hatte. Jetzt träumte er oft von der Entbindung. Aber anstelle der Köpfchen mit klebrigen Haaren summten zwei riesige mit Schleim bedeckte Hornissen zwischen Janines Schenkeln hervor, und ihnen folgte ein grauer Brei und der Raum war von blauem Schimmer erhellt und er hörte Janine abwechselnd schreien und röcheln und dann hörte er die Hornissen Papa sagen und sie flogen auf ein Fenster zu und vom Splittern des Glases wurde er munter. War er damit ein Fall für den Psychiater? Wahrscheinlich gab es für das Ganze eine einfache Erklärung und die lag einfach in einer Ecke, an die bisher noch niemand gedacht hatte? Sollte er da jetzt seine Liebsten beunruhigen, die solch seltsamen Anwandlungen wohl nicht hatten?
Petra sah die Dinge sicher nüchterner. Wenn es ein Problem mit diesen Zwillingen gab, dann hatte sie das garantiert erkannt, aber wahrscheinlich auch längst gelöst. Mit ihr sollte er unter vier Augen reden.
Die Nummer, die sie ihm gegeben hatte, war offenbar eine geheime. Jens hörte ein merkwürdiges Klicken und sofort hatte er Petra persönlich auf dem Monitor. „Hallo, Petra, weißt du, ich wollte auf unsere Abmachung zurückkommen. Dass wir uns hier draußen treffen wegen der Kugeln und ・c・

Jens lud auch Sonja ein. Wenn er Petra allein sprechen wollte, dann bot das Geglucke der beiden anderen Frauen vielleicht die Gelegenheit.
Petra kam mit ihrem E-Car wie immer. Jens hatte allerdings ein Geräusch gehört, als wäre der Wagen bis kurz vor dem Grundstück in Begleitung von mindestens einem zweiten gewesen. Aber vielleicht hatte er sich auch geirrt. Entschieden wehrte sich Jens, einem an Verfolgungswahn grenzenden Zustand zum Opfer zu fallen. Da war einfach nichts. Basta!
Schon bald waren sie alle im Fachsimpeln. Petra erklärte: „Der Kernkristall durchläuft ・ wahrscheinlich mit Hilfe der durch ihn verbrannten Insekten ・ Veränderungen, deren Ergebnis uns noch unbekannt ist. Welche Rolle dabei diese Sikroben spielen, ob sie eine eigene, besonders aggressive Form von Leben sind oder was sonst, ist genauso offen wie ihre Entstehung. Heute darf ich einfach mal spekulieren. Ich sehe da nämlich verschiedene Möglichkeiten:・ Petra sah zu Janine und Sonja. Die erwarteten ihre Spekulationen genauso gespannt wie Jens. „Zum Beispiel könnten sich die Tropfen aus den Resten der Schutzschale gebildet haben ・ eventuell, weil sie mit dem frei gelegten Kristallkern Kontakt hatten ・ oder durch Anregung mit Röntgenstrahlen. Sie könnten Futter für die Kerne sein. Rund um den ersten untersuchten Kern fanden sich nämlich keine Sikroben.・
Jens unterbrach sie: „Sag mal, Petra, das mit der Röntgenanregung wäre doch geklärt, wenn du deine eigene Kugel geöffnet bekommen hättest, ohne sie zu bestrahlen?・

Die anderen stockten. „Sie hat sie nicht mehr!・ rief Jens kopfschüttelnd.

Jens schüttelte noch immer den Kopf. „Na du bist gut! Experimentierst mit fremden Kugeln, aber vergisst die eigene. Na, lassen wir das. Wir wollten ja jetzt nur unser Wissen abgleichen. Wir haben zum Beispiel noch nicht berücksichtigt, dass die Kugeln aufeinander, zumindest auf die eine schwere, eine unbekannte Wirkung ausüben.・

Sonja lächelte. „Ich möchte noch anmerken, dass bestimmte Menschen besonders tiefe Beziehungen zu diesen ・c ich sage mal Strahlen ・c zu haben scheinen. Das muss ja nichts heißen, aber die Marie hat das mit den Gitarren entdeckt, und unter dem Einfluss der Kristalle entfaltet sie offenbar besonders viele kreative Energien. Das hat sie mir begeistert geschrieben.・
Jens hatte sich angewöhnt, aus kleinen Gesten zu lesen. Das brauchte er in seinem Beruf. So fiel ihm auf, dass Petra für den Bruchteil einer Sekunde förmlich erstarrte. Sie warf Sonja einen scharfen, fragenden Seitenblick zu. Die achtete aber nicht darauf. Und dann bemerkte Petra, dass Jens sie beobachtete. Sofort lehnte sie sich demonstrativ locker zurück. In ihrem Blick lag nun nur noch scheinbar durchschnittliches Interesse an Sonjas Ausführungen.

Jens machte das hellhörig. Das klang sehr danach, als wollte Petra dem Gespräch die Ernsthaftigkeit nehmen. Wovon wollte sie ablenken? Nach einer kurzen Pause setzte er neu an: „Um eventuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszufinden, müssten die anderen Kugeln untersucht werden. Sonja hat eine. Die kann sie beim nächsten Mal mitbringen, damit Petra sie erforscht. Diesmal sollten wir aber kein Jahr verstreichen lassen.
Ich würde vorschlagen in zwei Wochen treffen wir uns wieder hier. Dann haben wir eventuell Nummer vier. Lisa hatte die schwere Kugel. Ich hab sie gefunden, Lisa, mein ich. Ihre Kugel liegt irgendwo unter dem Silit. Dort, wo mal der Prenzlberg war.・
Dass er die von Hardy gefunden hatte, das war ein Bonbon für das Gespräch unter vier Augen. Irgendetwas hielt Petra ja auch vor ihm geheim.
Das Gespräch irrte wieder ab. Jens warf Petra mehrmals prüfende Blicke zu. Sie suchte dann demonstrativ nach einem Punkt abseits, den sie unauffällig fixieren konnte. Das konnte aber auch Zufall sein.
Abends beim Einschlafen ging Jens noch einmal die seltsame Szene durch. Worauf hatte Petra so komisch reagiert? Wenn er sich richtig erinnerte, an der Stelle, an der diese Marie und ihre Gitarre angesprochen wurde. Sollte das für Petra wichtig sein? Wenn nicht in Bezug auf die Kugeln gerade das scheinbar Unsinnige zusammenzugehören schien, hätte er abgewunken. Aber er durfte nichts übersehen. Ein Glück, dass sie sich wohl bald wieder träfen. Diesmal war es nicht zu dem Gespräch unter vier Augen gekommen. Aber war es nicht seltsam, dass die Superunternehmerin so viel Zeit aufbrachte, um sich mit ehemaligen Schulkameraden im Garten auf dem Lande zu treffen? Von wegen Ausflug mit den Kindern in die Natur. Sie hatte auf die Frage, ob sie denn an dem Samstag Zeit habe, nicht einmal ihren Timer befragt. Als ob sie alle eventuellen Termine an diesem Tag zugunsten ihres Nachmittagskränzchens zurückstellen wollte. Oder von vornherein nicht kommen und sich dann entschuldigen lassen würde ・ nur sie war gekommen.
Gleich am folgenden Montag nahm Jens einige seiner Mitarbeiter zusammen. „Die Berliner Katastrophe ist unter Umständen das Ergebnis einer fremdartigen Substanz, die sich aus uns bisher unbekannten Gründen immer wieder neu bilden könnte・, erklärte er ihnen. „Nach speziellen Nachforschungen hat sich herausgestellt, dass wahrscheinlich mindestens noch drei Personen über den erforderlichen Ausgangsstoff verfügen könnten. Die müssen wir schnellstens finden. Dabei gilt es, kein überflüssiges Aufsehen zu erregen. Wir wollen keine neue Panik auslösen.・
Ein unverhofftes Ende
S
Da hörte ich Joris Stimme: „Hallo? Schlaft ihr etwa?・

Ich streckte mich, rieb mir gähnend die Augen, da traf mich Jules Arm. Fast synchron drehten wir uns zur Tür.



Ich sprang hoch, als hätte ich einen Skorpion unter der Decke. Hektisch warf ich mir eine Schürze über. Dann schnauzte ich Jule an, die die Schlafdecke bis zum Mund hochgezogen hatte: „Mensch, komm hoch!・
Schließlich verschwanden wir im Bad. „Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Sonst haben wir unseren Wecker nie gebraucht ・ und heute klingelt er nicht. Wer weiß, wie lange wir noch gepennt hätten, wenn du nicht gekommen wärst.・ Ich versuchte das Rauschen des Wassers zu übertönen.

Als wir zusammen den Bungalow verließen, kamen uns etwa dreißig heftig miteinander diskutierende Bewohner des Camps entgegen. Ich lachte: „Wolln die etwa zu uns? Die solln mal nich übertreiben. So schlimm is ja auch wieder nich. Einmal verpennt, eh.・
Die Männer blieben wütend stehen. „Was gibt es denn da noch zu lachen? Mut habt ihr ja, uns vor die Augen zu treten.・
Ich glaube, ich hatte noch die Hände in die Hüften gestemmt. „Nu macht na halblang! Habt ihr etwa noch nie verpennt?・
Einer der Männer, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, sprach den entscheidenden Satz: „Veräppeln könn wir uns alleine. Von wegen verpennt ... Der große Kristall ist weg und dürftet das ja wohl wissen?・
Nun war die Reihe an mir, aus der Bahn zu fliegen. „Wie ・c weg?・

Wir schlossen uns der Gruppe an. Am Bungalow kamen wir uns vor wie in einem ausgeraubten Zoo. Wir standen zusammen mit vielen aufgeregten Besuchern vor dem Gitter und sahen nur, dass nichts mehr zu sehen war.
Einer der Männer kam mit einem Schäferhund zurück. Der kläffte wütend und zerrte aufgeregt an seiner Leine. Die Meute folgte ihm diskutierend. „Er hat Witterung aufgenommen・, erklärte Jori uns, als ob wir das nicht selbst wüssten. Doch Spock wurde schnell langsamer. Kurz vor der Tür unseres Bungalows stoppte er. Sein Fell sträubte sich. Er hockte sich hin und fing an, wie ein Wolf zu heulen. Alle Kommandos waren umsonst.

Langsam gingen die Teams auseinander. Die meisten zum Gemeinschaftsraum. Anthra wies zwei seiner Assistenten an, uns nicht aus den Augen zu lassen. Drei weitere Wachleute begleiteten uns zu unserem Bungalow. Hilflos sahen wir zu, wie mehrere Assistenten die Räume durchwühlten.

Andere Männer stöberten draußen nach einem Versteck. Je länger das erfolglos blieb, umso rücksichtsloser nahmen sie alles auseinander. Natürlich fanden sie nichts. Unsere beiden kleinen Räume aber waren verwüstet.
Petra Herbst kam mittags mit ihrem Privatjet in die Oase. Man holte uns wie aufgegriffene Täterinnen. Es wurde viel spekuliert. Es standen ja nur zwei Dinge fest: Der große Kristall war nicht mehr an seinem bisherigen Platz, und gerade von dem Augenblick, in dem er verschwunden war, gab es keine Aufzeichnungen, da hatte die Alarmanlage versagt. Sie funktionierte inzwischen wieder, und so sehr alle suchten ・ sie fanden keinen Fehler.
Petra redete besänftigend auf die Teams ein. „Ihr habt getan, was möglich war ...・ Was mit uns werden sollte? „Na, habt ihr etwas gegen sie gefunden? ・c Na also! Sie machen ihre Ausbildung weiter wie bisher. Oder gibt es andere Beanstandungen? Schaffen sie vielleicht ihre Aufgaben nicht?・
Beanstandungen gab es nicht. Und unsere Aufgaben?
Der Verdacht, dass wir hinter dem Verschwinden des Kristalls stecken könnten, aber blieb. Natürlich sprach ihn niemand aus. Dabei war Spock, dieser Köter, der einzige, der uns belastet hatte. Und dass wir halt irgendwie anders waren ...
Petra ließ den zweiten Kristall auspacken und auf den Platz des ersten legen. Jule freute sich darüber genauso wie ich. Ohne Kristall wäre es im Camp wahnsinnig eintönig geworden. Und der neue wirkte auf uns sofort genauso wie der alte.
Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, lockte ich Jule nachts durch Zeichen aus dem Bungalow. Bald hatten sich unsere Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt. Mit der Taschenlampe bewaffnet näherten wir uns der Stelle, an der Spock sein gesträubtes Fell bekommen hatte.

Jule packte mich am Arm. Auch ich hatte es gehört. Ein Geräusch, ein Knacken, vielleicht ein sich nähernder Schritt ・c Nein, um uns herum blieb alles still. Nur ein paar Insekten zirpten. Es gab noch Massen davon. Alle die, die der Kristall angelockt hatte, suchten nun nach Partnern oder Beute. Aber hatten sie nicht einen Moment geschwiegen?

Ich hockte vor der Stelle, vor der Spock gestoppt hatte. „Hier ist absolut nichts. Aber ich glaube ・c Die Herbst weiß genau, was sich hier abgespielt hat und jetzt ・c・
Vergeblich versuchte ich, irgendetwas zu erkennen. Das brachte also nichts. Außerdem ・c Ich zerrte Jule wieder hinter mir her in den Bungalow. Als sie dort etwas sagen wollte, hielt ich ihr den Mund zu. Wir kauerten reglos auf unserem Bett. Endlich hörten wir es deutlich. Leise knirschender Sand. Langsam entfernten sich Schritte.



Ich lag neben ihr. Starrte die Decke an, als könnte ich dort trotz der Dunkelheit etwas erkennen. „Das beschäftigt mich schon die ganze Zeit. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum sie das macht. Dazu kennt sie uns ja viel zu wenig. Wir müssen ihr hier nützlich sein, so wie wir sind.・




Ich schwieg. Sollte ich von der Zerrodyn-Datei erzählen? Wenn ich Recht hatte, brächte uns das in Lebensgefahr.



Ich lächelte. Jule konnte es ja nicht sehen. Aber mitunter dachten wir doch ähnlich. Ein Glück, dass sich Jule nicht vorstellen konnte, dass ich gerade das beabsichtigt hatte. Die uns da beobachteten, sollten wissen, dass wir uns beobachtet fühlten. Dann verloren wir unseren Wert als Testobjekt. Und dann? Eben da wusste ich nicht weiter. „Kann sein. Und weiter? Das Abhören würde erklären, warum diese Frau Herbst uns so verteidigt hat. Die wusste ja genau, dass wir unschuldig waren.・

Wieder verging eine Weile.

Schließlich packte ich Jule noch einmal an der Hand. Draußen flüsterte ich: „Du, ich hab ja wirklich keine Ahnung, was wir machen sollen. Aber wenn wir uns das nächste Mal über so etwas unterhalten, dann draußen, wo wir unbeobachtet sind. Noch was anderes: Ich glaub nich an einen Zufall, dass wir ausgerechnet an diesem bekotzten Morgen verschlafen haben.・
Jule zögerte. Ich wollte zum Kristall laufen, aber sie hielt mich zurück. „Wenn du Recht hast, dann werden wir andauernd gefilmt. Bei jedem Kuscheln und so ・c・

Jule suchte verkrampft nach einer Antwort. Das war meine Chance. Plötzlich riss ich mich los und rief: „Wer als erster da ist!・ Sollte das jemand beobachtet haben, hätte er bestimmt gedacht, der Kristall wirkte wieder. Jule konnte gar nicht anders. Sie rannte auch los ・c
In den folgenden drei Wochen zogen gewaltige Wolken fliegender Insekten und krabbelnde Wandervölker auf den Bungalow unseres Kristalls zu. Tag und Nacht war weithin Funkenhagel zu sehen. Bei Menschen hätte man wohl gesagt, sie stürzen sich in Massenhysterie in den Flammentod. Aber bei Insekten? Sie zog etwas Unerklärliches an, und dann verschmorten sie in der Luft. Schon von weitem verscheuchte ein penetranter Gestank die Menschen aus der Umgebung des Kristalls. Wenn sich aber Jule und ich dem Bungalow näherten, machte der Kristall eine Fresspause. Ja, er verscheuchte die Insekten sogar. Selbst die kleinsten Fliegen hielten zwanzig Meter Abstand. Die restlichen Campbewohner bewegten sich, soweit ich das mitbekam, zwischen den Insekten wie in einem Bodennebel.
Die anderen Veränderungen im Camp gingen schleichend vor sich.
Petra Herbst hatte einen Alarmplan durchgesetzt. Was auch immer es gewesen sein mochte ・ irgendetwas hatte das Wunderwerk der Sicherheitstechnik im entscheidenden Augenblick außer Betrieb gesetzt. Also hatte sie angeordnet, durchgehend drei Personen von den normalen Aufgaben zum Wachdienst abzustellen. Einer musste ohne Unterbrechung den sich entwickelnden Kristall beobachten. Vorsichtshalber. Weil der Technik nicht zu trauen war. Als doppelter Boden sozusagen.
Die Bewohner mieden uns. Nicht einmal Jori verteidigte uns noch offen. Als ob dieselben Kristallstrahlen, die uns so aufmunterten, alle anderen in knurrige Trauerweiden verwandelt hatten. Nun schaltete nicht mehr nur Anthra seine Anlage ab, sobald wir uns näherten. Überall beäugten sie uns misstrauisch. Das traf mich. Wie ein absolutes Kontaktverbot, ein unausgesprochenes. Jedenfalls bildete ich mir das ein. Eigentlich durften wir weiter überall hin. Wir erfuhren aber absolut nichts. Die Sikroben-Reaktionstestreihen, ja, die blieben uns.
Ich beneidete Jule. Die glaubte wenigstens noch, dass sie dabei etwas Wertvolles machte. Nur, wenn ich mal mit ihr draußen herumspazierte, mir richtig auf der Zunge lag, was ich damals über das Zerrodyn erfahren hatte, dann tauchte stets wie zufällig jemand in Hörweite auf.
Bildete ich mir etwas ein? Ich merkte ja, wie ich mich veränderte. Da hatte ich laut gesagt, wir machen weiter wie bisher. Aber es klappte einfach nicht. Wenn ich mich bei Jule ankuscheln wollte, schielte ich selber die ganze Zeit zur Decke und zu den Wänden. Von irgendwo dort beobachtete man uns ・c Und schon war die Stimmung weg.
Schließlich hielt es ich nicht mehr aus. Ich bat um Versetzung in die Berliner Zentrale. Jori sagte dazu nur: „Ich unterstütze deinen Antrag.・ Mir kam es so vor, als atmete er auf.
Eine Woche später wurden wir wirklich versetzt.

Ich zuckte mit den Achseln. „Vielleicht hat sie längst bessere Medien gefunden. Oder bei dem, was jetzt kommt, würden wir sogar stören. Weißt du, am liebsten hätte ich meinen Antrag gleich wieder zurückgezogen, kaum dass ich ihn abgeschickt hatte.・

Das Gefühl, überall beobachtet zu werden, waren wir los. Dafür fielen wir durch die Zwischenprüfung.

Sechs Wochen später legte man uns den Abbruch der Ausbildung nahe. Eine Personalsachbearbeiterin erklärte mit gekünstelter Freundlichkeit, dass eine erneute Bewerbung nach Erwerb der Hochschulreife durchaus wohlwollend geprüft würde. Eine echt gehässige Spitze.

Wenigstens das Eberswalder Helmholtz-Gymnasium wollte es noch einmal mit uns probieren. Fast hätte ich aufgejuchzt: Die Personaltussi würde Augen machen, wenn wir tatsächlich ein paar Monate später mit der geforderten Hochschulreife vor ihr ständen.
Im Nachhinein kam mir die Zeit in dem Wüstencamp Woche um Woche spannender vor. Wenn wir doch wieder zurück könnten! Ich verfolgte alles über Namibia, was mir in die Hände fiel. Ich las sogar Fachliteratur. Alles, was im Internet unter dem Stichwort Kalahari erschien. Selbst so kuriose Meldungen wie die, dass Metalle, die selten und wertvoll waren wie Gold, Platin oder Wolfram, von dort in erheblichen Mengen und gleich in handliche Barren aufbereitet auf dem Weltmarkt geworfen würden. Auf einen Zusammenhang mit der Oase kam ich anfangs nicht. Obwohl ・c komisch fand ich es schon.
Dann entdeckte ich in einem Text, den ich fast schon gelöscht hatte, das Wort „・c Herbst Mining Incorporation ・c・ Ich zeigte ihn Jule. „Wolln wir wetten? Das hängt mit dem Kristall zusammen. Da gab es keine Grubengesellschaft. Oder haben wir da unten irgendetwas von Bergbau oder so gehört? Nein. Geologische Forschungen in der Nähe der Oase? Absolut Fehlanzeige. Alles, was da ablief, drehte sich um die Sikroben und die Kristalle. Mit Barren hatte Petra Herbst nie was am Hut. Was weiß ich, wie lange es dauert, ein Metall zu gewinnen und aufzubereiten. Also bestimmt nicht nur ein paar Wochen. Da ist was Fremdes am Werk. Und das einzige Fremde, was mir da sofort einfällt, sind die Kristalle. Ich weiß zwar nicht, wie, aber was Besseres gibt・Ls nicht. Und wir sitzen hier und können nichts machen.・
Die Angst in Jules Augen! Ob ich wohl wieder so eine Gitarrentour ausbrütete. Dabei hatte ich mich doch verändert! Manchmal kam ich mir richtig alt vor.
Schließlich tippte Jule genau auf die offene Wunde. „Was willst du denn machen und wofür oder wogegen? Nach Afrika können wir nicht einfach so laufen.・
Widerwillig gab ich es zu. „Das weiß ich ja auch noch nicht. Aber es ist zum Kotzen: Da unten ist was los und hier nicht.・ Verrückt: Es beruhigte mich. Den Ton kannte ich an mir, ganz neu war ich also nicht. Nein, ich war noch ich selbst.
Nicht jedem eine Kugel ・c
F

Jens schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nun mal ganz langsam. Was willst du denn damit sagen? Hast du plötzlich was gegen unsre Petra? Außerdem habe ich wirklich noch nicht alle Kugeln gefunden. Zumindest Lisas ist im Augenblick nicht erreichbar. Die liegt da, wo im früheren Friedrichshain mal eine Häuserwand gewesen ist, unter einer meterdicken Silitdecke.・

Sonja reichte Jens mehrere Blätter. Es waren Computerausdrucke einer englischsprachigen Website. Die behauptete, dass eine „Herbst Mining Incorporation・ in phänomenaler Menge und Qualität reines Plutonium, Germanium, Wolfram, Kobalt und Bismut aus Afrika auf dem Markt anbiete und dass als Folge dessen bald „atomare Sprengkörper für den Hausgebrauch unkontrolliert durch die Welt vagabundieren werden・.


Jens sah zu Janine herüber. Die warf ihm missbilligende Blicke zu. Offenbar begriff sie nicht, warum er sich nicht sofort über Petra aufregte. „Ja, gut, also ist Petra für euch jetzt das Monster aus Afrika?・

Ich holte Luft. Das war ja wohl die Aufforderung an mich, meine Vermutungen aus der Oasenzeit zu schildern. Aber Sonja gab mir ein Zeichen abzuwarten.

Jens lächelte nicht mehr. Im Gegenteil wurde er richtig ungehalten. „Ich nehme an, davon werden sie noch ausgiebiger erzählen. Bloß was hat das hiermit zu tun?・ Er wedelte mit dem Papier.
Sonja ließ sich nicht verunsichern. Sie sprach weiter, als hätte sie den Einwand nicht gehört. „Die Sache mit der Überwachung klammere ich mal aus. Die Mädchen vermuten, dass da unten daran geforscht wird, Menschen zu steuern. Das wäre auch mir zu gewagt. Aber dann habe ich gerechnet. Die Zeit hätte gereicht. Inzwischen hätte sich der zweite Kristall entfalten können. Was ist, wenn er nicht verschwunden ist, sondern Petras Leute ihn gebändigt haben? Könnte es nicht sein, dass er mit dem Auftauchen dieser hochkonzentrierten Stoffe zu tun hat? Und was ist, wenn auch der erste Kristall gar nicht verschwunden war ・ oder nur für die naiven Wissenschaftler in diesem Camp? Wir wissen doch gar nicht, auf welchen Gebieten Petra alles forscht.・
Jens sah uns abwechselnd an, als erwartete er, dass wir uns für unseren Verdacht schämten. Dabei kaute ich noch daran, dass Sonja gerade meine ganzen Ängste aus Namibia als nicht erwähnenswert weg gewischt hatte. „Wie hat sich Petra denn euch gegenüber verhalten? Hat sie euch rausgeekelt oder hat sie euch verteidigt? Und du, Sonja? Du hast Petra die Mädchen doch ans Herz gelegt ・ bereust du das jetzt? Warum billigst du ihr nicht zu, dass sie sich einfach nur für die Mädchen verantwortlich gefühlt hat?・ Jens・L Stimme klang allerdings viel weniger entschieden als seine Worte.

„…


Inzwischen fragte ich mich, warum uns die Zarge überhaupt mitgenommen hatte. Damit ihr ehemaliger Mitschüler sich an meiner afrikanischen Restbräune erfreute, ja wohl nicht. Aber warum ließ sie uns nicht zu Wort kommen?




Jetzt ließ Jens Sonja nicht zu Wort kommen. „Selbst, wenn du Recht hättest, wie gesagt, selbst wenn・, sagte er jedes Wort in die Länge ziehend, „es schadet doch keinem, wenn nun Petra mit zu den Reichen gehört. Wenn wir nun einmal in einer Welt leben, wo Geld über alles entscheidet, warum soll nicht unsere Petra dafür belohnt werden, dass sie die richtige Idee gehabt hat? Sie ist doch nicht schlechter als andere! Immer noch besser, als die, die sich was auf ererbten Reichtum einbilden. Petra hat wenigstens was geleistet. Lass sie doch.・
Janine sprach einfach in eine kleine Pause hinein. „Diese Ätzer schienen zuerst die Katastrophe schlechthin zu sein. Die tollen Stoffe, die sie draus gemacht haben, schienen danach ein Segen für die Menschheit zu sein. Inzwischen jagen Tausende Polizisten Leute, die selber solche tollen Stoffen machen wollen und geforscht wird daran, wie das Zeug künstlich altert, damit sie weiter davon verkaufen können. Ist das nicht pervers? Vielleicht haben wir den Moment verpasst, wo Petra von der netten Forscherin zur eiskalten Geschäftemacherin geworden ist?・
Plötzlich hellte sich der Ausdruck in Jens・L Gesicht auf. „Also, wenn ich euch so angucke・, sagte er, und dabei sah er uns allen nacheinander ins Gesicht, „dann wolltet ihr mich hier davon überzeugen, dass wir was gegen Petra machen sollten. Ihr dachtet wohl, ich mach da nicht mit? Ich habe die ganze Zeit selbst überlegt, ob wir uns nicht ein Kuckucksei ins Nest geholt haben. Da wusste ich noch gar nichts von dem Metallzeug da. Aber eins wusste ich schon: Wer Petra zum Gegner hat, der hat einen verdammt starken Gegner. Ich dachte immer, wir haben Probleme genug. Aber wenn ihr meint ・c・
Sonja lächelte. „Wenigstens sollten wir es versuchen. Wir verfügen über zwei Kugeln. Das ist schon mal ein Anfang. Wie Petra ihre untersucht hat, wissen wir. Das werden wir mit unseren auch tun. Wir werden wohl noch an einen Röntgenapparat herankommen! Ob Petra ihre eigene Kugel wieder findet, ist offen. Nimm einmal an, wir haben Lisas schwere zuerst und untersuchen sie, dann hätten wir sogar einen Vorsprung. Sollten sich die Kräfte in den Kugeln als ungefährlich herausstellen, kann Petra damit machen, was sie will.・
Jens deutete auf Jule und mich. ・Nun mal nicht so eilig. Und die beiden da?・


Klasse! Hatte Sonja das vorgehabt? Sie hatte es uns nicht verraten. Ich sah Jens geradeheraus ins Gesicht. Seine Worte hatten ja nur so gestrotzt von Ironie. „Was gibt es da zu lachen? Sie haben zwar irgendwie Recht. Aber wenn keiner anfängt, dann kann diese Petra Herbst machen, was sie will. Und plötzlich ist es zu spät.・ Wieder sah Jens zu mir. So ・c

Ich richtete mich auf. „Marie!・

In diesem Moment stürmten Leonie und Sina zur Tür herein. „Warum kommt denn keiner mit nach draußen?・
Auf der Rückfahrt fiel mir diese Szene wieder ein. „Es ist bestimmt Unsinn, aber diese Klonies sind in das Gespräch hereingeplatzt, als hätten sie sich den störendsten Zeitpunkt ausgesucht ・c・


Ich hätte mir auf die Zunge beißen mögen. Sonja am Steuer hatte doch auch solche Klonies ・c

Erstmal eine Weile nichts. Dann antwortete sie: „Als wir das alles vereinbart hatten, da hielten wir uns für Partner, Freunde oder so. Petra hat zweifellos die besten Voraussetzungen, um die Kugeln zu erforschen. So lange sie uns traut, wird sie uns nicht bekämpfen. Das sollten wir uns erhalten.・


Am folgenden Wochenende hatten die Marders ihren lang geplanten Besuch von Petra. Bei dieser Gelegenheit nahm die Sonjas Kugel in Empfang. Soweit ich es rekonstruieren konnte, kam kein Gespräch über die Kalahari-Ereignisse zustande.
Jens stammelte von „・c Hektik im Amt ・c・ und „Zu nichts kommt man ・c・ ・ jedenfalls habe er sich noch nicht erfolgreich um den Verbleib der restlichen Kugeln kümmern können. Janine rettete ihn dann aus der Verlegenheit, indem sie ihn in die Küche rief.
Sobald Petra weg war, rief Jens uns an; wir durften unseren Dorfspaziergang beenden. Es war auch höchste Zeit. Ich konnte es kaum aushalten, noch weitere wertvolle Forschungszeit zu vergammeln. Endlich konnten wir loslegen: Hinten im Schuppen aufräumen, aufschreiben, was wir für die Eröffnung unseres Labors brauchen könnten und so. Hoffentlich begegneten sich Jens・L und Petras Klonies nicht so oft. Irgendwann würden sie sich verplappern.
Die Rutengänger
B
Und nun? Nun wollte ich mich zur Disziplin zwingen. Nach außen hin sollte ja alles normal ablaufen. Je weniger unsere Labor-Aktivitäten auffielen, umso besser. Und bei einer Schülerin, die immer brav Hausaufgaben gemacht hat, erwartet niemand allzu ausschweifende Neben-Tätigkeiten.
Das letzte Klingeln im Schulhaus war trotzdem wie der Ruf zum Freigang einer zu Unrecht Verurteilten. Mein Vater hatte mich aufgegeben. Er fragte zwar, wenn wir uns gelegentlich sahen, wie es mir denn so gehe, gab sich aber mit ausweichenden Antworten zufrieden. Einmal ermahnte er mich, ja nie Pille und Kondome zu vergessen ・ auf die Jungen sei kein Verlass und lieber doppelt verhüten als gar nicht. Ein anderer Grund für meinen Zustand fiel ihm nicht ein, und ich ließ ihn natürlich in seinem Glauben.
Das Haus der Marders empfand ich mehr und mehr als mein Zuhause. Die Untersuchungen im Labor machten ungeheuren Spaß. Hier traf ich eigene fachliche Entscheidungen. Was sollte ich tun? Die anderen erwarteten das von mir. Mitunter saß ich noch nach Mitternacht am Computer, um Informationen zu besorgen. Wir hatten die Kugeln geröntgt, sie zertrümmert, die beiden blanken Kristalle wieder verpackt und die sprudelnden Sikrobentropfen in einem eigens dafür hergerichteten Bottich eingefangen. Die Sikroben ließen sich füttern und reagierten im Laufe der Zeit auf einen festen Fütterungsrhythmus. Andersherum dienten sie wiederum den Kristallen als Futter. „Als ob sie dazu da sind・, hatte ich einmal in die Runde geworfen, und mich dabei so was von beschwipst gefühlt, dass ich mir sofort ähnliche Ideen wünschte. Das war nicht irgendein gutes Gefühl. Das war ・c Hatten wir nicht in der Kalahari auch schon geistige Höhenflüge vollbracht? Wir mussten nur richtig anfangen.
Heimlich suchte ich mir eine für mein nächstes Projekt geeignete Astgabel, also eine, die wie ein großes Ypsilon mit langem Stiel aussah. Dort, wo die beiden dünneren Äste vom dicken abzweigten, befestigte ich eine Schachtel für einen unserer Kristalle. Das war zwar ein sehr einfaches Suchgerät, unsere Wünschelrute, aber funktionieren konnte es. Die schwere Kugel unten sollte sie nach unten ziehen, sobald die Rute genau über ihr wäre. Zumindest, wenn Jens・L Beschreibung der magnetischen Anziehung zutraf. Allerdings ・c hatte er auch von den mit wachsender Entfernung schnell schrumpfenden Wirkung erzählt. Ich hoffte trotzdem, dass meine Konstruktion empfindlich genug war, auch noch auf kleine Kräfte zu reagieren.
Jens war begeistert von meiner Erfindung. Mit ihr hatte er eine echte Chance, die schwere Kugel aufzustöbern. Schon bald hatte er die ersten Rutengänge über den silizierten Flächen Berlin-Friedrichshains hinter sich. Er wechselte sich mit den zuverlässigsten und verschwiegensten Mitarbeitern ab, doch lange konnte die Sache nicht geheim bleiben. Um ungestört zu bleiben, musste eine weite Fläche abgesperrt werden. Und das mit dem Risiko, dass die Wünschelrute vielleicht doch nicht anschlug. Durch den gehärteten Brei war der Untergrund nicht zu erkennen. Wenn diese Schicht die Strahlen der Kristalle abschirmte?
Abends hatte Jens immer viel zu erzählen. „ Du kannst zwar genau berechnen, wo früher das Ostkreuz gewesen ist ・ wenigstens die Längen- und Breitengrade haben sich nicht geändert ・ ansonsten ist aber alles gleichmäßig öde. Ich hab Lisas Angaben so aufbereitet, dass die Kugel innerhalb eines Flächenquadrats von etwa einem halben Hektar gefunden werden müsste, wenn sie nicht jemand vor der Katastrophe weggeschleppt hat.
Wir haben verbreiten lassen, dass sich unter dem Silitpanzer eine Bombe befindet. Die sollen meine Männer mit dem Suchgerät orten und dann sprengen ...・
Eigentlich eine starke Idee. Mit jeder Fahrt hoffte ich, Jens würde uns die Kugel präsentieren. Aber nichts geschah. Im Gegenteil: „・cDreißig Felder von jeweils zehn mal zehn Quadratmetern haben wir schon gecheckt. Da taucht diese Frau auf. Plötzlich steht sie am Rand des nächsten Suchquadrats und weist sich als Reporterin des Kuriers aus. Das hatte uns noch gefehlt・, jammerte Jens. „Da bekommt Petra die Nachricht über unseren Fund notfalls aus der Zeitung. Wir wissen noch nicht einmal, ob die Kugel überhaupt dort liegt, da haben wir schon die Presse auf dem Hals. Am Ende wollen die noch die Sprengung der angeblichen Bombe filmen. Das könnte uns unseren geheimen Vorsprung kosten. Uns muss einfach etwas einfallen, dass Petra weiter nichts ahnt und wir trotzdem die schwere Kugel in die Hände bekommen.・


Wollte Jens mich testen? Einem Kriminalisten musste die Sache verdächtig vorkommen. Aber bevor ich etwas sagen konnte, schaltete sich Sonja ein: „Bist du schon auf die Idee gekommen, dass der Falkmann Petras Maulwurf in deinen Reihen sein könnte? Sie wird sich bestimmt doppelt absichern. Die vertraut dir nicht mehr.・

Bei so viel Optimismus verkniff ich mir lieber alle Kommentare.
Sie hatten Glück. Die Wünschelrute schlug wirklich an. Dann begannen die Bohrarbeiten. Meter um Meter fraß sich Ernst, ihr Bohrroboter, in die an eine Teerstraße erinnernde graubraune Masse. Das Gerät häufte automatisch die zerkleinerten Teile neben dem Loch an. Es besaß auch einen Greifer für Einzelstücke. Zwei Tage später rief Oberkommissar Granzner Jens an, er habe eine Kugel gefunden. Die sei sehr schwer und sehe ungefähr so aus, wie sie Jens beschrieben habe. Er habe sich gründlich umgesehen. Sein Fund sei niemandem aufgefallen und er habe die Ersatzkugel ins Loch geworfen. In der Mittagspause würde er das echte Objekt in die Asservatenkammer abtransportieren. Er habe die Kugel zu diesem Zweck im Kofferraum seines E-Cars verstaut. Für ihn sei sowieso mittags Dienstschluss. Da fiele nicht auf, wenn er wegfahre. Die Bombe sei auch schon vorbereitet. Er würde den Ernst raufholen und dann Falkmann am Nachmittag die Sprengung durchführen lassen.
Jens beendete seine Inspektionsrunde. Er versuchte, keine Nervosität zu zeigen. Er wollte eine halbe Stunde nach Granzner an der Asservatenkammer auftauchen und die unscheinbar wirkende Kugel für sich beanspruchen.

Betont locker betrat er die Wache. Suchend sah er sich im Vorraum um. „・c Hat er nun doch nicht gewartet? Na, egal, er hat mir ja den Chip für den Klumpen vorsorglich vorher gegeben.・


Der Wachtmeister sah seinen Chef unsicher an. Dann brüllte er nach hinten: „Hat einer den Granzie gesehen?・


Jens zuckte mühsam beherrscht mit den Achseln, lief wieder hinaus und rief den anderen zu: „Wenn ihr ihn seht, er soll sich sofort bei mir melden! Sagt ihm das!・ Auf dem Heimweg war es gut, dass sein Wagen automatisch fuhr. Warum war Granzner nicht zu erreichen. Was war nur passiert? Jens hörte kaum auf die Begrüßung seiner Zwillinge.
Zwei Stunden später meldete sich Granzner. Jemand habe ihn unmittelbar nach dem Aussteigen vor der Wache überfallen. Über das Weitere könne er nichts sagen. Sein Handy und die Kugel im Kofferraum seien verschwunden. Das weiterzuerzählen wäre sowohl peinlich als auch albern gewesen: Polizist wird vor seiner Wache überfallen. Beute: ein Handy und ein Stein! Die Anekdote hätte sich garantiert herumgesprochen. Da hätte er auch gleich über die Medien verbreiten lassen können, was es Besonderes mit diesem Stein auf sich hatte! Ihnen blieb nur übrig, eine Weile weiterzumachen wie bisher.
Jemand
Lichtschranken um eine falsche Idylle
W
Wir aber umringten ihn mit Gesichtern, die unbegreiflich wenig Enttäuschung zeigten. Wenn es nicht so unsinnig gewesen wäre, hätte er gedacht, die Klonies müssten mit aller Kraft ein vergnügtes Losprusten unterdrücken. Ich sagte leichthin: „Mach dir nichts draus! Wir schaffen・Ls trotzdem. Bestimmt! Du willst uns doch nicht die Freude verderben, oder?・
Auf Jens・L Gesicht war die Verwirrung deutlich zu lesen: Was war nur mit uns los? Janine und Sonja hatten ihn gerade überzeugt, dass die Chancen für ihr Unternehmen jetzt zu gering wären und die Kinder nicht darunter leiden sollten. So hatte Jens den schwierigen Part übernommen, uns schonend beizubringen, dass wir doch nichts völlig Unmögliches treiben sollten.




Jens schüttelte mit dem Kopf: „Einmal angenommen, wir hätten noch eine Chance. Vergessen wir einfach die schwere Kugel. Irgendwann kommen die Insekten. Wie bei euren beiden großen Kristallen in Afrika. Dann bekommen wir zumindest Probleme mit den Nachbarn. Wenn sich hier Milliarden Insekten versammeln, drehen die durch. Selbst, wenn wir das ohne Schaden überstehen und nicht gelyncht werden und zu deinen Goldbarren kommen. Wir können doch nichts damit anfangen! Oder willst du dann mit so einem Klumpen an die Börse gehen, guckt mal, ich kann auch? Petra setzt sich doch durch.・

Jens winkte ab. Warum waren wir nur so unbelehrbar?

Jens hob die Hände, als wollte er zu einer großen Rede ansetzen. Begriff denn niemand die Aussichtslosigkeit ・c? War es nicht besser, ・c? Aber wir hatten offenbar alle so viel Spaß. Durfte er uns den verleiden? Wo es doch sein Labor war? Wir würden bestimmt selbst darauf kommen. Er ließ die Arme sinken, schüttelte wortlos den Kopf und kehrte zurück zu den beiden Frauen im Haus.
Sonja übernachtete immer häufiger im Gästezimmer und fuhr am folgenden Morgen direkt zur Schule. Für kalte Tage hatten die Marders für Sonjas Klonies ein weiteres Doppelstockbett ins Kinderzimmer gestellt. Am liebsten schliefen Hanna und Nanette aber zusammen mit Sina und Leonie draußen im Zelt.
An einem Donnerstagnachmittag hatte ich das unerklärliche Gefühl, es würde etwas Wichtiges ohne mich besprochen. Einen Vorteil hatte der Garten. Nadine und Jens hatten ihn dermaßen verwildern lassen, dass er wie geschaffen war für Versteckspiele und heimliches Anschleichen.
„…

Jens antwortete nicht. Vielleicht hatte er auch mit einer Geste geantwortet. Ich hatte mich unter einen der Büsche gedrückt und sah das nicht.

Ich hatte jetzt sowohl Janine als auch Jens und Sonja im Blick. Wenn sie nicht genau auf meinen Busch starrten, konnten sie mich aber umgekehrt nicht bemerken.

Janine lachte. „Hmm, wie ungerufene Geister platzen sie in unsere Gesprächsrunden und nachher verschwinden sie wieder. Passt auf: Vielleicht stehen sie schon bereit.・ Ich drückte schnell meinen Kopf nach unten. Wahrscheinlich schweifte Janines Blick über ihren geliebten Urwald.



Ich nahm den Kopf wieder hoch. Janine sah Jens gerade vorwurfsvoll an.



Ich erinnerte mich sofort an den Umschlag. Jens hatte ihn so auffällig zu verbergen gesucht, dass ich mir das Nachschnüffeln nicht hatte verkneifen können. Ich wusste, dass er ein wesentliches Detail verschwieg. Das genetische Material der Kinder wies keine Ähnlichkeiten zu seinem oder Janines auf, hatte auch dort gestanden, sie waren in diesem Sinn beide nicht die Eltern der Zwillinge. Aber Janine hakte nicht nach.


Mit dieser Festlegung schienen alle zufrieden. Ich hatte genug gehört.
Insgesamt hatte sich auch Jule in der Schule verbessert. Ich sowieso. Bei meinen Noten davor keine Hürde. Wir richteten uns in einer Bodenkammer bei Marders ein. Dort fühlten wir uns zufrieden und ausgeglichen wie damals in der Oase.
Janine, Jens und Sonja gingen uns auf den Leim. Wie zuvor abgesprochen schlichen sie sich abwechselnd zum Gartenhaus. Sie bekamen beeindruckend Starkes zu sehen, was alle Spitzenleistungen scheinbar erklärte: Wir beiden Großen beaufsichtigten die vier jüngeren Mädchen bei irgendwelchen Aufgaben. Es ging alles sehr leise zu. Alle lernten begeistert. Da bemühten sich die Erwachsenen, sich möglichst geräuschlos zum Haus zurückzuziehen. Sie kamen noch einige Male und abwechselnd. Mitunter konnte ich mir kaum das Lachen verkneifen, wenn ich mir vorstellte, wie unsere filmreife Nachhilfeschule wirken mochte. Eigentlich unglaubwürdig überzogen. Trotzdem zweifelte niemand. Wie drückte Sonja es aus: „Also wisst ihr, ich bin bestimmt nicht beruhigt. Aber solange der unnormale Zustand unserer Kinder sich nur so auswirkt, kann ich damit leben.・ Das, was sie aus der Schule hörte, passte zu dem gerade Gesehenen. Weshalb hätte sie misstrauisch werden sollen?
Was sie alle nicht bemerkt hatten, waren die Lichtschranken. Für einen Ahnungslosen war es unmöglich, nicht irgendwo das gut versteckte Alarmsystem auszulösen. So blieb immer genug Zeit, um die gewünschte Lernidylle zu schaffen. Die wissenschaftliche Arbeit, mit der wir uns in Wirklichkeit beschäftigten, war den Klonies ja ausdrücklich verboten worden.
Sina hatte so lange gebettelt, mit der komischen Schippe einen der Kristalle füttern zu dürfen, bis ich es ihr erlaubt hatte. War das aufregend! Als ob sie Piranhas einem Riesenmonster zum Fraß vorwarf. Auch Leonie konnte nicht genug von diesem Spektakel bekommen ・ vor allem, da sie mit dem Gefährlichsten hantierten, was es auf der Erde gab. Das hatte ich ihnen eigentlich zur Abschreckung erklärt, aber erreicht hatte ich das Gegenteil. Wenn sie eine Silitkelle mit Sikroben über einem der Kristalle ausgoss, blähte der sich kurz wie eine lebende Seifenblase auf; glitzerte dabei regenbogenartig, und es zischte und schäumte, bis alle Tropfen verschwunden waren. Der Kristall leuchtete noch eine knappe halbe Minute intensiv blau. Danach sah er aus wie vorher. Auf so was hätte keines der Klonies mehr verzichtet. Und erst die Sikroben! In den beiden Trögen verschwanden die Hausabfälle nach Zischen und Glitzerformen fast spurlos, ja, wir konnten anschleppen und in ihren Behälter werfen, was immer wir wollten ・ es wurde verschlungen.
Ich hatte den Klonies erklärt, dass der Kristall sich irgendwann verwandeln würde. Vielleicht hätten sie sonst das Interesse verloren. Schließlich gab es außer der regelmäßigen Fütterung nichts zu sehen. Und die war mehrmals täglich gleich. Höchstens, dass sie ein paar Leckerbissen für die Sikroben heimlich heranschafften. Aber so ・c
Jens und die anderen im Haus waren überzeugt, dass mich nur Julia bei den Fütterungen unterstützte. Sonst wäre Jens wohl nicht so ruhig in sein neues provisorisches Revier am Rand Berlins gefahren.

Jule sah mich unsicher an. „So. Ich soll dir also helfen? Ich kann dir höchstens sagen, was du mir gesagt hättest: Es ist doch noch nichts passiert. Und verhindern können wir sowieso nichts. Wir wissen ja nicht, woher was kommt .・c・

Für ein paar Tage sprachen wir nicht mehr davon. Der Kristall wuchs so unmerklich, dass ich wehmütig an das riesige Exemplar in der Wüste dachte. Ich fühlte aber seine anregende Wirkung. So wagte ich auf der Bank neben dem Gartenhäuschen, allein mit Jens, einen Vorstoß. Allerdings hatte ich dabei das Gefühl, als drängte mich irgendetwas Fremdes zum Reden.


Ich war lauter geworden. Irgendwie wusste ich nicht mehr, ob ich nun nur zu Jens redete, ihm eine Frage zu beantworten versuchte, die er mir sicher nie stellen würde, oder ob ich nach Rechtfertigung suchte. Schließlich wurde ich die Idee nicht wieder los, ich wirkte bei etwas mit, durch das Janine und Jens ihre Kinder verlieren würden. Besänftigend legte Jens mir den Arm auf die Schultern. Ich lehnte mich an ihn. Fragend sah ich ihm ins Gesicht. Da zog er verlegen seinen Arm zurück.

Zugegeben. Aus meinem Mund klang das Wort Harmonie irgendwie befremdlich. Jens schwieg noch immer. Ich verabschiedete mich mit einem angedeuteten Winken auf mein Zimmer.
Zauberlehrlinge
N

Sina rief: „Habt ihr das auch gehört? Es hat Plobb gemacht.・ Bevor ihr jemand antworten konnte, schnellte ein weiterer kleiner Punkt aus der gespannten Bauchdecke. Die nächsten folgten in immer kürzeren Abständen. Während die Haut langsam schlaff wurde, landeten Tausende solcher beweglichen Punkte um uns herum.

Glücklicherweise erinnerte sich Jule. Zuvor hatte noch niemand eine Lupe benutzt. Schließlich besaßen wir ein mittelgroßes Mikroskop.
In den folgenden zwei Minuten drängelten die vier Klonies Julia und mich immer wieder zur Seite. Leonie hatte die Lupe als erste ordentlich über mehrere Punkte gehalten. Begeistert brüllte sie: „Sind die aber niedlich!・
Sina rief: „Lass mich auch mal! ・cTatsächlich! Sieht aus wie ganz kleine Schildkröten!・
So kleine Schildkröten gibt es wohl gar nicht. Die Körper waren wenig mehr als einen Millimeter groß, wie abgeplattete Halbkugeln mit kaum erkennbaren, sich träge bewegenden Beinchen daran. Was auch immer das war oder werden würde ・c der Eindruck, kleine Tierchen vor sich zu haben, sozusagen ihre Geburt erlebt zu haben, beherrschte uns alle.
Endlich hatte ich mich gefasst. „Wir müssen sie einfangen! Aber wie?・ Panisch sahen wir uns im Raum um. Pipetten, ja, die fanden wir. Nur keine verschließbaren Behälter, Bottiche, Gläser oder Kisten. Womit sollten wir denn diese Mikroschildkröten einsammeln? „Die fegen wir einfach zusammen.・
Kaum hatte ich das gesagt, rief Leo „Ich hol schon!・ und draußen war sie. Wir anderen standen hilflos herum. Die winzigen Wesen hatten sich inzwischen im ganzen Labor ausgebreitet. Das Zusammenfegen würde gar nicht so leicht werden, dachte ich noch, da ...

Zumindest für eine Sekunde unterbrachen die anderen ihre Hampelei. Das reichte mir. Ich riss die Tür auf. Gerade als die anderen aus dem Labor stürmen wollten, kam Leonie mit einem Handfeger, einer Schippe und zwei großen Wassereimern mit Deckel.
Ich setzte mich durch. Von draußen kämpften wir nun gegen die Schildkrötenplage an. Im Laufe des folgenden Kampfes fiel zwar auch Leonie der letzten Fetzen vom Körper, aber das Labor eroberten wir zurück.

Bei mir konnte das Jucken eigentlich nur Einbildung sein. Mich hatten die kleinen Krabbler überhaut nicht angerührt. Als hätte ich unangenehmen Körpergeruch oder so. Hanna und Nanette, Sonjas Klonies, hatten wenigstens noch Unterwäsche zum Ausziehen. Die anderen konnten gleich ihren Tanz unter dem lauwarmen Regen der Gartendusche beginnen.


Mein Blick überflog unseren Laborschuppen. Er sah beeindruckend sauber und aufgeräumt aus. Die Deckel der beiden Eimer waren geschlossen. Darin wussten wir ein Gemisch aus dem Mehlstaub, den kleinen Krabblern und anderem Dreck. Von den Minischildkröten war im Raum keine mehr zu sehen. Ich zweifelte aber nicht daran, dass viele von ihnen in den Garten entwischt waren. Auch im Labor hatten sich bestimmt Ausreißer in Ritzen und Ecken verborgen. „・c Die nehmen wir uns später vor.・ Ich schüttelte ein paar Tropfen ab. „Erstmal bringen wir uns wieder in Ordnung.・
Im Haus zogen wir uns frisch an. Welch Glück, dass wir dabei keinem begegneten.

Als wir zum Labor zurückkamen, fiel uns neben der Tür ein frisches Mäuseloch auf. Ich spähte durch eines der Fenster. Drinnen sah alles aus wie vorher. Nein. Die beiden Eimer waren umgekippt. Und wirklich: Alle Schildkröten waren weg.


Die zweite Berliner PlageP
Jeder Baum musste neu angepflanzt werden. Wer in Berlin mit Immobilien spekulieren wollte, konnte astronomische Gewinne erzielen ・ er musste nur einen langen Atem haben. Petra hatte. Der erste Rückschlag traf sie schließlich völlig unvorbereitet. Was hatte sie nicht alles unternommen, um die Königskugel, wie sie Lisas schweres Stück im Stillen getauft hatte, in die Hände zu bekommen. Sie hatte auf Jens nicht nur die Reporterin und den Maulwurf gehetzt, sie ließ auch seine Kommunikation überwachen. So fing sie diesen Granzner im letzten Moment ab. Die Kugel landete ganz unspektakulär im Herbst-Labor, aber die erhoffte Sensation blieb aus. Natürlich legte sie sofort den fremden Kern frei. Aber was fand sie? Ein mit Magneteisenstein überzogenes Bleistück. Als ob damals eine irdische Kugel zwischen die fremdartigen geraten wäre. Das war aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich Lisas Kugel. Wie und wann hätte ihr denn jemand ein Kuckucksei ins Nest legen sollen? Die Kugel zog wie zu Kinderzeiten den noch nicht modifizierten Kristall an wie ein Magnet. Außerdem meldeten ihre Beobachter Zeichen von Depressionen bei Jens ・ genau so, wie es zu erwarten war bei einem, der um die Frucht eines außergewöhnlichen Coups betrogen worden war.
Nach der Alibisprengung ließ er alle Aktivitäten an den Sucharealen einschlafen, als hoffte er nicht mehr, etwas zu finden. Für die Sache mit der schweren Kugel gab es nur eine Erklärung: Als Kinder waren sie einem Irrtum aufgesessen. Die eine schwere hatte nur zufällig den leichten anderen Kugeln zum Verwechseln ähnlich gesehen ・ wobei ... so genau hatten sie sie nie miteinander verglichen. Mit anderen Worten: Einen wesentlichen Teil der Sensationen, die sich Petra von der Kombination der verschiedenen Kugelkerne erhofft hatte, war demnach im Reich der Phantasie entschwunden.
Ausgerechnet ein Besuch in ihrem Geburtshaus brachte dann den Umschwung, den Erfolg, auf den sie schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.
Ihre traditionellen Familienfeiern ließ sich Petra Herbst auch jetzt nicht nehmen. Sie fuhr ohne offizielle Begleitung nach Hause. Gemütlich beim Köm saßen sie schließlich zusammen: ihre eigene Großfamilie und Klauses von nebenan.
Klauses・L Barry war sieben Jahre älter als sie. Mit zehn hatte sie ihn immer damit aufgezogen, dass er den Namen eines Hüttenhundes trug. „・c Später habe ich mich hoffnungslos in dich verliebt. Die ganze Zeit habe ich auf ein Zeichen von dir gehofft. Du warst immer so nett zu mir. Da habe ich gedacht, wir werden einmal heiraten. Aber natürlich habe ich mir nicht getraut, dich zu fragen. Schade. Jetzt ist es wohl zu spät. Du nimmst bestimmt nur einen Mann mit viel Geld oder besonderen Qualitäten・, erinnerte er sich.
Petra hatte höflich mitgelacht. Barry konnte einfach nicht aufhören. Er erzählte und erzählte, und eigentlich hörte sie gar nicht mehr richtig hin. Die meisten aus der Runde taten, als fänden sie seine faden Gags lustig. Immerhin brauchte Petra sich in diesem Kreis nicht zu benehmen wie eine Erfolgsfrau. Plötzlich horchte sie auf. Was erzählte der da? „・c Na, Kugelstoßen war nicht gerade meine Stärke, und das Ding sah richtig schwer aus. War es aber nicht. Eher wie ein Ball. Ich setz also so richtig an, so mit unters Kinn und mit Drehung und so und stoße. Wollte einmal nem Mädel imponiern. Und was passiert? Die Kugel fliegt weit über zwanzig Meter, schlägt aber nicht mit Rums auf, sondern prallt ab wie ein Gummiball. Deshalb war dann aber Jenny zuerst da, hat sie aufgehoben und ich war wieder nicht der Supermann.・
Vorsichtig fragte Petra nach. „Wo hattest du das Ding denn her?・



Petra vergewisserte sich: „Also wenn das erst drei Jahre her ist, dann gibt・Ls die also immer noch ...・
… „
Petra konnte sich kaum beherrschen. Doch nun musste sie Desinteresse heucheln und das Thema wechseln. Es war egal, worüber nun geredet wurde, sogar über das Berlin der kommenden Jahrhunderte - Hauptsache, die anderen in der Runde vergaßen, dass sie sich für diese Kugelstoßsache interessiert hatte.
Gleich am nächsten Morgen aber machte sie einen kleinen Spaziergang. An der angegebenen Stelle war dann doch nichts. Petra überlegte. Und sie hatte Glück. Maartens hatten als Begrenzung ihres Grundstücks ein ähnliches Steinbeet angelegt wie Jens. Es war einen Blick wert. Und siehe da ...„Bingo!・ Dort war eine auffällig glatte Kugel eingebaut. Auf die Entfernung hin identisch mit denen, die sie bisher untersucht hatte.
Inzwischen feuerten sich mehrere Hunde der Nachbarschaft gegenseitig an, die Fremde aus ihrem Revier zu vertreiben. Auf Maartens Grundstück selbst regte sich noch nichts.
Petras Finger scheuten vor der Klingel. Hier wäre ein ausgiebiger Klönsnack fällig, angefangen mit dem obligatorischen büscht du abä groß gewoorden. Und wie sollte sie ihr Interesse an der Kugel auf dem Steinbeet begründen?
Rundum zeigte sich kein Nachbar, den sie grüßen oder anderweitig zur Kenntnis nehmen musste. Vielleicht beobachtete sie jemand hinter einer Gardine?
Wenn schon! Für so ein unscheinbares Ding würde keiner die Polizei rufen, und in ein paar Stunden war sie sowieso weit weg. Petra stieg über den Zaun, packte die Kugel, flitzte ein Stück weiter zum nächsten Grundstück, sah sich um, ob sie jemand beobachtete ・c Nein. Gut gegangen. Zumindest bemerkte sie auch jetzt niemanden. Eigentlich konnte ihr nur ein Reporter gefährlich werden. Die reichste Frau der Welt klaut Steine vom Nachbargrundstück ・c Das wäre ・ zumindest mit Foto ・ schnell in allen Klatschspalten. Aber welcher Journalist verirrte sich schon auf Näswerder, vorbei an ihren verborgenen Sicherheitsleuten? Noch drei Schritte. Petra atmete auf; sie hatte es geschafft, ihre eigene Kugel zurück zu stehlen. Sie schmunzelte. Eigentlich schade, dass sie das niemandem erzählen konnte. Petra verstaute die Beute im E-Car, bevor sie zum Frühstück in die Küche hochging. Ihre Forschungen würden also weiter gehen. Mit Sicherheit würde sie vorhandene Wechselwirkungen finden. Petra konnte es kaum abwarten, zurück nach Berlin, eigentlich gleich in die Kalahari zu kommen.

Petra konnte es nicht leiden, wenn ihre Eltern so gebannt vor der Bildwand hockten, noch dazu in der letzten Stunde des Besuchs. Außerdem würden die Zwillinge wieder eine Woche schimpfen, bei Omi und Opi hätten sie morgens fernsehen gedurft.
„…


„…

„…
Petra hatte abgeschaltet. „Ich muss sofort los. Die Biester werden mein Institut für Futter halten.・
Sie verabschiedete sich kurz. Mechanisch umarmte sie jeden, dann verstaute sie die Kinder hinten und drückte sich auf ihren Fahrersitz. Sie schaltete die automatische Steuerung ab, weil sich der Wagen sonst an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten hätte. Aber sie musste doch sofort an Ort und Stelle die Verteidigung ihres gerade erst errichteten Bauwerks leiten! Es war kaum zu erwarten, dass diese Wesen zwischen der toten Schicht und Bauwerken aus Silit unterschieden. Sollten doch die Bodyguards zusehen, wie sie unbemerkt ihren Schutz bewerkstelligten. Das war schließlich ihre Aufgabe. Zweimal wurden unterwegs Beträge von Petras Konto abgebucht. Auf dem Auszug mit der zweiten Abbuchung war vermerkt, dass ・c wenn innerhalb der nächsten 180 Tage eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung durch ihre Führerscheincodierung festgestellt werden sollte, die Zugangscodes aller ihrer registrierten Fahrzeuge automatisch abgeschaltet werden.
Per Videophon hatte sich Petra schon ein ungefähres Bild der Situation in ihrer Berliner Zentrale gemacht. Gefährlich und albern zugleich. Da knieten etwa siebenhundert überwiegend hoch qualifizierte Mitarbeiter um den Institutskomplex herum am Boden und sammelten schildkrötenartige Wesen per Hand in riesige Körbe. Andere versuchten, Gräben um das Gelände zu ziehen. Der Chef vom Dienst sendete mehrere Filmberichte.
Petra fragte zwischendurch ungeduldig. „Warum macht ihr sie nicht platt?・

Petra achtete nicht auf den Verkehr. Wütend fauchte sie die jämmerliche Gestalt auf dem Bildschirm an: „Und was ist mit Laserkanonen, elektrischem Strom, Gift oder was weiß ich? Ihr müsst doch das Übergreifen der Viecher auf unsere Gebäude verhindern!・
Die Bildübertragung zeigte nun den Diensthabenden im Profil vor dem Hintergrund des Wolkenfingers. Auf seinem geröteten Gesicht standen Schweißtropfen. „Bestimmt gibt es Möglichkeiten. Wir suchen ja. Aber wir haben keine Zeit. Außerdem sind die Leute begeistert, dass dieser Silithorror so schnell zu Ende ist. Wenn wir einen Krieg gegen die Schildkröten beginnen, sind wir überall unten durch.・
Vielleicht wäre Petra besser bei ihren Eltern geblieben. Dann hätte sie wenigstens nicht hilflos zusehen müssen, wie der Wolkenfinger sich allmählich krümmte und dann, immer schneller werdend, nach vorn wegsackte. Aus den Nachrichten erfuhr sie, dass die normale Fraßfrontlinie der Testuden genannten Viecher jetzt bis an die frühere Stadtbezirksgrenze von Lichtenberg vorgedrungen war. Ihre Institutsreste waren die letzte Silitinsel inmitten fruchtbarer nackter Bodenkrume. Kilometerweit herrschte Eintönigkeit. Kein Baum, kein Strauch, nicht eine einzige Ruine. Eine seltsame dunkle Wüste. Zwar wirbelte der Wind gelegentlich hellgraues Mehl auf, das als kümmerlicher Rest der Silitschicht zurückgeblieben war, doch ansonsten war dieser Teil Berlins ein Acker, der nur auf Grubber wartete, damit gesät werden konnte.
Von allen Seiten näherten sich unterschiedlich große „Testuden・ den restlichen Silitgebäuden des Instituts. Verzweifelt jagten Petras Teams mit Körben, Händen und Keschern nach den Angreifern. Je weiter die eigentliche Front sich entfernte, umso unheimlicher wurde die Lage. Die hungrigen Wesen in der Umgebung der verbliebenen Institutsbaracken teilten sich offenbar, um leichter an ihr Futter zu kommen. Jedenfalls griffen immer mehr und kleinere Wesen an.

Inzwischen fuhren vier Panzer ununterbrochen rund um das Institut Patrouille. Aber am folgenden Morgen waren die meisten wissenschaftlichen Mitarbeiter schon damit beschäftigt, kurzbeinige Silitfresser aus Löchern in den Mauern zu lesen.

Drei Tage später starteten acht Charterjumbos vom provisorischen Großflughafen Berlin-Brandenburg International mit unterschiedlichsten Gerätschaften und einer noch unbearbeiteten Kugel in Richtung Windhuk Airport. Petra folgte mit ihrem engsten Stab. Sie hatte nach einigen Kilometern Entfernung einen imposanten Panoramablick auf das Gebiet Berlins. Im Wesentlichen bestand es aus grauen und braunen Flecken. Dort, wo die Spree ihr Bett wieder gefunden hatte, lockerte das erste Blau das Bild auf. Bald würde Grün die bestimmende Farbe sein. Es kämen neue Menschen, um hier ihre Geschäfte zu machen. Vielleicht gäbe es in zwanzig Jahren eine wieder aufgebaute, wenn auch wahrscheinlich kleinere Stadt. So lange kann ich nicht warten, dachte Petra. Sie umkrallte die Tasche mit ihrer unscheinbaren Kugel.
Die Verführung eines Helden
I
Halblaut las er: „Schon seit vielen Monaten hat Eberswalde über eine Viertelmillion Einwohner. Der weitaus größte Teil davon haust in provisorischen Baracken in Nordend. Schon vor den Berliner Sikroben schien die ganze Gegend verflucht. Wer aber heute im Reinhardt-Viertel wohnt, braucht sich um eine Anstellung bei den wenigen in der Region verbliebenen Instandhaltungsfirmen nicht zu bemühen. Die Häuser reißt nur deshalb niemand ab, weil das Geld kosten würde, das keiner ausgeben will. Allmählich hat sich der umliegende Wald durch die Zivilisationsdecke gedrängt. Ansonsten kommt nur hierher, wer nicht ahnt, dass er mit dieser Adresse sein weiteres Schicksal besiegelt oder wer sich selbst aufgegeben hat.
In Ostend, dort, wo die Bewohner seit langem ihre Häuschen als Anbauten zu ihren Kleingärten verstehen, suchen die Edelflüchtlinge ihr Unterkommen. Von hier aus ziehen die freien Makler der Silit-AG los, um die Neues・Berlin-Volksaktie als Anteil an dem bevorstehenden Bauboom in der künftigen Welthauptstadt anzupreisen. Hier patrouilliert die Eberswalder Bürgerwehr im Zweistundenrhythmus durch die Gassen und hier befinden sich vorübergehend die öffentlichen Ämter und Einrichtungen der Hauptstadt und einige Berliner Polizeiwachen. Die Polizisten haben sehr weite Wege zu ihren eigentlichen Einsatzorten. Aber natürlich gibt es hier wie dort wenig Kriminalität.
In den zurückliegenden zwei Wochen haben die Polizisten allerdings an einem der seltsamsten Einsätze des Jahrtausends mitgewirkt: Zusammen mit Feuerwehrleuten und Hunderten Freiwilligen errichteten sie mehrere gewaltige Grabhügel aus Zehntausenden übereinander gestapelter Testuden. Immer neue Schichten der reglosen Silitfresser drücken auf einander. Man hat sich nicht entschließen können, die unheimlichen Gäste aus dem All in der Erde zu verbuddeln. Es könnte ja sein, dass sie immer noch Leben in sich bergen. Kleinere Gruppen von ihnen hatten gezielt die letzten Gebäude aus Silit im Berliner Umland angesteuert. Nachdem die verzehrt waren, waren dann aber auch die letzten erstarrt ...・
Es war Freitag. Auf Jens・L Programm stand die abschließende Inspektionsfahrt zu diesen Grabhügeln. Ich bat ihn, mitkommen zu dürfen. Überrascht stimmte er zu. Jule erklärte, sie könne nicht mitkommen. „・c Es muss sich doch jemand um die Kleinen kümmern.・ Dabei lächelte sie viel sagend.
Ich sprang pfeifend auf den Beifahrersitz.
An den Inspektionspunkten stieg ich mit aus. Jens stellte mich meist als seine Adoptivtochter vor. War das ein Vorbeimarsch! Ich hatte mich extra aufgemotzt, trug ein kurzes weißes Kleid mit angesetztem weiten Rock. Das betonte meine gebräunte Haut. Jens konnte nur schwer verbergen, wie ihm das gefiel ・ und wie ihn die zweideutigen Komplimente der vielen Männer aufregten. Hätte er gehört, was ich vorher zu Jule gesagt hatte, wäre er wohl zurückhaltender gewesen. „In mancher Hinsicht sind Männer wie Computer. Man muss nur die richtigen Buttons kennen, schon läuft das gewünschte Programm ab. Selbst bei so einem Vatertyp, bei dem man sich geborgen fühlen kann, und nicht erwartet, dass irgendwas abgeht.・ Aber er ahnte nichts.
Die Tour war geschafft. Da möchte ich nichts drüber sagen. Ich hätte schreien mögen vor hilfloser Wut. Aber eben absolut hilfloser. Die einzelnen Wesen sahen aus wie Schildkröten aus Metall ・ zu hohen Bergen aufgehäuft - und nur ihre Regungslosigkeit bremste mich. Ich wollte Jens nicht auf die Idee bringen, mich könnte der Schrottberg interessieren.
Jens war längst auf die Bundesstraße abgebogen, die von Berlin nach Sternekop führte, da sagte ich so unverfänglich wie möglich: „Mann, ist das ne Hitze. Also am liebsten würd ich mal kurz in ・Ln See hüpfen. Da drüben gibt・Ls doch ne ganz versteckte Badestelle.・ Früher hätte Jens geantwortet, dass wir in zwanzig Minuten sowieso zu Hause wären und dann ungestört baden könnten. Diesmal aber ・c Er hatte andauernd zu mir rüber geschielt, und jetzt brannte er wohl auf den Moment, an dem ich mein Kleid abstreifen würde.
Er sah mir etwas enttäuscht hinterher. Der Strip hatte kaum eine Sekunde gedauert. Ein kurzes Vorbeugen, Griff nach unten, hoch ・c und schon lief ich nackt in den See. Spontan entschied er, nach diesem heißen Tag selbst einmal woanders zu baden als im Quadder oder in der Wanne. Er zog sich aus und rannte hinterher. Ich kam vor ihm wieder aus dem Wasser, aber ich war noch nass, da kam er schon zurück.

Im Wagen danach schwieg Jens die akustische Steuerung an. Ich sah ihn fragend an. „Du bereust es. Eigentlich hast du das nicht gewollt.・
Er spürte meinen Blick. Schwieg.

Er fuhr nicht los. Inzwischen hätte er ein Bad wohl nötiger gehabt als vorher. Der Schweiß malte eine Fleckenlandschaft auf seinem Hemd.
Vorsichtig begann ich mit meiner Beichte: „Das kommt nun mal vor, dass man etwas tut, was man gut gemeint hat, und dann gerät alles außer Kontrolle ・c Weißt du, der Knatsch mit Berlin in den vergangenen Wochen, das war meine Schuld. Ich hab ・c also manchmal haben die anderen Mädchen mir geholfen, aber dafür dürfen sie auf keinen Fall bestraft werden ・c also ・c die Kugel, die sich dein Kollege hat klauen lassen ・c・ Immer wieder unterbrach ich mich. Jens wartete. Mehrmals sah es aus, als wollte er etwas sagen. Immer, wenn ich dann eine Pause machte, schwieg er weiter.

Jens hörte zu, den Kopf ein wenig gesenkt wie ein Junge, der ne Strafpredigt anhört, aber irgendwie auf dem Sprung. Ein Kater, der vielleicht gleich seine Krallen ausfahren würde. Ich erzählte jetzt ohne Zögern, lächelte gelegentlich zwischendurch.
„…
„…

Endlich fuhr Jens los. Trotz des Autopiloten starrte er konzentriert auf die Straße. Bis zum Grundstück sagte keiner ein Wort. Plötzlich knurrte Jens: „Na, und was ist, wenn mir auch nichts einfällt?・

Ich zog die Tür hinter mir zu, fiel Jule um den Hals, sagte „Ich bin also nicht lesbisch.・
Die lachte: „Was hab ich gesagt ・c・
Ängste und Wachen
W
Jens hätte bei meiner Bemerkung stutzig werden müssen. Sie entsprach einfach nicht meinem Wesen. Aber er war noch erleichtert, dass seine Affäre folgenlos geblieben war, da plauderte er achtlos weiter: „Weißt du, ich bin richtig überrascht, dass unsere beiden Zwillingspaare überhaupt nicht in ihrem Eifer nachlassen. So ausdauernd waren sie früher nicht. Dabei hat sich während der ganzen Zeit, in der wir hier in unserem Labor herumexperimentieren, nichts verändert・c・
Ich wich seinem Blick aus. Mit gespielter Leichtigkeit versuchte ich abzuwiegeln. „Freu dich doch! Das ist bestimmt der positive Einfluss der Kristalle. Außerdem habe ich dir erklärt, dass da die Schildkröten rausgeschlüpft sind, als ganz kleine, verstehst du・c・

Ich drohte ihm spielerisch mit der Faust. „Es ist überhaupt nicht gut, wenn jeder immer alles weiß・c・ Mehr sagte ich nicht.
Am folgenden Dienstag kam Jens total ausgekratzt von der Arbeit. „Heut war was los. Alarm. In der letzten Nacht sollen sich angeblich die steifen Testuden kurzzeitig bewegt haben. Es hat sie zwar keiner dabei beobachtet, aber die Haufen haben sich irgendwie verändert. So, als wären alle kurz losgelaufen, ungefähr Richtung Eberswalde, dann aber hätte etwas ihren Aufbruch unterbrochen. Jedenfalls als wir alarmiert wurden, regte sich nichts mehr. Alle Berliner Polizeidienststellen waren die ganze Zeit in Bereitschaft. Reicht・Ls nicht, irgendwelche arbeitslosen Soldaten dort rumstehen zu lassen?・
Jens sagte das verdächtig beiläufig. Was blieb mir übrig, als auf seinen Ton einzugehen und möglichst wenig interessiert nachzufragen, so, als sagte ich das nur, um ihm einen Gefallen zu tun: „Das ist natürlich dumm, wenn keiner etwas mitbekommen hat. Aber heute stehen dort ja die ganze Zeit Wachen ・c・
"
Ich tat weiter gelangweilt: „Ach, nur so ・c・
Ich merkte sofort, dass das überhaupt nicht nur so geklungen hatte. Jens・L Misstrauen war geweckt. Aber etwas musste ich ihn noch hinhalten. So empfing ich ihn am nächsten Abend mit: „Na, war wieder was mit den Schildkröten?・
Jens hatte sich wohl vorgenommen, mich zu ärgern. „Vielleicht. Ich hab nicht weiter drauf geachtet.・




Offen anlügen wollte ich ihn nicht. Außerdem hätte er es sowieso bald erfahren. „Nicht direkt. Aber um diese Zeit hab ich ihren Mutterkristall gefüttert ・c・




Plötzlich rannte Jens mit den Worten „Warte. Ich bin gleich wieder da!・ hoch ins Haus. Tatsächlich kam er gleich mit Sonja und Janine zurück. „Marie, sag noch mal, was du beobachtet hast!・ Ich tat es mit knappen Worten.






Schließlich fragte ich: „Und die besondere Wirkung der Kugeln auf Insekten? Etwas muss die so antörnen, dass sie ihren eigenen Tod in Kauf nehmen, um an die Kristalle zu kommen.・


Leo hatte auf ihre Bluse gekleckert. Schnell winkelte sie den Arm an, damit der Fleck nicht zu sehen war. Dann sah sie sich suchend um, ob das jemand bemerkt hatte. Ich zwinkerte ihr zu. Es hatte niemand bemerkt.
Bei Sonja ging gerade die Lehrerin durch: „Schon möglich. Aber wir sollten mit Schlussfolgerungen vorsichtig sein. Was wissen wir zum Beispiel von geheimen militärischen Forschungen? Egal ob aktuellen oder von früher? Könnte nicht einer von denen, die Näswerder in den vergangenen Jahrhunderten heimgesucht haben, an einer Waffe herumexperimentiert haben, ohne fertig zu werden? Die Nazis, später die Sowjets, ja zwischendurch waren da sogar schon mal die Amerikaner als Besatzer, die sich erst vor den Russen und dann vor uns zurückziehen mussten.・ Sie sah beim Sprechen manchmal runter zur Buschtanne oder wie der Baum hieß. Ob sie ahnte, dass man von dort aus gut den Terrassentisch beobachten konnte? Diesmal saß ich ja aber mit dran. Schließlich ruhte Sonjas Blick auf Jens, von dem sie offenbar Zustimmung erwartete.



Janine lächelte. Sie hatte Jens eine Hand auf die Schultern gelegt, und es sah so aus, als bemerkte sie die anderen im Raum nicht mehr. „Das ist aber das einzige, wobei sie sich bewährt haben. Alle anderen Varianten ・c Ich will ja Sonjas Optimismus nicht zu nahe treten ・c sind ziemlich daneben. Und vielleicht ist für die da draußen Leben ganz was Anderes als für uns? Vielleicht sind wir denen so was wie Unkraut?・

Jens lehnte sich etwas zurück. Er beobachtete mich, seit ich mich aus der Diskussion ausgeklinkt hatte, schließlich fragte er mich direkt: „Sag, Marie, was hältst du von der ganzen Sache? Du hast doch eine Vermutung?・
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. Alle drehten sich plötzlich zu mir hin. „Ich weiß nicht. Logisch ist es nicht: Wieso sollte ein Röntgenstern mehrere Keime hierher schicken? Unterschiedliches, aber zusammen passendes Leben? Zu uns, an einen weit entfernten Punkt des Weltalls? Und wie? Die Kugeln sehen ja schon so verdächtig unnatürlich aus. Die hat doch jemand mit Absicht so spiegelblank geschliffen. Warum fragt ihr trotzdem nicht, wer sie geschickt hat? Was für eine fremde Intelligenz soll der Absender sein? Sind die Fragen denn nicht zwangsläufig?・ Mit vorwurfsvollem Gesicht sah ich einen nach dem anderen an. „Weil das unweigerlich unangenehme Antworten hervor gekitzelt hätte. Die Berliner Katastrophe schließt doch von vornherein aus, dass uns dieser Absender dann wohl gesonnen ist. Wollen die Fremden uns also vernichten? Wirklich Terraforming treiben? Aber warum jetzt? Was hängt hier womit zusammen? Ein Röntgenstern. Warum denn? Dort würden sie doch ständig bestrahlt, nicht bloß kurz.・ Ich redete immer erregter weiter. „Ich glaube, die Röntgenbestrahlung spielt schon eine Rolle. Aber eine andere. Vielleicht ein Test. Ob wir hoch genug entwickelt sind für einen Kontakt. Dass wir etwas durchleuchten können, um es zu untersuchen, als ein Indiz dafür. Angenommen, eine fremde Intelligenz suchte ihresgleichen. Sie verschickte etwas in alle Richtungen. Es kam auch auf der Erde an. Millionen Jahre ruht das hier irgendwo. Erst nach einer künstlichen Bestrahlung sendet es ein Signal zurück.・


Plötzlich brach mein Redestrom ab. Als hätte mir eine fremde Kraft Worte in den Mund gelegt, und nun wusste sie nicht weiter. Irgendwie verstimmt sagten auch die anderen nichts mehr.
Später wartete ich ab, bis ich Jens unter vier Augen sprechen konnte. „Petra hat・Ls leichter. Bei ihr sind umfangreiche Forschungsreihen möglich. Uns fehlen die einfachsten Geräte! Was sollten wir auch mit einem Röntgenapparat? Einmal eine Kugel durchleuchten? Hast du nicht irgendwelche Beziehungen, um das heimlich irgendwo draußen zu machen und zwar für mehrere Stunden? Wir müssen einfach testen, ob dann etwas anderes rauskommt. Vielleicht versuchen die Kugeln auch, uns vor Fehlern zu bewahren, wir haben ihre Gefühlswellen nur bisher immer so egoistisch gedeutet, wie wir denken würden.・
Jens war zwar etwas misstrauisch, aber ich überzeugte ihn: „Wenn die Kugeln aus der Umgebung eines Röntgensterns stammen, dann brauchen ihre Keime längere Bestrahlung, um sich in ihrer natürlichen Weise zu entwickeln. Wir werden sonst nie erfahren, was aus ihnen eigentlich werden sollte. Bestimmt was anderes als diese Sikroben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass jemand auch diesen Gedankengang erwartet, wenn er unsere Intelligenz testen will.・
Gemeinsam nutzten wir eine ganze Nacht das Bestrahlungsgerät einer Röntgenpraxis. Sorgfältig abgeschirmt schmuggelte Jens die Kristalle ein. Es passiert absolut nichts Bemerkenswertes. Erleichtert, aber auch enttäuscht zugleich schafften wir die Kristalle am nächsten Vormittag wieder ins Gartenlabor. „Vielleicht reift jetzt die Entscheidung heran.・ Unsicher sah mich Jens dabei an.
Ich aber nickte nur. „Bestimmt!・
Wir stellten einen Betreuungsplan auf. Auf mein Drängen hin wurden auch die Klonies eingeplant. Jens kam das am Anfang so absurd vor, dass er gar nicht darüber diskutieren wollte. „Wir waren uns doch einig, dass den Kleinen der Umgang mit den Sikroben untersagt ist.・
Ich verzog nur mein Gesicht. „Sie sollen ja nichts mit den Sikroben anstellen, sondern nur die Kristalle bewachen.・
Aber dann passierte etwas Unerklärliches. Obwohl das irgendwie zu erwarten gewesen wäre, gab es keine Diskussion. Im Gegenteil. Jens schwenkte wie alle anderen ohne ein vernünftiges Argument auf meine Position um.
Ich besorgte einen Sensor. Die Wachhabenden bekamen ihn ums Handgelenk gebunden. Es gäbe Alarm beim Druck auf den roten Knopf, aber auch, wenn die Wache einschliefe oder das Armband abnähme oder nicht alle Viertelstunden den grünen Knopf drückte. Bis auf Jens, der ja tagsüber aufs Revier fuhr, hatte jeder jeweils drei Stunden Wache. Leonie als das jüngste Zwillingskind beschwerte sich. Warum würden die Kinder denn nur an den Nachmittagen eingesetzt? Jens gab ihr schließlich die Schicht von drei bis sechs Uhr morgens. Wie stolz sie danach rumlief! Eine Schicht für Erwachsene!
Jens blinzelte Janine zu: Das würde sich bald geben.
Ich riet den Zwillingen: „Am besten, ihr lest den Kristallen während der Wache etwas vor. Das gefällt ihnen bestimmt.・
Jens weihte ich dann unter vier Augen ein. „So wird es weniger eintönig für sie, und Üben schadet doch nicht, oder?・
Er lächelte. Hatte schon einen neuen Wachplan, sobald eins der Mädchen einschlafen sollte oder anders seine Wache verpatzte. Als ich ihn direkt danach fragte, antwortete er: „Wenn du es nicht weitersagst: Ich möchte darüber nicht nachdenken. Wenn ich mich nach meiner Wachschicht schlafen lege, verfolgt mich so eine nicht greifbare Traurigkeit. Ja, ich liebe diese Mädchen. Irgendwie, so ein ganz kleines bisschen sind es aber eben nicht meine Kinder, sondern die von denen da.・ Dabei deutete er mit den Händen zum Himmel. „Ich will sie trotzdem behalten.・ Er sah mich dabei so an, so ・c als wollte er danke sagen und es ging nicht. „Weißt du, was mich dabei wundert? Meine Albträume sind nicht wiedergekommen. Du weißt schon, die mit der Geburt und so.・
Ich lehnte mich an ihn an, legte meinen Arm auf seine Schulter und schwieg. Auch Jens sagte nichts mehr. Diese Stille tat ihm gut.
Die Unersättlichkeit der Sikroben wurde langsam zum Problem. Was die Klonies für Phantasie bei der Futtersuche entwickelten! Sina und die anderen zogen in den Wald und suchten Kiefernzapfen. Trotzdem ・c Jens hörte von einem Bauern aus dem Nachbardorf, der seinen baufälligen Stall abreißen wollte. Der sparte gern die Entsorgungskosten und schüttete die Steine ans hintere Ende unseres Grundstücks. Zwar war das Gestein den Sikroben zu einseitig als Nahrung, aber als die Klonies ihre üblichen Kleinigkeiten zufütterten, sprudelte es wieder im Behälter. Während der gesamten Zeit vergaßen Sina und Leonie nie, Wasser in die Tröge zu schütten. Es war, als empfingen sie Kommandos von den Kristallen, die sie roboterartig ausführten.
In der vierten Woche der Intensivbetreuung fielen erste Veränderungen auf. Nicht beim Mutterkristall der Testuden. Der hatte auch immer nur eine minimale Menge an Tropfen gefressen. Die beiden normalen Kristalle dagegen schwollen merklich an. Jule erklärte den aufgeregten Zwillingen: „Bald sind die so groß wie die in Afrika. Das heißt, bald wird hier dasselbe passieren wie damals dort. Wir müssen jetzt besonders gut aufpassen, dass sie uns nicht einfach entfliehen.・
Mühsam überwand Jens das Bedürfnis, sich die Ohren zu zu halten.
Die letzten schlafenden Hunde sind geweckt
S
Jens folgte Sina und mir. Nach höchstens drei Minuten standen auch Janine, Sonja, Jule und die restlichen Klonies mit angehaltenem Atem im Labor. Jens rief noch: „Macht alles dicht!・, dann starrte er gebannt auf den Kristall, der besonders lange der Röntgennacht ausgesetzt gewesen war. An der am meisten gerundeten Seite hatte sich eine erste spitze Beule gebildet. Dann immer mehr, so als wüchsen dem Kristall Stacheln wie einem Igel. Die wiesen anfangs pfeilartig in alle Richtungen. Bald verdickten sie an den Spitzen zu Minikristallen.
Die Haut des Mutterkristalls zog sich zusammen. Endlich ein stumpfes „Back!・ Was sich da gelöst hatte sah aus wie ein winziger länglicher Luftballon mit einem dem Kristall zugewandten zugebundenen Mundstück. Es war etwa drei Zentimeter lang und einen halben dick. Immer neue solcher Ballons drängten aus dem Kristall hervor. Endlose Sekunden schwebten sie abwartend in der Luft. Als ob sie die Menschen ringsum beobachteten.
Dann veränderte der erste langsam seine Gestalt. Er ähnelte nun einem Saugrohr. Im Tageslicht glitzerte er wie eine Seifenblase. Plötzlich zischte er und schoss ruckartig nach vorn. Erst prallte er an den Medizinschrank, dann an die Fensterscheibe. Seifenblasen hätten dabei keine Geräusche verursacht. Sie wären einfach zerplatzt. Dieses Etwas hämmerte auf das Glas, dass es knackte. Beim nächsten Mal näherte es sich der Scheibe vorsichtiger. Mit seiner breiten Seite klopfte es kräftig, wenn auch vergeblich gegen das Glas. Inzwischen schwebten mehrere Hundert seiner Brüder oder Schwestern reglos im Raum. Es sah so aus, als warteten sie die Untersuchungsergebnisse ihres ersten ab. Dann richteten sie sich alle pfeilartig in Richtung Fensterscheibe aus. Wie auf Kommando zischte es und Hunderte von ihnen ・ wir gaben ihnen später den Namen Aerobolde - jagten fast gleichzeitig auf das Fenster zu. Es knirschte zwar verdächtig, aber die Scheibe blieb ganz. Ich lauschte. Verständigten sich die fliegenden Kristallwesen fiepend miteinander? „Passt auf! Die senden Signale! Das nächste Mal schlagen sie zusammen das Fenster ein.・
Keiner reagierte. Da sprang ich zur Tür. Kaum war sie offen, sauste der Schwarm nach draußen. Etwa einen Meter weit in Freiheit drehte er ruckartig um und schwirrte kurz wieder ins Labor auf die Klonies zu. Ganz leise murmelte ich traurig: „Jetzt nehmen sie sie mit!・
Erneut bildeten die Aerobolde eine Formation von Pfeilen, die nun auf die vier Klonies gerichtet waren. Ein ohrenbetäubendes Fiepen ・c und ・ als hätten sie es sich anders überlegt ・ entschwanden sie ohne weitere Verzögerung nach draußen.
Inzwischen hatte derselbe Geburtsvorgang bei dem anderen Kristall begonnen. Hier entstanden von Anfang an weniger, dafür größere und abgerundetere Beulen. Auch die fliegenden Kristallkinder waren größer und ähnelten eher normalen Luftballons. Keiner machte die Tür wieder zu. Alle beobachteten, wie sich auch die nächsten Aerobolde in eine unbekannte Freiheit entfernten. Jens hatte Sina und Jule zur Seite gedrängt, um den ausfliegenden Wesen einen breiten Weg zu lassen.




Janine bemühte sich, ihrer Erregung Herr zu werden. Was eignete sich besser dazu als die eintrainierten Handgriffe, mit denen sie das Abendbrot vorbereitete. Wie auf Verabredung bot ihr niemand Hilfe an. Dann hätte sie mit den Gedanken dabei sein müssen. So aber arbeitete sie allein, wie eine Maschine, für die eigentlich alles normal weiterging. Janine hörte nicht darauf, ob jemand etwas sagte. Aber wir schwiegen sowieso.
Ich wachte scheinbar aus einem Halbschlaf auf, als das Tablett in der Tür auftauchte. Ich verteilte Besteck, Geschirr. Während Sonja den Wurstteller anstierte, als kröchen ihr von dort erste Maden entgegen, murmelte sie: „Warten wir also ab, ob wir wieder eine Plage auf die Menschheit losgelassen haben oder ob unser Experiment diesmal besser ausgeht.・


Leonie sagte trotzig: „Aber wir haben noch den Mutterkristall.・
Doch Janine sah sie nur vorwurfsvoll an: „Erinnere mich nur nicht daran! Am liebsten würde ich den noch heute Abend so tief verbuddeln wie möglich.・
Appetit hatte keiner. Niemand achtete auf mich. Plötzlich schlug ich mit der Faust auf den Tisch. „Das ist ja nich mit anzuhören. So, wie ihr euch hängen lasst, hättet ihr wirklich verdient, wenn alles aus wäre. Aber ich sage euch eins: Die kommen zurück und dann geht alles erst richtig los!・
Einen Moment war es absolut still. Dann redeten alle durcheinander auf mich ein. ・c wie ich denn darauf komme?

Ich konnte einfach nichts erklären. Mit im wahrsten Sinne gemischten Gefühlen versuchten alle an diesem Abend einzuschlafen.







Lange blieb ich still. „Angst? Nein. Angst nicht.・

Reichtum auf Erden

Jens verließ das Grundstück jeden Morgen. In Berlin und Eberswalde machte er sich mit Überstunden müde. Wenn er nach Hause kam, wollte er nur noch ausruhen. Er ließ sich berichten, was passiert war, obwohl er die niederschmetternde Antwort an den Gesichtern ablesen konnte. Aber es erleichterte uns alle, einmal laut klagen zu können. In den ersten zwei Tagen warteten alle noch voll Spannung auf das, was ich so vorschnell angekündigt hatte. Nichts geschah. Immer öfter lief ich mit einem Ich weiß es doch auch nicht im Gesicht herum. Langsam verdrängte Enttäuschung die Erwartung. Angenommen, ・c Ja, was sollten wir eigentlich annehmen? Unruhig verfolgte ich alle Nachrichten auf den Bildschirmen, überflog täglich die Zeitungen der Umgebung. Nirgendwo der geringste Hinweis auf den Aeroboldenschwarm. Wir hatten offenbar doch keine neue Plage auf die Menschheit losgelassen. Andererseits hätte ich doch gern gewusst, wo die fliegenden Fremdlinge hin waren. In Polizeiberichten stand auch nichts Merkwürdiges.
Die Klonies interessierten sich plötzlich für gar nichts mehr. Janine konnte sagen, was sie wollte. Oder Sonja. Den Müttern schien das auch nicht recht. Wie drückte sich Jens aus: „Freut euch doch! Sie haben mal einen schlechten Tag wie jedes normale Kind in dem Alter. Sie reagieren eben nicht wie auf lieb programmiert. Warum passt euch das jetzt auch nicht? Seid doch zufrieden.・
Sonja nahm Jule und mich nicht mehr alle Tage von der Schule mit nach draußen, das heißt, wir schliefen nun gelegentlich wieder in Eberswalde. Neun Tage ging das so. Ausgerechnet als es richtig losging, hingen wir dort in der Bierakademie rum.
Am jenem Montagabend nach einem wenig anregenden Fernsehprogramm beschlossen Jens und Janine, sich noch einen Moment in den Garten zu setzen. Lust aufeinander hatten sie keine, erzählen wollten sie sich auch nichts, zum Schlafen war es noch zu früh. Wenigstens hatte es sich nach dem quälend heißen Tag allmählich abgekühlt, im Garten war es schon angenehm. Jens hatte Janine ein paar Minuten die Schultern massiert. Dann hatte er sich mit gespieltem Gähnen in seinen Liegestuhl fallen lassen. Beide lehnten sich einen Moment zurück. Aus dem Zelt drang Geschrei. Sina brüllte „Du blöde Popp-Ziege ・c・ Jens sah zu Janine. Die guckte fragend zurück. Unsicher schüttelte Jens mit dem Kopf. Janine zuckte mit den Schultern. Beide lehnten sich wieder zurück. Tatsächlich waren die Zwillinge wieder verstummt.


Jens warf Janine einen irritierten Blick zu.

Jens wagte nicht, Janine zu unterbrechen.




Die Aerobolde flogen dicht über die Köpfe der beiden Menschen hinweg auf das Labor zu. An der Außenwand landeten sie. Das Pfeifen setzte fast schlagartig aus. Für einen Moment waren keine Grillen und keine Kröten zu hören. Absolute Stille. Allmählich setzte die Abendsymphonie wieder ein. Jens lief hoch zum Haus. Kam mit einer Taschenlampe zurück.
Mit den Händen bedeutete er Janine, sich hinter ihm zu halten. Vorsichtig schlich er sich an das Gartenlabor, wo zuvor die letzten Fluggeräusche der Aerobolde zu hören gewesen waren. Nichts regte sich. Die Außenwand des Gartenlabors war von mehreren undefinierbaren Stapeln verdeckt. Jens schaltete die Lampe an, ließ den Lichtkegel kreisen ・c noch immer nichts.
In einem der Stapel glaubte Jens die gelandeten Aerobolde zu erkennen. Sie waren auf ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Größe angewachsen, erinnerten irgendwie an fliegende Blöcke, wie man sie aus alten Schatzkammern kannte ・ von der Form, aber auch von der Größe. Nur wenig ähnelten sie noch den kleinen leichten Luftballons. Eher sah die Formation, die sie gerade bildeten, aus wie übereinander aufgeschichtete Reihen von Mauersteinen. Aber da waren Unmengen an Mauern nebeneinander aufgebaut. Woraus bestanden die anderen Stapel?

Janine versuchte, einen der aufgeschichteten Klötze anzuheben. Er fühlte sich metallisch an. Zwar machte keiner der Aerobolde Anstalten, sie zu hindern. Trotzdem gelang es ihr nicht, den Barren von etwa einem halben Liter Volumen anzuheben. Zumindest mit einer Hand. Jens griff nach einem der glänzenden anderen. Durch Janines Erfahrung vorgewarnt hob er ihn vorsichtig mit beiden Händen an und hievte ihn mühsam ins Labor. Seine Finger zitterten. Das war doch nicht etwa ・c
Niemand hielt ihn zurück. Er wurde sicherer. Er wog den Barren, bestimmte sein Volumen im Wasserbad, errechnete die Dichte. 19,3 Gramm je Kubikzentimeter. Das kam ihm irgendwie bekannt vor. Mit einer Pipette tropfte er ein wenig Salzsäure auf den Barren. Nichts. Jens drehte sich zu Janine um. „Eigentlich kenne ich nur einen Stoff, der so reagiert, also nicht reagiert. Ich will・Ls nicht beschwören, aber das könnte Gold sein und zwar fast reines.・ Er blätterte im alten „Chemieführer・, der abgegriffen an der Laborwand lehnte. „Tatsächlich! Nur Wolfram hätte eine ähnliche Dichte. Das sieht aber weiß aus, glaube ich. Einen einfachen Test haben wir noch. Gold ist ja angeblich besonders weich. Das prüfen wir morgen. Na, mal sehen, woraus die anderen Barren sind.・
Am nächsten Morgen waren die Aerobolde verschwunden. In den Sikroben-Bottichen hatten sie nur winzige Tropfenreste übrig gelassen. Jens stellte fest, dass sie insgesamt zehn verschiedene Substanzen an der Labormauer aufgestapelt hatten. Seiner Meinung nach bestand ein Stapel aus Goldbarren, und je einer aus Nickel, Kupfer und Aluminium. „Der Rest? Keine Ahnung. Metall jedenfalls. Es wäre ganz gut, wenn ihr mir helft, geeignete Tests herauszufinden.・



Der drehte sich zu ihnen um. „Wenn das alles uns gehörte, wären wir wohl eine der reichsten Familien der Welt. Aber das tut es nicht. Wir müssen nachher überlegen, was wir machen wollen. Wahrscheinlich gar nichts. Jetzt geht・Ls aber erst einmal ab zur Schule! Und zwar flott! Nicht dass ihr zu spät kommt und als Entschuldigung herumerzählt, ihr musstet noch Goldbarren zählen ・c Dann ist gleich eure Lehrerin da.・ Jens lachte.
Jens hatte Sonja angerufen, und Sonja benachrichtigte Jule und mich. Wir luden allen Müll, den wir fanden, ins E-Car und fuhren von Eberswalde nach Sternekop. Irgendwie mussten die Bottiche wieder voll werden.

Die anderen lachten. Ätzer, unsere Freunde ・c einfach komisch ・ aber keiner widersprach. Sie waren schließlich die Nahrung der Aerobolde.
Je später der Abend wurde, umso zähflüssiger flossen die Gespräche. Eigentlich lauschten alle nur auf den Schwarm. Doch nichts geschah. Sonja, ihre Zwillinge, Jule und ich ・c wir bezogen unsere Gästebetten. Nach vier Stunden Schlaf machten wir uns widerwillig zum Arbeits- bzw. Schulalltag auf. In Gedanken blieben wir in Sternekop. Ob die Aerobolde an diesem Abend wiederkämen?
Mit der nächsten Dämmerung lag endlich ein verdächtiges Geräusch in der Luft, und dann tauchte die Flotte auf. Die Aerobolde stapelten immer neue Barren. Fast andächtig beobachteten wir sie dabei. Verstanden nichts. Ich nahm an, dass die Aerobolde irgendein Feld bildeten. Ein Magnetfeld konnte es wohl nicht sein. Das hätte nicht auf alle Metalle gewirkt. Außerdem mussten sie es umformen, also verändern können, denn sie hielten ihre Barren wie mit unsichtbaren Stricken an ihrer Bauchseite, setzten sie vorsichtig ab und flogen wieder los, wenn sie gefressen hatten.


Die Aerobolde flogen wieder ab. Wir sahen ihnen noch nach, als sie schon am Horizont verschwunden waren. Das war alles? Aber bis zum Morgen geschah nichts mehr.
Es war schon hell, als Janine uns weckte. Gemeinsam inspizierten wir die Ergebnisse des spätabendlichen Besuchs. War das ein Bild! So musste sich wohl das Bauernmädchen aus dem Märchen gefühlt haben, dessen Stroh zu Gold gesponnen worden war. Batzenweise Gold und andere seltene Metalle!





Janine versuchte Jens beizuspringen: „Meint ihr wirklich, die Kristalle haben diesen Schatz unseretwegen hierher gebracht? Der ist doch genauso unbegreiflich wie vorher die Sikroben.・


Wir anderen folgten ihm. In der Küche schwiegen wir ihn an. Mechanisch holte Janine eine Packung Knusperflocken und drei Milchpacks aus dem Regal und verteilte die Teller. Es war schließlich Frühstückszeit, und Janine war wieder einmal froh, etwas in den Händen zu haben, mit dem sie sich ablenken konnte. Alle ließen es sich gefallen; wir nahmen Löffel in die Hände ・ und fingen doch nicht an zu essen. Plötzlich ließ Julia ihren Löffel in die Milch fallen. „Ich versteh das nicht. Wie oft habe ich mir erträumt, reich zu sein. Ich habe mir genau überlegt, was ich dann als erstes mache, was erst später, wen ich beschenke und wen ich zum Teufel jage ・c aber das hier habe ich nicht erwartet. Diesen Kreis von lauter reich gewordenen Miesepetern. Dass da nicht die Milch sauer wird! Warum freut ihr euch nicht einfach?・
Ich sah nicht von meinem Teller auf. „Jule, ob dus glaubst oder nicht: Ich freu mich. Ich freu mich, hier dabei zu sein. Aber hast du dich schon einmal gefragt, was passiert, wenn die das für sich brauchen und wir haben es ihnen weggenommen? Dass wir keinen Kontakt bekommen, ist das eine. Also ich an deren Stelle, ich würde meinen, Menschen sind was Schlimmes für die Galaxis. Die gehören ausgelöscht. Stimmt doch, oder? Meins, meins, immer nur meins! Dabei wär es doch großartig, sich mal mit Wesen aus fernen Welten verständigen zu können.・

Jule stand auf, beugte sich vor, sah mich vorwurfsvoll an, stützte beide Hände rechts und links von ihrem Teller ab. „Also ich versteh dich nicht. Mit dem Zeug da können wir so viel Gutes vollbringen. Wir haben eine Chance, die hat sonst keiner. Und hast du nicht Botschaften von den Kristallen bekommen, wenn du was richtig oder falsch gemacht hast? Haben wir das nicht beide? Warum jetzt nicht? Oder ist das die Botschaft? Mit unserem albernen Gartenlabor werden wir ja wohl keine galaktischen Kontakte herstellen. Aber mit dem, was wir uns mit dem da erschaffen könnten, schon.・


Etwas überraschend für mich sprang ihr auch Sonja bei. „Ich habe immer versucht, aus euch gute Menschen zu machen. In der Schule ist das alles nur sehr theoretisch. Aber jetzt haben wir die Gelegenheit, in der Welt, wie sie wirklich ist, etwas durchzusetzen. Wenn wir nicht bald ein Zeichen von diesen Wesen bekommen, sollten wir diesen Reichtum dafür nutzen. Ein Batzen Germanium ist wertvoller als eine Geschichtsstunde über die Stammesversammlung der Germanen.・ Ihren Teller ignorierte sie natürlich auch.
Allein Jens löffelte in seiner Milch herum. Schließlich murmelte er: „Ich glaube auch, in dem Ganzen liegt ein Programm, wir haben es nur nicht verstanden. Oder es ist kaputt. Unvollständig. Es ist noch nicht zu erkennen, wo es hinführt ・c ob es überhaupt irgendwo hinführt. Aber wir lassen es ja auch nicht.・
Janine und Sonja sahen einander fragend an. Da sprudelte es aus Janine: „Muss ich dich jetzt begreifen? Manchmal ist es wohl besser, nicht alles zu verstehen. Da nimmt man einfach seine Barren und ist reich.・
Ich lächelte. Wenigstens Jens hatte mich also verstanden.
In den folgenden vier Wochen tauchten die Aerobolde in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf, luden neue, unterschiedliche Substanzen ab und verschwanden wieder. Jens verbarg jeweils einen Musterbarren im Keller, ohne dass die Aerobolde darauf reagiert hätten. An der linken Seite des Grundstücks, dort wo es eigentlich keinen Nachbarn hatte, wuchsen immer neue Stapel. Wenn das noch lange so weiterginge, hätten sie irgendwann den ganzen Garten in einen zwei Meter hohen Wall von Metallen verwandelt. Aber mir war klar, das würde nicht mehr lange so weitergehen.
Jens?・











Jens schwieg. Janine brabbelte auf ihn ein, versuchte ihn zu beruhigen. Aber Jens hatte sich anders entschieden: Er würde Janine nicht zusätzlich beunruhigen. Die Aerobolde waren diesmal schon den sechsten Tag in Folge nicht mehr aufgetaucht. Einen so großen Abstand hatten sie sonst nie gelassen. Wenn Janine nicht von selbst anfing, davon zu sprechen ・ er würde es nicht tun. Oder wollte sie ihn auch nur nicht beunruhigen?
Ruhe vor dem Sturm
A
„…




So leicht war ich aber nicht aus der Fassung zu bringen. „Das mag ja sein. Einmal angenommen, es wären Tiere, dann wäre das Spektrum von Metall-Kacke, die die einzelnen Vertreter einer Art da abgesondert hätten, einfach zu schwer zu erklären. Es muss also etwas Anderes sein. ・c Du erinnerst dich doch an die Geschichten mit den Insekten. In diese Richtung habe ich überlegt. Ob all diese fremden Erscheinungen vielleicht selbst so etwas Ähnliches wie Insekten sein könnten. Aber es ging auch nicht auf: Bei allen Insekten gibt es klar umrissene Entwicklungsstufen, was sich in was verwandelt. Erst das Ei, dann die Larve, die Puppe, das Imago ・ immer hintereinander. Vielleicht gibt es unter fremden Bedingungen noch eine weitere Entwicklungsstufe, mag sein, was wissen wir denn. Aber erinnerst du dich noch an den Tag, als wir die ersten Barren am Labor zu unserem Reichtum erklären wollten?・ ・ Auf dem Rücksitz stöhnte eines der Klonies auf.

Ich sprach scheinbar nur für mich selbst, erwartete wohl noch keine Antwort, obwohl ich wusste, wie aufmerksam mir Sonja und Jule folgten. „Die Sikroben wären nichts Anderes als das Grundprogramm, das die anderen, qualitativ höherwertigen mit Futter versorgen soll. Die Aerobolde vielleicht auch, nur auf einem ebenfalls etwas höheren Niveau. Zumindest die beiden Programmen sorgen für die Fütterung der eigentlichen Intelligenzen oder deren Vorstufe mit Stoffen und Energie. Oder ...・
Endlich hatte sich Sonja mir zugedreht. „Ne, du, da bist du auf dem Holzweg. Evolution im Schnelldurchlauf? Das ist Quatsch.・
Gerade durch diesen Widerspruch hörten auch die Klonies auf zu dösen. Sie guckten nicht mehr gelangweilt zum Fenster heraus, drehten ihre Musik leiser und versuchten, etwas von dem Gespräch zu verstehen. Hier fand wohl ein Zweikampf zwischen Mutter und großer Schwester statt. Ich gab nicht nach: „Jori hatte uns erzählt, dass Petra Roboterchips bauen wollte, die zu menschlicher Intuition fähig sind. Damit hätte sie sozusagen die Schwelle zwischen Biologie und Technik überschritten. Wenn die Außerirdischen das längst geschafft haben? Die Kristalle enthalten solche Roboterprogramme ・ vielleicht als symbiotische Teilprogramme oder ・ was schlimmer wäre - mit einem Virus drin? Wir begreifen sie nur nicht!・
Hanna mischte sich in das Gespräch ein: „Und was hat das mit unseren Barren zu tun? Sind das nun Geschenke für uns oder nicht?・

Plötzlich fing Jule an zu lachen. „Arme Frau Herbst! Die hat doch die ganzen Barren verkauft ・c・
Ich drehte mich zu ihr um. „Lass mal! Es kann auch sein, dass die Kristalle Bausteine herstellen, für etwas, was andere Programme auf der Erde verarbeiten. Aber welche und mit welcher Folge ・c keine Ahnung. Wir haben ja nicht alle Kugeln. Im Idealfall gibt es zu jedem Programm eine Sicherheitskopie, die einspringt, wenn das Original ausfällt. Dann wäre normal, wenn in Afrika und bei uns dasselbe passiert. Aber die sieben Kugeln könnten alle ihren eigenen Sinn haben. Dann kommt das eigentliche Ergebnis nur heraus, wenn alle beisammen sind.・
Jule lacht. „Schon mal dran gedacht, dass noch x weitere Kugeln in der Erde verborgen sein könnten? Dann können wir ewig sinnlos spekulieren.・

An einer Kreuzung bremste der Automat ab, Sonja sah kurz nach vorn, dann sagte sie: „Eines habt ihr bisher übersehen. Ihr habt überhaupt nicht gefragt, wie lange wohl die Kugeln im Boden gelegen haben mögen. Durch wie viele Zufälle eure Programme aktiviert wurden. Für Invasoren aus dem All eine sehr ineffektive Methode. Für Wesen, die mit uns gemeinsam etwas bauen wollten, aber auch.・
So schnell gab ich mich nicht geschlagen. „Wenn die da oben aber unbedingt Kontakt nur zu vernünftigen Wesen und nicht zu irgendwelchen Neandertalern wollen? Röntgenbestrahlung kommt so kurzzeitig in der unbelebten Natur bestimmt nicht vor. Erst als Untersuchungsmethode einer Intelligenz. Also nichts mit Terraforming und Invasion oder Röntgenstern. Um die Erde selbst zu besiedeln, brauchen unsere Aliens nicht zu warten, bis wir röntgen können. Aber um sich mit uns zu verständigen. Wenn wir soweit sind mit unserer Entwicklung, lassen sie uns mit ihnen Kontakt aufnehmen. Und die Kugeln sind die Mittel dafür. Ansonsten müssten es wirklich Erdgeister oder so was ・c・


In diesem Moment bogen wir auf Jens・L Grundstück ein. Leo und Sina, Janine und Jens kamen uns aus dem Garten entgegen.



Es dauerte keine Viertelstunde, dann saßen Janine und Jens mit Sonja, Jule und mir am Tisch auf der Veranda.
„ …

Die anderen am Tisch stoppten augenblicklich ihre Bewegungen. „Was du getan?・ fragte Janine, als hätte sie nur nicht richtig verstanden.

Janine suchte Jens・L Blick. Sie war halb aufgestanden und hoffte auf sein Zeichen, zum Labor zu laufen. Doch Jens schien am wenigsten entsetzt zu sein. „Ich nehme an, du hast eine handfeste Erklärung.・
Ich war ruhig sitzen geblieben und hatte die erste Aufregung der anderen gefasst beobachtet. „Was ist handfest? Aber ich hab mir schon was dabei gedacht. Also das erste war, dass die Kugeln durch Bestrahlung erweckt wurden. Vielleicht haben die Röntgenstrahlen das Zertrümmern der Schale sogar erst ermöglicht. Das hat ja niemand geprüft. Was, wenn das alles so vorgesehen war? Wenn wir Menschen einem Intelligenztest unterzogen wurden? Dass ausgerechnet Kinder die Kugeln finden und unbemerkt an verschiedene Orte mitnehmen würden, war nicht vorherzusehen. Hätten Menschen die Kugeln auf einmal untersucht, dann hätten wir sofort entdeckt, dass die Tropfen Futter für die Kerne sind. Also keine Katastrophe. Stellt euch vor, in der Nähe der Kugeln wären schon vor Jahrhunderten solche Klonies geboren worden. Oder die Insektenwanderungen ・c Man hätte die Kugeln als Wunderwerke sicher aufbewahrt, bevor man sie hätte untersuchen können. Bis dann die geeignete Technik gefunden worden wäre. Da wäre es doch nicht auf hundert Jahre angekommen ・c Und jetzt liefen längst die Bauarbeiten für eine Kontakteinrichtung zu den Fremden. Ein Sender oder so etwas. Vielleicht säßen wir hier schon mit den Fremden an einem Tisch.・

„…
Jens stand langsam auf. Er ging zum Videophon, drückte Taste 2 und hatte sofort das angegraute Gesicht von Oberkommissar Granzner vor sich. „Granzie, kannst du mir gleich durchgeben, wenn Nachrichten über diese Testuden eingehen?・

Plötzlich erlosch der Bildschirm.
Stille.

Ich richtete mich auf, gespannt wie ein Flitzbogen. „Du meinst aber auch, wir sind hier eingekreist von Leuten, die uns für was ganz Übles halten, wahrscheinlich durch Petra aufgehetzt, weil die was von unserem Aeroboldenschatz mitbekommen hat, und wenn die Testuden schnurgerade auf dieses Haus zulaufen, richten sie die nächste ungewollte Katastrophe an? Die dieses Grundstück nur deshalb noch nicht gestürmt haben, weil sie noch Entscheidendes von der Beobachtung erhoffen?・ Fragend sah ich Jens an.

Das war die Bestätigung. Ich musste handeln. „Nein. Aber ich hab dieses Chaos ausgelöst. Da werde ich es wohl auch auflösen müssen.・




Der Zug der Testuden
G
Und wie die Mädchen verrückt spielten! Sie schrien und schubsten sich wie unreife Jungen. Wirklich aufmerksame Beobachter hätte das misstrauisch machen müssen. Wenn sie die Klonies gekannt hätten zumindest. Egal! Die Mädchen quietschten vor Vergnügen, während sie sich gegenseitig beim Zusammenlegen ihrer kleinen Kleiderhaufen ärgerten. Endlich waren wir alle nackt und im tiefen Wasser. Konnten ein Stück schwimmen.
Schließlich hatten wir ungefähr die Mitte des kleinen Sees erreicht. Mir fiel in den Uferbüschen niemand auf. Ich war mir aber sicher: Irgendwo lauerten sie und beobachteten alles aufmerksam. Jetzt kam es auf Sina an.
Ich drehte mich mehrmals um die Achse. Ich war eine gute Schwimmerin, doch jetzt, für ein paar Augenblicke in Rückenlage, durfte ich die heimlichen Blicke durch nichts auf mich ziehen. Aber da kraulte Sina schon in Richtung Ufer.





Das war das Stichwort für die anderen im Wasser. Sie taten wütend und stürmten zur Uferstelle, um jetzt hoffentlich auffällig genug zu streiten.
Ich hatte wenig Zeit. Die Kleinen würden nicht lange brauchen, um in ihre nassen Kleider zu schlüpfen und weiter streitend wieder in Richtung Garten zurück zu toben. Früher oder später musste auffallen, dass sie dabei nur noch zu viert waren. Zwar konnte niemand ahnen, dass der Ball, mit dem sie kurz gespielt hatten, mein Tauchbeutel gewesen war, mit dem ich nun untertauchte. Trotzdem. Hatte mich gerade jemand bei Abtauchen im Visier gehabt, hatte ich keine Chance. Ansonsten blieb mir ein kleiner, aber vielleicht entscheidender Vorsprung.
Etwa zwanzig Meter musste ich unter der Oberfläche schwimmen. Auftauchen. Bruststil. Durch den war am Ufer nichts von mir zu hören. Ich erreichte die Paulinenstelle, den zweiten Zugang zum Wasser, der von uns aus nicht zu sehen war. Ich bemerkte niemanden. Hatte ich vorher ja auch nicht. Stapfte ans Ufer. Das zusammengeknüllte Kleid raus aus dem Beutel, gleich über die nasse Haut, die Latschen an und losgelaufen. Bis zum Dorf war es mehr als ein Kilometer. Grit würde mir bestimmt helfen.
Ich rannte, als wäre eine Meute Staffords hinter mir her. Überall Brennnesseln. Ein paar Mal drehte ich mich um. Das ganze Unternehmen wäre ja sinnlos, wenn mir jetzt schon jemand folgte. Das Wäldchen lag hinter mir. Noch blieb der Feldweg, wo man von weitem gesehen werden konnte. Ich würde wahrscheinlich nicht einmal ein ganzes Sondereinsatzkommando hinter mir bemerken.
Grit maulte nicht. Holte ihr altes Rad aus der Scheune, und ich strampelte los in Richtung Berlin. An der nächsten Wegkreuzung holte ich die Karte aus der Tauchtasche. Nein, niemand beobachtete mich. Jetzt war der komplizierte Weg zu berechnen. Blöd nur, dass es so furchtbar heiß war.
Die Mädchen waren inzwischen wieder angezogen und rannten in Richtung Grundstück, als wären sie auch nur zu viert gekommen. Die Posten hatten ihren Einsatzleiter geholt. Hier stimme etwas nicht. Man müsse die Zentrale informieren.
Am anderen Ende der Sprechleitung herrschte Panik. Offenbar hatte sich Sondereinsatzleiter Reimers gerade in ein anderes Gespräch eingeklinkt. Einen Teil der fremden Meldung hörte er mit. Die mit zentralen Kräften überwachten Testuden seien erst alle losmarschiert, hätten dann wieder einige Minuten regungslos pausiert, aber gerade jetzt nähmen sie ihren Marsch wieder auf. „So eine Scheiße・, brüllte eine verzerrte Stimme. „Die Viecher sind nicht mehr auf Kurs. Wenn die lang laufen, wo wir das nicht mehr vorhersehen können, was sollen wir dann evakuieren? Wir brauchen neue Instruktionen. Müssen angreifen. Wenn wir nur wüssten wie! ・c Hallo? Moment, das ist neu ・c Kann sein ・c ein Irrtum ・c・ Das Weitere ging im Knacken unter. Dafür war plötzlich Reimers Verbindung zur Zentrale frei. Er entschied sich für eine knappe Meldung: „Eines der Mädchen ist verschwunden. ・c Nein. Alle anderen Zielpersonen sind noch auf dem Grundstück. ・c Natürlich. Mit dem Zugriff warten ・c・
Da schaltete sich einer der vier um den kleinen See ausgeschwärmten Polizisten in das Gespräch ein. In Südrichtung habe er einen weiteren Pfad zum Ufer entdeckt. Von dem Mädchen fehle jede Spur.
Bei Hollberg herrschte Hochbetrieb. Hätte der hochgewachsene Polizeioffizier geahnt, wie verrückt alles ablaufen würde, er hätte schon irgendwie vermieden, dass man ausgerechnet ihm die Gesamteinsatzleitung des Projekts Testuden-Eindämmung aufdrückte. Ob er wohl bald ein System im Verhalten dieser Biester entdeckte? Bisher war er der schnellen Folge neuer Meldungen nur hinterhergehetzt. Erst hatten sich die verschiedenen Testuden-Haufen zu einem einzigen vereint. Waren wieder erstarrt. Was hätte er da unternehmen sollen? Plötzlich aber marschierten sie los. Ein Strom glänzender schwerer Halbkugeln bahnte sich unbarmherzig ein gerades Bett. Ein Teil der Wesen war noch so niedlich klein wie eine der Schildkröten, die man Kindern schenkte, ein anderer Teil war schon bis zu einem Durchmesser von über siebzig Zentimetern angewachsen. In ihrem unbegreiflichen Wandertrieb walzten sie alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Nicht nur Bäume, selbst mehrere Einfamilienhäuser machten sie restlos dem Erdboden gleich. Wenigstens hatte der Computer eine ausreichend sichere Prognose aufgestellt. Die Testuden marschierten exakt in einer Linie auf das Grundstück dieses Jens Marder zu. Das war der einzige Punkt auf der verlängerten Marschlinie, der irgendeinen Sinn ergab.
Die Testuden forderten alle Aufmerksamkeit. Bei ihrem wenig schildkrötenhaften Marschtempo beeilte sich Hollberg, gefährdete Menschen von der berechneten Marschlinie weg in Sicherheit zu bringen. Darüber hinaus gruppierte er seine Einsatzkräfte in halbkreisförmigen Verteidigungsstellungen, von denen aus sie die Angreifer aus halbwegs sicherer Deckung hätten beschießen können. Gerade da kam der Vormarsch der Testuden von selbst zum Stehen. Hollberg baute seine Stellungen aus. Schon marschierten diese kleinen Monster weiter, diesmal aber nicht auf der vorausberechneten Route ・ nein, sie umgingen den vorbereiteten Kessel. Von nun an erinnerte ihr Flussbett an die Fußspuren eines Betrunkenen im Schnee. Was mochte das nur sein? Im Gegensatz zu Wasser ließen sich die strömenden Testudenmassen durch Hügel oder andere Hindernisse nicht vom geraden Weg abbringen. Erst allmählich fiel Hollberg etwas auf, wovon er nicht zu sagen wagte, ob es Zufall war oder nicht: Als ob sie es vorausahnten, wichen die Testuden zur Seite, sobald sie sich einer Siedlung näherten. Und zwar bevor sie die hätten sehen können.
Wie viele gefährdete Gebiete sollte er nun evakuieren? Wie zum Hohn traf endlich die Antwort der Regierung ein: So lange weiter keine akute Gefährdung der Bevölkerung bestand, sollten die Wesen ausschließlich beobachtet werden.
Hollberg quittierte die Nachricht mit Gelächter. „Was denken die, was wir hier machen?・ Dann allerdings blinkte es rot auf dem Analysecomputer. „Definitionsbereich eingeengt ・ eindeutige Identifikation mit Wahrscheinlichkeit 99 Komma sieben!・

Hollberg drückte eine weitere Taste. Nun hörte er eine etwas monotone weibliche Stimme: „Wahrscheinlichste Interpretation: Das Objekt verfügt über ein Gerät zur Lenkung der Testuden. Kurs in Richtung des observierten Grundstücks. Zwei Reaktionsempfehlungen mit jeweils fünfzig Prozent Unbedenklichkeit: Fortsetzung des Vorgangs und Beobachtung wie bisher oder Festnahme des sich nähernden Subjekts.・
Hollberg knurrt nur wütend „Selbst dieses Strategieprogramm will sich nicht festlegen. Und wenn ich dann entschieden habe, dann wussten es nachher alle vorher besser.・
Immer wieder stieg ich vom Rad, holte meine Karte hervor, ermittelte mit Stecknadeln und einem Faden die voraussichtliche Marschlinie der Testuden und bestimmte so den weiteren Fahrweg. Mit jedem Dorf, über das die Wesen herfielen, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen sich gegen den vermeintlichen Angriff wehrten. Ja, selbst wenn sie wieder in Starre verfielen, könnte das dazu verführen, einen endgültigen Sieg zu organisieren.
Um die Absperrung durch Polizeikräfte zu überlisten, war es schon zu spät. Auch hatte ich die über den Testuden kreisenden Helikopter bemerkt. Diese verdammte Hatz auf Nebenwegen, dieses ständige Hin und Her ・c und das Schlimmste stand mir noch bevor. Die Kraft. Ich war am Ende.
Hollberg kämpfte mit sich selbst: Was für ein zermürbendes Spiel! Wer wusste denn wirklich, womit diese außerirdischen Stahlschildkröten sie noch schocken würden? Bisher hatten sie zwar noch keinen Menschen angegriffen, aber was war, wenn sie sich bedroht fühlten? Unter den Einsatzkräften gab es keinen, dem nicht im Hinterkopf herumgeisterte, wie die Ätzer alles auf ihrem Weg zerstört hatten. Beide Gewalten stammten wahrscheinlich aus derselben unbekannten Quelle. Das erste Ziel der Testuden war, bei aller Urgewalt, mit der sie es zu erreichen versuchten, wenigstens verständlich ・ sie wollten fressen ・ und dass das ausgerechnet der Silitpanzer über dem alten Berlin gewesen war, hatte sie sogar sehr nützlich sein lassen. Nur was wollten sie jetzt? Es gab kein Schlaraffenland voller Silitfutter mehr. Trotzdem zogen sie unbeirrt in eine Richtung.
Lange konnte das nicht so weitergehen. Hunderte bestens ausgebildete Sicherheitskräfte bildeten am Boden ständig neue Halbkreise um die Vorrückenden und gleich darauf zogen sie sich weiter zurück. Wenigstens gab es noch keine Opfer.
Ich sprang vom Rad, warf mich ins Gebüsch und musterte misstrauisch die drei Männer in Kampfmonturen. Einen Moment musste ich grinsen. War das nicht verrückt: Kugelsichere Westen ・ als ob die Testuden auf sie schießen könnten. Aber vielleicht gehörte das einfach zur Sicherheitsvorschrift für Kampfeinsätze. Es musste eben sein. Mit Fällen wie diesem hatte ja niemand gerechnet. Wie auch immer ・ die drei dort würden mich in meinem durchschwitzten Sommerkleid kaum näher an die Gefahrenzone oder ihren Vorgesetzten lassen.
Oder?
Lächelnd steckte ich meinen Kristall in seinen Beutel. Vor mir lagen die Testuden-Massen. Schwer zu schätzen, wie viele dieser dunkelgrauen Buckel sich versammelt hatten. Aber die platt gemachte Bahn, die sich irgendwo am Horizont verlor und die den zurückgelegten Weg markierte, war schon beeindruckend. Jetzt waren die Testuden beängstigend reglos. Auch die drei Posten blickten in ihre Richtung. Eine bedrohliche Masse. Als ob die Karawane von einem Zauberstab für einen Moment in Stein, besser wohl in Metall verwandelt worden war. Wie riesig sie waren! Kaum vorstellbar, dass die sich vorher überhaupt bewegt hatten ・c
Rad zur Seite, rüber übern Weg, vorbeugen und rennen, einen Trampelpfad am Getreidefeld entlang. Jetzt zählte jede Sekunde, in der die Männer mich nicht bemerkten.
Das Feld war nicht sehr groß. Diesmal stieß ich auf eine Landstraße, wahrscheinlich die nach Berlin. Dort standen nicht nur Bewaffnete, sondern auch ein Jeep. Langsam ging ich weiter. Hier musste das seitliche Ende der Testudenmarschformation sein.
Einer der Männer hatte mich bemerkt. Ich tat, als beachtete ich ihn nicht. Unauffällig griff ich in meine Tasche, schob die Hülle vom Kristall ・c und plötzlich hüpfte ich in die Luft, so als hätte ich gerade einen der Soldaten erkannt und freute mich. Brüllte laut „Hallo!・
Der Effekt war beeindruckend. Als hätte der Zauberer den Buckelwald ein zweites Mal berührt, erwachten die Testuden zu neuem Leben. Von ihnen ging ein durchdringendes Sirren aus, und als hätten sie rollende Ketten unter ihrem Panzer, schoben sie sich mir entgegen.
Für die vier Männer sah es so aus, als wären sie in einen Hinterhalt geraten. Der kleine Stämmige, der mich die ganze Zeit fixiert hatte, rief mir zu: „He, was soll das?・
Leichthin antwortete ich: „Merkt ihr, dass ich die Schildkröten leiten kann? Holt euren Boss! Sagt ihm, ich bringe die da an einen Platz, wo sie absolut ungefährlich sind. Aber beeilt euch!・
Das musste ich nicht zweimal sagen. Die ersten Testuden waren auf zehn Meter an den Jeep heran. Einer der Männer sprang ans Sprechgerät, doch zur Überraschung der Männer kam schon ein zweiter Jeep, und in ihm saß ein hoher Offizier.

Der Mann grinste breit. Oh Schreck! Mir ging urplötzlich das Unüberlegte meiner Aktion auf. Eine kleine Geste genügte und die Soldaten nahmen mich einfach fest. Sie brauchten bestimmt nicht lange, dann hatten sie den Kristall und wussten, wie er wirkte.

Ich hatte mich übrigens getäuscht. Halbkugeln waren sie von nahem betrachtet doch nicht, sondern etwas oval. Mehr konnte ich aber immer noch nicht erkennen. Unruhig wanderte mein Blick von den Testuden zu dem Offizier und zurück. Er ließ sich viel Zeit mit seiner Antwort.

Ich atmete auf. „Und ich Marie Kutasi, Marie eben. Wir fahren einfach im Jeep vor den Testuden her. Ich müsste nur noch das Rad meiner Freundin einladen. Dann kann・Ls losgehen.・

Der Wagen steuerte querfeldein in Richtung Grundstück. Immer wieder warf ich dem Mann neben mir zweifelnde Blicke zu. Er hatte seinen Fahrer nach hinten beordert, die Testuden beobachten. Es schien ihm Spaß zu machen, selbst zu fahren. Drei Fahrzeuge hatte er nach Sternekop vorausgeschickt, mehrere eskortierten den Treck, aber ein großer Teil war am letzten Standort in Bereitschaft geblieben.
Wir kamen unbehelligt an. Inzwischen war es dunkel. Ich war wieder voll locker. Stellte Jens und Hollberg einander vor. Dann sagte ich: „Wir haben ein paar neue Haustiere mitgebracht. Geht schon mal rein! Ich leg sie noch schlafen.・
Als ich zur Terrasse hochkam, bewegte sich hinter mir nichts mehr.
Vom Fenster meines Gästezimmers aus konnte ich im Sternenlicht das weite Feld reglos herumliegender schildkrötenförmiger Wesen sehen. Die Silhouetten der sich im leichten Wind bewegenden Baumspitzen verstärkten noch den gespenstischen Eindruck. Schnell schaltete ich das Flurlicht an. Sofort war aller Grusel verschwunden.
Hollberg kam die Treppe herunter. Als er mich sah, drehte er sich auf seiner Stufe um und sagte lächelnd: „Ich kann also jetzt ohne Angst die höchste Alarmstufe aufheben und den Hubschrauberbesatzungen eine angenehme Nachtruhe wünschen?・
Ich ging auf seinen Ton ein: „Von mir aus ・c Hauptsache für heute lassen mich alle schlafen!・
Jens hatte auf der Veranda gesessen. „Wenn sich das da erst einmal herumgesprochen hat, ist es mit der Ruhe für uns vorbei.・
Stiefkinder der Hölle
M
Die Testuden!
Ich sprang auf, stürzte zum Fenster, sah hinüber zum Garten ・c Nein, dort war alles ruhig. Die Metallbarren lagen bereit, die Kristalle, ein kleiner Vorrat mit Sikroben ・ also alle Zutaten, die für das Experiment „Außerirdischer Kontakt・ nötig schienen. Noch warteten sie darauf, dass sie jemand aufeinander losließ.
Jens・L Antrag auf Beurlaubung Dienst war genehmigt worden. Er hatte ihn schon vor Wochen gestellt.
Ich zog mich an, Julia rannte hinter mir her. An diesem Tag zur Schule? Nein, danke! „Klar bleiben wir hier.・ Natürlich wollten auch die vier Klonies nicht weg.

Janine und Jens versuchten anfangs den Blick in den Garten zu meiden. Ein Schöne-Miene・zum-bösen-Spiel-Machen-Spiel. Über viele Jahre hatten sie ihr Grundstück absichtlich verwildern lassen. Es lag weit von der eigentlichen Siedlung. Ein Neubau wäre auf dem Gelände schon vor Jahrzehnten nicht mehr genehmigt worden. Da fiel die Wildnis keinen neidischen Nachbarn auf. Aber jetzt hatten die Testuden von dem riesigen Wildgarten Besitz ergriffen. Der private Urwald war weg. Der Platz reichte einfach nicht aus für ein Nebeneinander irdischer und außerirdischer Biologie. Die Testuden hatten schon fast alle Pflanzen auf dem Grundstück gefressen oder niedergewalzt, das war nicht zu unterscheiden bei diesem Hügel. Es gab ja kaum einen Flecken Boden ohne Testuden darauf. Den angrenzenden Sumpf hatten sie gleich mit eingeebnet.
Ich begann also meine erste Versuchsreihe, bevor ein anderer die Initiative an sich reißen konnte. Ich wollte überprüfen, wie gut sich diese Wesen steuern ließen. Wie Tiere vielleicht, die man mit Lohn und Strafe dressierte? Wir bekämen auf keinen Fall genügend Silitfutter zusammen. Nicht einmal irgendeinen Ersatz. Ein Problem, für das ich noch keine Lösung wusste ・ es sei denn, dieser Hollberg ließ sich einspannen.
Ganz kurz hob ich die Abschirmung des Kristalls auf. Tausende Testuden rollten auf mich zu. Ich deutete auf einen noch verbliebenen jungen Apfelbaum. „Das kann man fressen.・
Siehe da: Die Wesen nahmen das Angebot an. Offenbar überwand der Kristall ihre Beschränkung auf Silitprodukte.
Wohin ich auch mit dem Kristall zeigte, die Schildkröten stürzten hin. Wie riesige, flugunfähige Heuschrecken fielen sie über ihre Nahrung her. Allerdings ・c bald war nichts mehr da, wohin ich sie noch hätte schicken können. Alle Pflanzen waren gefressen.
Die vier Klonies hatten die Testuden entsetzt und neugierig zugleich beim Fressen beobachtet. Jens war erst sehr skeptisch, als seine beiden Töchter unbedingt nahe an die Viecher heran wollten.


Das änderte sich beim Fressen. Da erinnerten sie an überhaupt keine bekannten Tiere. Ihnen fehlten erkennbare Organe mit fester Funktion oder ein Skelett und Gliedmaßen zur Fortbewegung. An einen Baum gedrückt verformten sie ihr Vorderteil. Es wurde ein Auswuchs sichtbar, der sich wie ein Rüssel an den Stamm ansaugte. Danach wurde der Rumpf vorübergehend schlanker. Jule vermutete, dass er sich in dieser Zeit wie ein Wurm in den Stamm hineinbohrte. Auf jeden Fall höhlten die Testuden den Stamm aus, bevor sie sich über die zurückbleibende Rinde hermachten. Kleinere Futterreste umschlangen sie, indem sie ihre vordere Körperhälfte zu einem Trompetenrohr formen und dann wie ein Maul dahinter wieder zusammenzogen. Waren sie damit fertig, sahen sie den irdischen Schildkröten wieder ähnlich. Sie hatten auch so einen Panzer Rücken.
Jens grauste es. Wenn es denn Lebewesen waren, mussten sie bald unstillbaren Hunger bekommen. Jetzt, wo sie sich nicht mehr auf Silitprodukte beschränkten, war nicht auszudenken, was die nächste Stufe ihrer Entwicklung sein würde. Da sollte er seine Kinder an dieses Monstervolk heranlassen? Trotzdem versuchte ich, ihn zu beruhigen: „Mach dir keine Sorgen. Sie lassen sich doch mit dem Kristall einfach dirigieren. Notfalls können wir den immer noch verhüllen. Wirst sehen, dann erstarren alle. Aber das wäre keine Lösung.・
Die Stunden vergingen. Inzwischen hatte sich eine Sylvia Mauerbach bei Jens gemeldet. Sie stellte sich als Rechtsanwältin vor und bot an, ihn in allen Streitfragen gegenüber dem Staat rechtlich zu vertreten. Vor allem in grundsätzlichen Fragen des Eigentumsrechts. Janine und Jens sahen sich befremdet an. Bedankten sich höflich. Mich ließ die Dame in der Ecke stehen wie einen wurmstichigen Kleiderschrank. Als sie sich auch noch nach einem Raum im Haus als Unterkunfts- und Büroraum für sich erkundigte, merkte ich, wie Janine und Jens aufatmeten. Dagegen konnten sie ein unverfängliches Argument vorbringen: Sie hätten schon den Leiter der Anti-Testuden-Einsatzkräfte Hollberg bei sich einquartiert, und dank Sonja und der sechs Mädchen hausten sie hier ja zur Zeit ohnehin richtig beengt. Von wegen, sie befänden sich in einer Art Belagerungszustand von sicherheitsrelevanter Bedeutung für ganz Europa; da seien außergewöhnliche Schritte selbstverständlich.
Mir war es eigentlich peinlich, zusammen mit den Klonies als belastende Kinderschar vorgeführt zu werden. Nachher konnte ich grinsen und meiner Empörung freien Lauf lassen: „So eine aufdringliche Klofliege. Welche Fragen des Eigentumsrechts könnte die wohl meinen?・ Zweifelnd sah ich Jens an.

Also auch Jens, dachte ich.






Jens erntete eine gespielte Faust zwischen seinen Rippen, und diese Frau Mauerbach bekam in den folgenden Stunden nichts als nichts sagende Freundlichkeiten. Jens und Janine hofften beide auf eine baldige positive Wendung.
Sonja kam aus der Schule zurück, und sofort schickte Jens sie wieder los. Sie sollte heimlich einige Rechercheaufträge an Granzner und einen zweiten zuverlässigen Mitarbeiter seines Reviers weiterleiten. Außerdem ein Anwaltsbüro auskundschaften, das wirklich für uns arbeiten würde.
Ich probierte mit den Testuden immer neue Kunststückchen. Je mehr diese außerirdischen Schildkröten an dressierte Hunde erinnerten, umso begeisterter hüpften die Klonies herum. „Papa, guck mal: Die verstehn Marie!・ rief Sina. Was hätten sie sonst denken sollen, als ich wie ein Dompteur mit ausgestrecktem Arm nach oben zeigte und mehr als ein Dutzend der Wesen sich halb aufrichteten. Den ersten Schreck organisierte ich mir in der nächsten Runde. Ich deutete nach unten und rief: „So eine verfressene Bande! Warum fresst ihr nicht gleich Wurzeln und Boden mit?・
Wie auf Kommando hatten die Wesen in kürzester Zeit eine Grube ausgefressen.

Sowohl die Testuden als auch die Kristalle verschlangen die Sikroben samt ihrem Brei. Die schnell wachsende Grube zögerte die unvermeidliche Entscheidung nur unwesentlich hinaus.
Ich bereitete das nächste Kunststück vor. Immer wieder prüfte ich, ob ich noch alles unter Kontrolle hatte. Nur so zum Testen schob ich mehrmals kurz den die Hülle über den Mutterkristall herüber und wieder herunter. Augenblicklich erstarrten alle Testuden. Ein stilles, starres Buckelfeld. Dann bewegten sie sich wieder, erstarrten erneut.
Was sollte also geschehen? Ich konnte doch jederzeit alles abschalten ・c Hoffte ich.
Plötzlich schob sich einer der Testuden geradewegs auf das Labor zu und ein anderer auf mich.. Für einen Moment ging mir durch den Kopf, aha, jetzt nimmt der erste sich die Barren vor. Ich sah also eher neugierig zu den seltsamen Bewegungen dieser Halbkugel herüber. Darauf hatte ich ja die ganze Zeit gewartet. Was würde passieren, wenn ・c
Aber ・c was sollte denn das? Der strebte ja gar nicht zu den Barren, der steuerte genau auf die zwei aneinander lehnenden Kristalle neben der Labortür zu! Den Steuerkristall abdecken, ich muss sofort den Steuerkristall abdecken. Aber plötzlich hüllte mich von allen Seiten ein ohrenbetäubend schmerzhaftes Sirren ein. Ich musste mir einfach die Ohren zu halten und ließ meinen Kristall los. Darauf schienen die Testuden gewartet zu haben. Der, der gerade auf mich zugekommen war, nun unmittelbar neben mir gestanden hatte, formte sein Trompetenrohr. Bevor ich irgendetwas tun konnte, war mein Kristall darin verschwunden. Ich hörte einen Schrei. Sina, Leo, Janine, Jens, ・c wahrscheinlich alle zusammen. Sie beobachteten das Geschehen hilflos von der Veranda aus. Chancenlos weit weg.
Zur Labortür! Die beiden anderen Kristalle standen dort noch aneinander gelehnt. Ich wollte sie buchstäblich in letzter Sekunde vor den anrückenden Trompetenrohren wegschnappen! Das ging mir noch durch den Kopf. Ich wollte loslaufen, doch ich konnte mich nicht rühren. Wie von unsichtbaren Schlingpflanzen an meinen Platz gebunden sah ich zu, wie auch die anderen beiden Kristalle verschlungen wurden. Verschlungen?
Nein. Die Trompetenmäuler öffneten sich wieder. An der Stelle, wo die Testudenkörper die Kristalle berührten, loderten blaugrüne Stichflammen auf. Seltsamerweise ließ meine Starre im selben Moment nach. Ich hätte loslaufen können. Aber wozu? Ich sah scheinbar völlig entspannt zu, was sich weiter am Labor abspielte.
Der erste Testude dort nahm wieder seine normale Form an. Der, der den Steuerkristall umschlungen hatte, schleuderte ihn zurück neben die anderen beiden. Ein dritter streckte seine Fühler aus. Der erste wartete. Nachdem vier Testuden Kontakt zu den Kristallen gehabt hatten, näherten sie sich mit ohrenbetäubendem Sirren der Labortür.
Ich brüllte plötzlich auf: „Ich komme!・
Wie von den Kristallen ferngesteuert sprang ich los und riss die Tür des Labors für die Testuden auf. Jens und die anderen schrien entsetzt auf. Ich drehte mich zu ihnen um, um ihnen zuzurufen, sie brauchten sich nicht aufzuregen. Die Worte stockten. Das war ein Bild: Jemand hatte auf der Veranda den Film angehalten! Ringsum bewegte sich alles. Jens und die anderen aber standen puppenstarr fremd in der Landschaft. Hatte ich vorher etwa auch so dagestanden?
Die vier Testuden schleppten den für sie gewaltigen Silitbottich mit den Reservetröpfchen nach draußen. Dazu fuhren sie bewegliche Verdickungen aus, Armen und Beinen mit Händen und Füßen nicht unähnlich. Die Wesen schütteten den Bottichinhalt in die vorher geschaffene Grube. Die Sikroben bewegten sich lebhaft, ja hektisch. Es zischte und sprudelte.
Ich ahnte es schon. Meiner Familie erging es genauso wie mir zuvor. Plötzlich verschwanden auch bei ihr die unsichtbaren Fesseln. Sina und Leonie waren mitten im Laufen erstarrt ・ nun riss der zurückgehaltene Schwung sie nach vorn. Mit nach rechts und links ausgestreckten Armen wie beim Balancieren über ein Seil tänzelten sie der Grube entgegen. Ich bekam sie gerade noch rechtzeitig zu fassen.
Jens brüllte mich von hinten an: „Bleibt stehen; es hat keinen Sinn, da ran zu gehen. Die silizieren den Untergrund.・ Also hatte auch er so eine Blitzvision gehabt.
Mit einer Einschränkung stimmte alles: Schon nach etwa zwei Minuten schwammen aufgeschäumte Schollen an der Oberfläche. Sie quollen fast über den Rand der Grube. Von nun an bewegten sich die Testuden abwechselnd zu dieser Futterkrippe. Andere nahmen Kontakt zu den drei Kristallen auf. Danach begannen sie, die Barren zu bearbeiten. Einige arbeiteten wie Spinnen. Sie verwandelten die massiven Metallklumpen in hauchfeine Fäden. Wieder andere formten Stangen oder ganze Gerippe. Einige weitere vereinten mehrere Brocken aus verschiedenen Grundstoffen zu einem und walzten diesen zu einem großen Blech.
Nach dem Kontakt der Testuden zu den Kristallen hatte ich meine Macht über sie verloren. Sie duldeten keinen Menschen mehr in der hinteren Grundstückshälfte, sprich, ich hatte auch keine Chance, meinen Steuerkristall zurückzuholen. Als erstes setzten sie Wächter ein. Sobald sich ein Mensch ihrer Meinung nach zu weit in Richtung Baustelle bewegte, drängten sie ihn einfach zurück. Schließlich hatte eine kleine Bauarbeitergruppe eine mächtige Platte fertig. Sie war extrem dünnwandig und man konnte wie durch eine Fensterscheibe hindurch sehen. Das durften wir. Mehr nicht.
Die Testuden bauten etwas Riesiges. Es erinnerte an einen mächtigen geometrischen Kristallpalast mit verschiedenen Geräten darin. Manchmal klang es, als hätten fünf mechanische Produktionsanlagen gleichzeitig den Betrieb aufgenommen, Augenblicke später herrschte totale Stille.

Ich strich verlegen mein Kleid glatt und gab leise zu bedenken: „Im Augenblick frage ich mich eher, warum ich in diesem Moment überhaupt wieder reagieren konnte. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie es verhindert. Glaub nich, dass sie Sina und Leo verschlingen wollten.・


Jens nickte. Traurig holte er die vier Klonies zusammen. „Ihr werdet von nun an den Bauarbeiten nur durch geschlossene Fenster hindurch zusehen, wenn überhaupt. Ihr bekommt jeder ein extra starkes Fernglas dafür.・ Er verzerrte dabei sein Gesicht wie bei Zahnschmerzen. Gab nicht zu, wie sehr er unter seiner Forderung litt. Eine Weile stand ich wortlos daneben. Dann murmelte ich: „Wenn es meine Kinder wären, ・c・ und dann lauter zu den Klonies: „Kommt! Mal sehen, von wo aus wir am meisten erkennen.・
Vor der Entscheidung
D
Er redete viel selbst ・ das unterschied ihn von den meisten Reportern ・ aber keiner begriff so recht, was er eigentlich wollte. Er wurde ja letztlich erst richtig aktiv, nachdem die Fernsehsender ihren großen Flop erlebt hatten.
Die Testuden beherrschten nämlich eine besondere optische Technik. Deren Ergebnis war, dass jeder, der persönlich hier draußen herum lief, mit seinen Augen sah, was sich hinter dem Blech abspielte. Die Geräte der Foto- und Filmfritzen übertrug aber nur schwarze Flächen. Selbst das Fernsehen scheiterte. Manchen Kameraleuten stand die geile Gier wegen ihrer Bilder richtig ins Gesicht geschrieben. Ihre Liveübertragungen mussten trotzdem abgebrochen werden. Die Bildschirme zu Hause blieben leer.
Damit begann die Zeit dieses Jarwinkel. Er hatte ein phänomenales Gedächtnis und geeignete Helfer sowieso. Sein Team fertigte massenweise Skizzen. Konstruktionen, Halbfabrikate, alles, was die Testuden Tag für Tag Neues schufen. Die Zeichnungen waren richtige graphische Kunstwerke. Was das war, was Jarwinkels Leute so fotografisch exakt abmalten, wusste keiner. Nur dass dieses monumentale Kunstwerk einen praktischen Zweck haben musste.
Das Objekt ähnelte am ehesten einem in den Himmel wachsenden Schloss voller Technik. Neuschwanstein für den Mars. Kein Raumschiff, keine Triebwerke oder aerodynamische Formen. Eine Station für den Kontakt mit der Heimat dieser Außerirdischen? Ein Sender?
Ich versuchte ein paar Mal ins Gespräch mit Reportern zu kommen, die im Auftrag von Fachzeitschriften gekommen waren. Manche stellten ja nicht nur Fragen, sie beantworteten auch welche. Aber keiner schien klare Vorstellungen zu haben oder seine Spekulationen vor mir ausbreiten zu wollen. Eine Kontaktstation war wenigstens eine Idee, bei der sich ihnen nicht gleich die Haare sträubten.
Jarwinkel war da ganz anders. Aus ihm war nie eine eigene Meinung herauszuholen. Einmal hörte ich ihn zum Beispiel mit Jens streiten, als die beiden sich als erste an den langen Mittagstisch gesetzt hatten. „Verstehen Sie, Herr Marder, die Vereinten Nationen tendieren nach den bisherigen Erfahrungen dazu, als Ergebnis dieser Kontaktaufnahme mit der Invasion einer uns überlegenen Zivilisation in Betracht zu ziehen. Vielleicht ist das Bild, das Berlin vor wenigen Wochen geboten hat, ein Vorgeschmack dessen, was dann der ganzen Erde blüht.・
Ich mochte ihn nicht. Ich mochte das aber auch nicht offen zeigen. Deshalb nahm ich mir vor, mich nicht in das Gespräch zu mischen. Er hätte mich sowieso nicht ernst genommen. Ein Mann Mitte fünfzig, der den Eindruck hinterließ, als wollte er künstlich älter wirken. Laufend rückte er seine Hornbrille zurecht, ein Ding, das in irgendeinem der vergangenen Jahrhunderte modern gewesen sein mochte. Dann die grau melierten Haare um die Mönchslichtung und sein leicht gekrümmter Rücken ・ ein Gnom.
Jens saß rechts neben ihm, links Janine und Sonja, Jule hantierte mit den Klonies in der Küche. Ich setzte mich auf meinen Stammplatz am Fenster zum Garten.


In Jens・L Gesicht zuckte es. War dieser schnatternde Gnom überheblich! In sein Gesicht hatte jemand ein Grinsen eingemeißelt, das seltsamerweise manche für ein einnehmendes Lächeln hielten.
Jarwinkel hatte Papiere vorgelegt, in denen die Verwaltung der Vereinten Nationen bestätigte, dass er dort angestellt und mit einem besonderen Auftrag nach Brandenburg geschickt worden sei. Mehr nicht. Vielleicht hielt sich Jens deshalb zurück: „Egal, wie ausschlaggebend Ihre Meinung für die Weltgeschichte ist, Sie sollten auch andere Überlegungen einbeziehen: Vielleicht war alles Bisherige nur ein Missverständnis, Folge einer falschen Behandlung durch uns. Ein Urmensch, dem man ein Sprechfunkgerät in die Hände gäbe, um ihm zu sagen, damit könne er sich mit seiner Sippe jenseits der Berge verständigen, würde mit ihm ja auch zuerst gegen seine Trommel schlagen.・
Ich presste mir die Daumen blutleer. Ich hatte mir vorgenommen, nichts zu sagen, also sagte ich nichts. Das war Diplomatie. So wird man erwachsen.
Jarwinkel spielte mit seinen Raucherfingern am Bügel seiner Brille. Mitleidig sah er Jens an.

Wenigstens jetzt hätte Jens bluffen können. Aber nein. Er antwortete: „Ich gebe zu, auch ich kann mir das nicht erklären.・
Jarwinkel grinste nur.

So zurückhaltend sprach man also mit so einem wichtigen Tier, überlegte ich. Ich hätte ihn einfach rausgeworfen. Am Ende ist auch er nur ein Spion dieser Petra Herbst.

War der verrückt? Meinte der, der Menschheit wäre nach einem interstellaren Krieg?


Also alles umsonst. Kein Kontakt. Wahrscheinlich nie.
Nein, ich beherrschte mich. Weiß ich, woher ich die Kraft nahm. Vielleicht, weil Jens sich auch beherrschte. Er zögerte lange mit einer Antwort, und bevor er dazu kam, riss Leo schon die Tür auf. „Papa, komm mal gucken!・
Alle liefen hinter ihr her. Blieben verblüfft stehen. Bestimmt hätte sich Jens ohne das Gespräch mit dem Gnom zurückgehalten. So aber ließ er seiner Schadenfreude freien Lauf. Es war ein befreiendes Lachen. Und wenn ich sagte, ich musste lachen, dann wäre das extrem untertrieben. Mir liefen die Tränen in Sturzbächen übers Gesicht ・ endlich brauchte ich keine diplomatische Rücksicht zu nehmen.
Vor unseren Augen erfolgte gerade die erste Konfrontation zwischen der Macht der Menschen und der jener Fremden. Nichts Militärisches. Einer der auf Sensationen ausgerichteten Fernsehsender hatte nur überlegt, wie er die Bildsperre der Fremden überwinden könnte. Er hatte einen Helikopter geholt. Der hätte die Mauer einfach überfliegen und Bilder von oben liefern sollen. Hoch genug war er aufgestiegen. Aber dann ・c
Ich konnte durch mein Fernglas alles besonders gut erkennen: Die Fremden mussten so etwas Ähnliches wie einen unsichtbaren Kegel nach oben geschaffen haben. In dem hing der Helikopter fest. Die Flügel drehten sich, die Schallwellen drangen aber nicht nach unten und der Helikopter stieg gerade aufwärts. Genau in dem Moment, als Jens sein Fernglas Jarwinkel weitergab, schleuderte etwas Unsichtbares das Fluggerät im Bogen aus dem Kegelbereich, wobei seine Flügel sich nun unten drehten.

Wutentbrannt drehte sich Jarwinkel weg. Wenigstens an diesem Tag blieb uns seine Anwesenheit am Familienmittagstisch erspart. Leo schwärmte. Immer wieder beschwor sie das Bild des in der Luft umgekippten Hubschraubers herauf. „・c und dann ・ dshummm! ・ ballert er auf n Kopp. Herrlich. Sonja, da hast du was verpasst. So schön kriegen sie das in keiner Flugschau hin.・
Wie gewonnen so zerronnen
M
Ein Geräusch.
Ein Geräusch, das ・c Schlich da jemand im Haus herum? Es kam vom Kinderzimmer nebenan. Seitdem die Testuden den Garten erobert hatten, hausten Jens・L Klonies wieder dort.
Mich durchschoss ein Verdacht. Das fehlte gerade noch, dass so ein Fotofuzzi unsere Kleinen im Nachthemd für sein Schmutzblatt ablichtete! Bloß, weil sie keine guten Livebilder bringen konnten. Na warte: Du wirst dein falsches Auge mit dem Besen von der Treppe fegen ...
Die Geräusche klangen irgendwie fremd, aber deutlich. Leise knarrten die alten Dielen.
Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter, setzte zum Sprung an und ・c musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten.
Es waren Sina und Leonie. Mit nach vorn gestreckten Armen setzten sie immer einen Fuß vor den anderen ・ wie eine Mischung aus Schlafwandler-Slapstick und Weißer Frau.
Nein, ich wägte nicht ab, wie ich sinnvoll auf diese Erscheinung hätte reagieren müssen. Die beiden patschten ganz langsam vorwärts, fast wie in Zeitlupe. Mir kam es trotzdem viel zu schnell vor. Ich hätte natürlich einfach brüllen können. Das hätte sie bestimmt geweckt. Aber dann? Nein, das kam nicht in Frage. Und Hanna und Nanette? Sonjas Zwillinge? Unsere Schwestern? Wir gehörten doch zusammen, oder?
Ich fühlte mich beobachtet. Lauter unsichtbare Augen.
Also ・c Waren die andern beiden noch da? Für Jens・L Klonies allein wäre die fremde Heimat doch so einsam fremd.
Ich schlich, so schnell ich konnte, zum Doppelbett von Hanna und Nanette. Beide schliefen ruhig. Ich richtete mich auf, drehte mich um und wusste plötzlich, was ich zu tun hatte. Ich rannte die Treppe hinunter. Sina und Leo patschten schon auf der Veranda auf das Bauwerk der Fremden zu. Bestimmt wären sie durch die Schutzplatte geschritten wie durch einen lauwarmen Regen. Dann hätte sie niemand mehr zurückgeholt.
Ich sprintete, drückte mich zwischen die beiden und packte sie an den Armen. Sie wachten nicht auf. Willenlos ließen sie sich zu ihren Betten führen. Ich griff ihre Decke, hüllte sie ein, als wollte ich sie ans Bett fesseln und legte mich auf den Fußboden vor die Kinderzimmertür. Trotz meiner Erregung und obwohl ich keine harte Unterlage gewohnt war, schlief ich ein. Mein letzter Gedanke war noch, die Tür ginge nach außen auf und drückte mich so zur Seite, dass ich davon garantiert wach würde.
Am nächsten Morgen tat mir das Kreuz weh. Kaum munter, quälte mich das. Ob sich alte Leute immer so fühlten? Trotzdem genoss ich die Gelegenheit, mich in ungewohnter Frühe ungestört zurechtzumachen. Nein, über diese Nacht würde ich mit niemandem reden. Oder vielleicht mit Jule. Dieses Gefühl. Dieses unbestimmte Gefühl ・c Als ob mir jemand die Frage gestellt hat, was ist menschlich. Hatte ich geantwortet? Ich wollte doch nur ・c Nein, ich hätte nicht einmal genau sagen können, was ich in jener Nacht gewollt hatte. Nur so vom Gefühl wollte ich die Schwestern hier behalten. Bei Janine und Jens. Zum Beispiel.
Ich weckte die Klonies, ging in die Küche und bereitete zusammen mit Janine den Tisch vor. Plötzlich stürmte Sina zur Tür herein.

Draußen hatte sich ein aufgeregter Pulk versammelt. Jens sah sich ungläubig um. Fernsehleute brüllten in ihre Mikrofone, ohne auf die Hinzukommenden zu achten. Ihre Stimmen überschlugen sich. Viele von ihnen hatten sich daran gewöhnt, ins frühe zwanzigste Jahrhundert versetzt worden zu sein und mit der Stimme eines Radioreporters die Wirkung nicht vorhandener Bilder zu ersetzen. Andere bemerkten Jens und wollten ihn ins Bild bekommen. Nun traf auch Jarwinkel an der Spitze seiner Gruppe ein. In den Mittagsnachrichten gingen Jens・L und Jarwinkels Gesichter um die Welt.

Jarwinkel hatte sich schnell gefangen. „Glauben Sie mir, junger Mann, ich weiß es nicht. Aber manchmal hätte ich auch das Bedürfnis, meine Arbeiten wieder zu verschlingen, wenn mir so aufdringliche Leute wie Sie über die Schultern blicken.・
Die fremden Wesen fraßen ihre riesige filigrane Konstruktion von oben nach unten spurlos weg. Keine Verwüstung, nichts. Keine Möglichkeit zum Eingreifen. Als ob ein Film rückwärts ablief, bei dem Stange für Stange, Platte für Platte, Mauer für Mauer wieder in den Körpern der zum Teil auf einen Meter Durchmesser angeschwollenen Halbkugeln verschwand. Die Testuden schlangen mit der Gleichmäßigkeit eines Uhrwerks. Von den Menschen wagte keiner laut über die Ursachen, erst recht nicht über das Danach zu spekulieren.
Als sich im Haus abends alle schlafen gelegt hatten, stand ich wieder auf. Ich legte mich an denselben unbequemen Platz wie in der letzten Nacht. Vor die Tür des Kinderzimmers. Sollte eins der Klonies ausgerechnet in dieser Nacht zum Pinkeln raus wollen, würde mir schon eine Erklärung einfallen. Aber nichts geschah. Am nächsten Morgen standen draußen nur noch ein paar Grundmauern.
Die Reporter trauten dem neuen Frieden noch nicht. Es könnte ja wenigstens irgendwo ein unsichtbares Feld übrig geblieben sein. Bloß wozu? Die Fremden hatten sich offenbar gegen einen Kontakt entschieden.
Ein Hubschrauber der BBC flog das Grundstück von der Seeseite an. Er kreiste über dem kleinen Ruinenfeld, als wäre dies eine ganz normale Sache. Von der unsichtbaren Kraft, an der zuvor die anderen gescheitert waren, war nun keine Spur zurück geblieben. Der Sender erntete so ein Trostpflaster: Er lieferte die ersten Livebilder der außerirdischen Bautätigkeit. Zumindest von dem, was jetzt noch zu sehen war. Immerhin die einzigen direkt gefilmten Reste der Baustelle überhaupt. Innerhalb der nächsten vierzig Minuten waren auch sie verschwunden. Die letzten aktiven Testuden zernagten die durchsichtige Absperrung. Dann krochen sie zu dem riesigen Haufen vor dem kleinen Labor. Die meisten anderen waren bereits in Starre verfallen.
Hier war bis vor kurzem noch ein verwilderter Garten gediehen. Da hatten sich die Alten so mühsam hindurch kämpfen müssen, dass sie nach einem System von Lichtschranken nur super brave Mädchen am Labor antrafen. Heuschreckenschwärme hätten wenigstens Baumstämme übrig gelassen. Hier war selbst der Boden der Grube sorgfältig geglättet. Wie ein Rollfeld für Flugzeuge.
Auf dem Grundstück hasteten die ausdauerndsten Reporter hin und her. Kameras übertrugen letzte Bilder des Bauernhauses in alle Welt. Andere glitten über das dunkle Buckelfeld der reglosen Testuden. Das wirkte gespenstisch, aber bald langweilig. Es bewegte sich ja nichts mehr. Die Reporter verabschiedeten sich. Kleine Interviews, Großaufnahmen meist mit Jens・L von Trauerfalten übersätem, gealtertem Gesicht im Mittelpunkt. Einem tat ich den Gefallen. Ich posierte für seine Kamera, ging zu einem Testuden und streichelte den leblos auf den Boden geklatschten Haufen.
Die Schlagzeilen der überregionalen Nachrichten teilten sich inzwischen die frisch entbundene Prinzessin Sonya Golja und die Raketeneinschläge in einer der Favelas am Rande von San Sebastian de Bahia. Immerhin dauerte es zehn Tage, bis Sternekop ganz aus den internationalen Medien verschwunden war.
Jarwinkel war geblieben. Man hätte es für taktvoll halten können, weil er sich mit Bemerkungen zurückhielt, gerade so als trauerte er mit uns. Aber als endlich keiner der Reporter mehr zu sehen war, ließ er seine Katze aus dem Sack: „Für mich wird es jetzt auch Zeit, von hier zu scheiden・, sagte er zu Jens. „Einer Aufgabe muss ich mich aber noch widmen. Ich bin befugt, die gesamten starren Metallwesen einschließlich der inaktiven Kristalle für einen Gesamtpreis von sechs Millionen Euro im Namen der Vereinten Nationen zu erwerben. Wir werden uns bemühen, den Abtransport so unaufdringlich wie möglich zu gestalten. Die Zahlungen erfolgen verteilt auf zehn Jahre. Entsprechende Vertragsdokumente sind bereits vorbereitet.・
Jens senkte den Kopf. „Das kann ich nicht allein entscheiden. Würden Sie mir einen Tag ungestörter Ruhe im Kreis meiner Familie gönnen?・

Klassische Floskel Marke Politiker. Das Eine sagen, das Gegenteil meinen. Aber was hätte Jens antworten sollen? Für ihn kam das Angebot unerwartet. Vor allem aber war er innerlich so leer wie das Feld hinter seinem Haus. Aufgeben mit Entschädigung?
Am Abend holte er uns zusammen: Janine, Sonja, Jule, mich.



Jens sah sich unsicher um. „Einmal angenommen, du hast Recht. Man hat uns das freiwillig angeboten. Schau nach draußen! Der Traum von der Begegnung mit den Außerirdischen ist ausgeträumt. Für uns sind nur Minuspunkte übrig geblieben. Ich brauch in kein Revier mehr zu fahren. Das Labor ist leer wie mein Kopf, wenn es um Ideen für die Zukunft geht. Das schließt die Fremden mit ein. Wir leben nun einmal in einer Zeit, wo Geld alles ist. Wenigstens etwas würde uns bleiben.・





Ich folgte diesem Pingpong der Worte aufmerksam. Wenigstens war ich nicht total allein mit meiner Vermutung, dass dieser Gnom auch nur einer von Petras Strohmännern war.


Janine hob die Hand wie in der Schule. „Ich bin eigentlich dagegen, aber Geld ist Geld und viel Geld ist viel Geld und was uns da geboten wird, das ist viel Geld. Stimmen wir ab! Zehn Millionen?・
Jens sah seine Frau verwirrt an. Dann drehte er sich, warum auch immer, zu Jule. Die reagierte prompt: „War schön mit den Schildkröten. Jetzt zuckt da nichts mehr. Wenn ihr meint, so werden wir reich ・c ich bin dafür, wofür ihr seid.・
Tatsächlich kam so etwas wie eine Abstimmung zustande. Langsam ging eine Hand nach der anderen hoch. Zum Schluss hatten alle zugestimmt, das Angebot anzunehmen, obwohl niemand darüber begeistert war. Jens sah richtig erleichtert aus. Er war nicht allein schuld an seinem neuen Reichtum.

Schon in den folgenden Tagen bereuten wir unsere Entscheidung. Jeder auf seine Art. Jule und Jens zum Beispiel wichen mir aus. Als ob ich sie gedrängt hätte.
Ganz Sternekop wurde tagelang vom Dröhnen der Hubschrauber erschüttert. Traurig starrten die Klonies ihnen hinterher. Zum ersten Mal waren die Metallbäuche der an Seilen hängenden Testuden zu sehen. Schwerfällig kämpften die Hubschrauber mit der ungewohnten Last. Eine solche Schildkröte wog mehr als fünf Tonnen, überschlug Sonja. Viele waren in ihrer Fresslust bis zu einem Durchmesser von über einem Meter angewachsen. Gewaltige Ovale, die noch vor kurzem bemerkenswert aktiv die verschiedenen Barren bearbeitet hatten. Nun sahen sie von unten hilflos wie einfache Metallbrocken aus ・ nicht nur wegen ihrer Starre.
In den ersten Tagen, als die ungewöhnlichen Haustiere fort waren, wirkte die Ruhe des leeren Platzes beängstigend. Als Abschiedsleistung hatten die Testuden den ehemals wilden Garten eingeebnet. Silitreste sorgfältig beseitigt. Die Laborhütte stand noch am alten Platz. Daneben ging es einen knappen Meter abwärts. Festgestampfte feuchte dunkle Erde. Je nach Laune konnte man darin eine Startrampe für einzelne Raketen sehen ・ das war die verrückte Variante ・ den Einschlagskrater einer Superwaffe ・ das war die von Jens im Moment bevorzugte depressive ・ oder eine Grube, die auf das Fundament eines neuen Superbauwerks wartete ・ das wäre die optimistische Variante gewesen.
Am Achtundzwanzigsten ging die erste Rate auf Jens・L Konto ein. Er teilte alles gleichmäßig auf ・ das Weitergeben eines Teils der Beute beruhigte ihn. Janine stimmte ihm zu. Als erstes würden sie den Garten wieder bepflanzen.




Sollte ich ihnen doch von den Schlafwandlerinnen erzählen?
Da schaltete sich Julia ein. „Wir hatten nur ein Teil der Kristalle. Das reichte nicht für die Verbindung zur Heimat dieser Wesen.・


Eine Tür schlug zu. Sina kam. „Wir müssen los. Scheiß Schule.・
Jule merkte nicht einmal, dass ich plötzlich lächelte. „Ja, wir müssen. Lernen.・
Ohne Kristalle würden die Klonies vielleicht ganz normale Kinder werden. Na gut ・c was ist schon normal?
Hm.・
Du siehst es also auch so. Und jetzt hat Petra alle. Irgendwie schafft sie es bestimmt, dass sie für ihren Reichtum arbeiten.・
Was meinst du, warum die alles abgebrochen haben?・
Ich freu mich ja auch.・ Jens lächelte sauer. Ob wirklich alles überstanden war? Der eingetretenen Stille traute er nicht.
Wenigstens haben wir sie behalten.・
Janine, mitunter gibt es Geheimnisse, hinter die kommt man eben nicht. In welcher Beziehung die Zwillinge zu denen gestanden haben zum Beispiel, werden wir nun nie erfahren.・
Sie werden es nicht bereuen・, sagte Jarwinkel. Der Erhöhung auf zehn Millionen stimmte er ohne Zögern zu. Wahrscheinlich durfte er wesentlich höher gehen, wenn wir uns nur der Höhe wegen gegen sein Angebot gesträubt hätten.
Ich freue mich schon, dass sie uns keine prügelnde Diebesbande ins Haus schickt, die sich die Kristalle mit Gewalt holt・, widersprach Sonja. „Womit sollten wir dann irgendwelche Besitzansprüche belegen, um einen Raub anzuzeigen? Mit dem, was uns da angeboten wird, können wir wenigstens etwas tun, wenn ich auch noch nicht weiß, was. Ich finde unsere Lage ja selbst schrecklich. Aber wisst ihr was Besseres?・
Du meinst also, wir sollten uns ihr in den Weg stellen?・ Irgendwie erwartungsvoll sah ich meine ehemalige Lehrerin an. Hoffend. Nicht hoffend ・c
Was weiß ich? Armeen können immer mit größeren Händen auftreten. Was wir bisher erlebt haben, war ja eine völlig neue Art von Krieg. Gut gesteuert ließen sich damit unliebsame Nachbarn auf natürliche Weise ausschalten, Staaten, Regionen, was auch immer. Trotzdem. Es ist nur so ein Gefühl, aber für mich käme Petra am ehesten in Frage. Einmal angenommen, sie hat einen Weg zur Nutzung der anderen Kristalle gefunden ・ und wir sind einmal davon ausgegangen ・ dann begründete der Besitz der restlichen für sie ein absolutes Monopol. Dafür würde es sich schon lohnen, richtig was springen zu lassen.・
Und wer steckt deiner Meinung nach dahinter?・
Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass das Angebot wirklich von der UNO kommt. Die ist immer in Geldnöten. Einmal abgesehen davon, dass, wenn er sechs Mille anbietet, er bestimmt Vollmachten für mehr als zehn hat.・
Nein, wieso?・
Hast du eigentlich diesen Vertragsentwurf der Vereinten Nationen schon gesehen?・ Sonja fragte das unerwartet zurückhaltend.
Es sind unsere Wesen ・c nein, sie gehören niemandem, also kann sie auch keiner verkaufen.・
Ich habe mich selbst gewundert. Von den Barren im Keller weiß er nichts. Die sind also nicht dabei. Ob die da draußen noch jemals etwas anfangen, kann keiner sagen.・
Was hat er geboten? Sechs Millionen? Hast du dich da nicht verhört?・ Sonja sprang auf.
Aber natürlich, Herr Marder. Ich will Sie nicht drängen.・
Herr Doktor, wie deuten Sie es, dass die Fremden angefangen haben, ihr eigenes Bauwerk zu vernichten?・
Kommt schnell! Die fressen alles wieder auf!・
itten in der nächsten Nacht wachte ich auf. Lauschte.
Hoffentlich schleudern die Ihnen Ihre Antimaterie nicht auf dieselbe Weise zurück. Sie könnte Unbeteiligte treffen.・ Jetzt konnte also auch Jens sich nicht mehr zurückhalten.
Darauf müssen wir es notfalls ankommen lassen. Vorerst haben wir beschlossen, in der Stratosphäre alle von hier abgehenden Signale zu blockieren. Sie werden das Sonnensystem nicht verlassen. Wir hoffen, sie vorher noch zu entschlüsseln. Sollten Sie mit Ihrer Friedlichkeitsvermutung Recht haben, dann finden wir das heraus. Bis dahin ist Ruhe!・
Wenn Sie einräumen, dass wir es mit einer im Vergleich zu uns Menschen höher entwickelten Intelligenz zu tun haben, die das hier erdacht hat, meinen Sie nicht, dass die dann auch unserer Waffentechnik überlegen ist?・
Herr Marder, an einem werden Sie uns nicht hindern: Wir werden entscheiden, was passiert. Und wir werden unsere Entscheidung durchsetzen. Auf Ihr Grundstück sind Laserwerfer, Antimaterie- und konventionelle Präzisionsgeschosse gerichtet. Da ist sicher das Richtige darunter. Sie sollten das Haus also verlassen.・
Also technisch unterlegenen Fremde gegenüber würden wir Menschen wohl zuerst etwas vorführen, womit die sich am wahrscheinlichsten von einer freiwilligen Unterordnung unter unsere Macht überzeugen ließen. Eine eindrucksvolle Machtdemonstrationen, egal welcher Art. Das haben wir fast vor jedem unserer Kriege so gemacht. Warum sollte das bei fremden Intelligenzen anders sein, noch dazu bei höher entwickelten? Schließlich bringt jeder Kampf auch für den Sieger Verluste.・
Aber Herr Marder! Wir vermuten beide eine technisch überlegene Zivilisation. Ist es da nicht nahe liegend, dass diese Aliens Mechanismen entwickelt hätten, um Schäden infolge unsachgemäßer Nutzung auszuschließen? Bei uns kann auch niemand mehr einen anderen mit dem Fön in der Badewanne umbringen. Es sei denn, er hätte ihn vorsätzlich zu einem Mordwerkzeug umgebaut. Ich unterstelle das den Fremden erst einmal im Interesse unserer eigenen Sicherheit. Oder haben Sie einen einzigen glaubhaften Beleg dafür, dass sie sich mit uns verständigen wollten? Dass sie uns Urmenschen wenigstens eine Bedienungsanleitung für ihr Sprechfunkgerät mitgeliefert haben? Bei friedlichen Absichten wohl das Mindeste.・
Viele, Herr Marder, viele. Ich habe zu beobachten, alles, was sich beobachten lässt. Ich gebe meine Beobachtungen weiter, zusammen mit meinen Interpretationen und Schlussfolgerungen, aber übernommen habe ich die Aufgabe nur unter der Bedingung, dass ich bei eintretenden Extremsituationen auch den Roten Knopf drücken darf.・
Doktor Jarwinkel, ich weiß zwar nicht, welche Vollmachten Sie durch die Vereinten Nationen übertragen bekommen haben ・c・
ie Zeit der Schmeißfliegen begann. Nein, von den Einsatzkräften der Polizei bekamen wir fast nichts zu sehen. Die waren einfach da, hielten sich im Hintergrund und wussten wohl selbst nicht so genau, wozu sie gut sein sollten. Überwachten die Umgebung. Dafür hatten alle Nachrichtensender, die etwas auf sich hielten, ihre Teams geschickt. Dazu Zeitungsreporter, Fotografen ・c Nur, um sie zu veralbern, setzte ich mir einmal eine Kopfmaske mit Antennen als Ohren dran auf ・ schon landete ich auf vielen Titelseiten. Dazwischen fiel Doktor Jarwinkel anfangs wenig auf. Ich war nicht dabei, als er seine Visitenkarte bei den Marders abgab. Sein Stab habe sich in der Nähe einquartiert, er persönlich ziehe aber den unmittelbaren Blickkontakt zum Geschehen vor ・c
Ich auch nicht・, stimmte Sonja zu. Seltsam. Auch bei ihr kam es mir vor, als müsste sie gegen etwas Undefinierbares ankämpfen, so als ob sie ihre eigene Meinung schmerzte.
Trotzdem. Ich möchte meine Kinder nicht noch einmal so nahe bei diesen Wesen sehen.・ Janines Worte klangen gequält, so als ob sie sich dazu überwinden musste, das zu sagen.
Habt ihr das auch gesehen? Ich hatte fast den Eindruck, als würden unsere Zwillinge wie ferngesteuert zu dem Bottich gelenkt. Ein Glück, dass Marie so schnell reagiert hat.・ Jens wischte sich unsichtbaren Schweiß von der Stirn.
Wenn das so weitergeht, haben wir in ein paar Tagen nur noch ein gewaltiges Loch anstelle eines Grundstücks・, sagte Janine kopfschüttelnd. Sie war zufällig zu uns raus gekommen. „Wahrscheinlich schmeckt ihnen unsere Ersatznahrung nicht einmal.・ Ich schwieg. Dann antwortete ich doch noch: „Du brauchst keine Angst haben. Ich pass schon auf ・c・
Ja, ja! Jetzt musst du noch vertrau mir Marie!・
Wenn ich ehrlich bin, ・c ich weiß es nicht. Ich hab es einfach im Blut.・
Wie meinst du denn das?・
Es ist eine Kunst, viel zu sagen, ohne etwas gesagt zu haben. Ich glaube, die Zeit arbeitet für uns. Wenn die da draußen ihren Belagerungsring halten, ohne zuzuschlagen, entscheidet sich der Fall vielleicht bald von selbst. Die Testuden werden schon in den nächsten Stunden etwas ganz Neues machen.・
Ja, aber eine von ihr beauftragte Anwältin könnte vielleicht doch einen Grund finden・, maulte Jens. „Stell dir zum Beispiel vor, die Barren, mit der ihre Mining Corporation handelt, sehen genauso aus wie die aus dem Garten. Janine, auf jeden Fall weiß Petra irgendwas von den Schätzen in unserem Garten. Wie sollen wir sie da blockieren?・
Jens, das ist unsere Chance. Solange Petra uns für so blöd hält, dass wir ihren Maulwurf nicht erkennen, unternimmt sie vielleicht nichts, worauf wir dann nicht vorbereitet sind. Wir halten diese Mauerschwalbe auf dem Trocknen. Ich rede mit den Mädchen, dass sie nichts ausplaudern. Dann sehen wir weiter. Rechtlich fehlt Petra jede Handhabe, in den Besitz der Kristalle oder der Barren zu kommen, und sie weiß, dass wir das wissen.・ Janine hatte sich sonst kaum eingemischt.
Wenn die nicht von Petra geschickt ist, um uns wegen der Barren abzuklopfen, lass ich mich für die Ewigkeit silizieren.・
Stimmt・, ergänzte ich. „Sie sind gutmütig ・ wie irdische Schildkröten eben.・
Aber die greifen doch keine Menschen an・, hatte Leonie erklärt.
Das ist praktischer Unterricht in extraterrestrischer Biologie・, unterstützte ich sie, und begeistert wiederholten sie das Fremdwort. Sonja überlegte einen Moment, ob sie sich unbedingt durchsetzen musste, dann fuhr sie allein zur Schule. Arme Sonja.
ein Schädel summte, als hätte ich mich maßlos betrunken. Ich musste etwas Irres geträumt haben, etwas so Irres, dass mein Gehirn mir die Bilder im Wachzustand auf keinen Fall noch einmal zumuten wollte. Jule schnuffelte neben mir wie ein Baby, dem man gerade den Schnuller in den Mund gesteckt hatte. Es war schon hell draußen, aber ich stellte mir vor, ich schliefe noch. Das Problem: Ein ätzender Gedanke breitete sich gerade in mir aus. Ich hielt eine Zündschnur in der einen und ein Flammen speiendes Feuerzeug in der anderen Hand. Lauter Leute warteten nur darauf, dass ich die Lunte anbrannte, damit sie mir für die Explosion nachher die Schuld geben konnten.
Dann also ・c・
Okay. Ich heiße Hollberg. Machen wir los.・
Die Testuden tun keinem Menschen was. Mir folgen sie. Ich werde sie führen.・ Bei diesen Worten machte ich ein paar Schritte zur Seite. Vor allem bei den vorderen Testuden wirkte das sofort. Wie die Spitze einer Kompassnadel richteten sie sich nach mir aus.
Nun, womit kann ich Ihnen dienen?・
Na, endlich!・ Hollberg drückte drei Tasten und vor ihm auf dem Monitor zeichneten sich mehrere Bildfolgen ab. Es handelte sich um Zeitrafferaufnahmen der Landschaft, in der sich die Testuden seit dem Augenblick bewegten, an dem sie das erste Mal von ihrem ursprünglichen geraden Kurs abgewichen waren. Hollberg verfolgte die Bilder mit wachsender Spannung. Seltsam. Die Richtung auf das Grundstück des observierten Polizeirevierleiters Marder war erhalten geblieben. Der Computer fixierte einen beweglichen Punkt, auf den die Testuden zusteuerten. Hollberg hatte die Schlussfolgerung des Computers, es müsse sich etwas oder jemand vom Grundstück weg bewegt haben, längst begriffen. Damit bekäme die Meldung Reimers・L einen Sinn. Am Schluss zoomte das Bild zu einem nur noch wenige hundert Meter entfernten Objekt. Dort war ein Radfahrer unterwegs. Und dort befand sich im Augenblick der „Magnetpol・ der Testuden.
Quatsch! Deinen Fummel werd ich nehmen: Der kann eine Erfrischung vertragen!・
Nimm doch Maries!・
Nein, wir haben die Handtücher vergessen.・
Was ist denn los? Heute schlecht gefrühstückt?・
Du Scheiße! Sind wir blöd!・ Sinas Stimme schallte über den kleinen See.
eheuer war mir das nicht. Irgendwo in dem künstlich verwilderten Unterholz zwischen Garten und See lauerten sie. Männer. Bewaffnete Männer. Wahrscheinlich ein ganzes Sonderkommando. Sina und den anderen Klonies hatte ich erklärt, sie sollten toben, und zwar so laut, dass das den Männern auffallen musste, die das Grundstück belagerten. Damit die nicht auf mich achteten.
Ich muss mich beeilen. Die Kinder sind gleich wieder zurück. Wirklich!・ Ich war schon an der Tür. Verwundert verfolgten die anderen meine Vorbereitungen. Ich rannte die Treppe hoch, kam aber sofort wieder zurück ・ mit einem Tauchbeutel in der Hand. Auch im Labor blieb ich nur kurz. Ich rannte weiter zum Zelt, aus dem ich nach kaum einer Minute mit den vier Klonies wieder auftauchte. Lautstark stürmten wir auf dem Trampelpfad in Richtung See ...
Marie, mach keinen Quatsch! Sag wenigstens, was du vorhast! Marie ・c・
Nein, umlenken. Ich brauche Sina und die anderen. Nur, um hier unbemerkt wegzukommen, und nur ganz kurz. Frag nicht! Vertraut mir einfach!・
Wie willst du das denn anstellen? Wie ich dich kenne, wirst du die Karawane nicht anhalten.・
Hast du eine andere Erklärung?・
Was meint ihr ・ was machen wir jetzt?・ Jens hatte sich aufgerichtet. „Wir müssen etwas tun, und zwar schnell. Wenn wir den Kristall abschotten, dann geben zwar die Testuden wieder Ruhe, aber wenn Marie Recht hat ・ und das glaube ich ・ dann brauchen wir die Testuden hier und nicht auf irgendwelchen Grabhaufen.・
Jens, du hast Nerven! Dass du dich überhaupt hier zu melden wagst! Was stellst du das da draußen nur an? Wenn ich dir einen Rat geben darf: Verschwinde in der Südsee oder wohin auch immer! Du wirst bald einen Sack voll Probleme haben. Ja, die Testuden sind unterwegs. Tausende, die regelrecht alles niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt. Als ob sie den ganzen Berliner Panzer allein zum Wachsen genutzt haben. Die ziehen geradewegs auf dein Grundstück zu. Verstehst du? Hörst du denn keine Regionalmeldungen? Da kommen seit einer halben Stunde nichts als Routenwarnungen. Die Leute sollen sich in Sicherheit bringen bzw. die Gegend meiden. Ist denn noch niemand bei dir?・
und die Testuden die Bauarbeiter, ja. Es wäre zumindest eine Erklärung・, stimmte ich ihm zu. „Die würde auch begründen, warum hier alles so sinnlos abgelegt ist. Den Aerobolden fehlt ja ihre Steuerzentrale. Und die, die mit dem Zeug etwas anfangen können, fehlen auch.・
Du meinst also, die Barren sind Material für diesen Sender?・ Jens fragte es, als suchte er Bestätigung für eine eigene Idee.
Bisher haben die Testuden starr geschlafen, als wären sie tot. Wenn wir aber erfahren wollen, was ihre eigentliche Aufgabe ist, müssen wir sie aus ihrer Anabiose holen. Die sind bestimmt nicht dazu da, auf der Erde eine Silitwüste zu renaturieren. Wenn in den sieben Kugeln ein Gesamtprogramm enthalten ist, lernen wir es erst kennen, wenn wir es ungehindert laufen lassen. Es kann ja sein, dass noch mehr fehlt. Aber im Moment haben wir ja nicht einmal den Sinn der Testuden erfasst. Die aber stammen aus der besonderen Kugel.・
Ganz einfach・, antwortete ich, „ich habe die Abschottung des Hauptkristalls aufgehoben. Wahrscheinlich sind im Augenblick Tausende Testuden auf Wanderschaft hierher.・
So, nun musst du uns aber endlich erklären, was du eigentlich vorhast・, fordert Sonja mich auf. „Das scheint wieder mal etwas Gefährliches zu sein, wenn du so viel Vorrede brauchst.・
Ich war gerade dabei, den anderen einen Versuch schmackhaft zu machen, da sind wir schon angekommen・, schmollte ich. Auf der Veranda warteten Kaffee und Kuchen. Leo führte die anderen Klonies ins Dachatelier. „Ich hab mir gerade eine Gemäldegalerie auf dem Boden eingerichtet.・
Eben nicht. Das ist es ja・, antwortete Jens.
Ist etwas passiert?・ fragte Sonja.
Vielleicht denken die, das eine ergibt sich aus dem anderen. Warum sollten sich nicht auch höher entwickelte Wesen irren. Bloß erübrigt sich die Frage. Wir haben nicht alle Kristalle und Petra auch nicht, also ・c・
Halt!・ Sonja schien sehr aufgeregt. „Wenn du Recht hättest, dann wären wir technisch weit genug entwickelt. Aber sind wir auch moralisch reif genug?・
Jule, beim Wissenschaft Spielen muss man erst einmal probieren, ob sich aus allen bekannten Faktoren eine Formel machen lässt. Der nächsten Generation bleibt überlassen, vielleicht noch eine neue Ebene zu entdecken.・
Wenn ich das genau wüsste ・c Das entscheidende Programm ist entweder noch gar nicht angelaufen oder es steckt in den Testuden. Ich habe schon mehrere Ideen. Die Kristalle könnten sozusagen Bergbauroboter sein. Bloß für wen? Wohin sollte das Zeug wirklich? Die Laborwand kann ja höchstens ein Zwischenlager sein. Da müssten dann früher oder später die denkenden Außerirdischen selbst kommen, um das Zeug abzuholen oder hier etwas draus zu machen.・
Da habe ich an Petras Theorie gedacht. Wenn das hier kein natürliches Leben ist, sondern künstliches? Wir haben doch bei den Untersuchungen so viele Fehler gemacht, also ich meine, wir Menschen, da kann es ja sein, dass wir gar nicht alle Kräfte freigelegt haben. Besser gesagt, dass sie erst zusammen ein vernünftiges Ziel ansteuern. Lebende Roboter. Jeder arbeitet ein bestimmtes Programm ab. Pausenlos. Vermehrt sich. Das gehört zum Programm. Für sich allein unbeschränkt, weil das Steuersignal Stopp fehlt oder die passenden Gegenprogramme von ihnen getrennt wurden ・c・
Stopp mal・, unterbrach mich Sonja. „Woher weißt du, dass das dieselben Aerobolde sind, die die verschiedenen Metalle bringen? Wisst ihr denn, wie viele damals geboren wurden? Kann doch sein, die Gold-, Platin- oder was auch immer -Aerobolde kommen jeweils, wenn ihre Blöcke fertig sind?・
Das habe ich zuerst auch gedacht. Ich habe auch darüber nachgedacht, ob das irgendwelche Verdauungsprodukte sein könnten. Es gibt ja auch auf der Erde Kleinstlebewesen, die bestimmte Metalle im Körper anhäufen. Ganze Manganknollen, glaub ich. Aber das kann es nicht sein. Es geht immer um einzelne Stoffe. Die Aerobolde bringen aber verschiedene Elemente von ihren Ausflügen mit.・
Marie, du sprichst von den Kristallen wie von intelligenten Lebewesen.・ Ich merkte an ihrer Stimme, dass Sonja eigentlich erwartete, dass ich diese durchaus griffige Annahme bestätigen würde. Doch genau das würde ich nicht tun. Da hatten ja meine Zweifel begonnen.
Frau Zarge, ・c Sonja, ich würde gern etwas tun, was vielleicht klärt, wozu das alles gut ist. Aber es kann sein, dass wir diesen Reichtum dann sofort wieder los sind. Vielleicht noch mehr.・ Auch ich betrachtete scheinbar konzentriert die Landschaft. „Ich habe lange darüber nachgedacht.・ Ich machte eine kleine Kunstpause. „Erst einmal wissen wir nicht, woher unsere Aerobolde die Barren holen und wie sie die machen. Aus Luft auf keinen Fall ・ dann hätten sie ja nicht wegzufliegen brauchen. Sie sind also immer in Gefahr, entdeckt zu werden ・ so wie wir. Wenn man sie nicht schon längst bemerkt hat und laufend beobachtet. Und wozu das Ganze? Einmal angenommen, sie wandeln verschiedene Elemente ineinander um oder extrahieren sie aus dem Boden. Das machen sie dann doch mit einer Absicht. Kein intelligentes Wesen legt grundlos irgendeinen Vorrat an. Wenn sie uns den nur schenken wollten, würden sie es doch sagen oder zeigen, oder?・
Du hast ja Recht: Seit diese Barren im Garten liegen, hat sich unser Verhältnis verändert. Ich bedaure das auch. Wahrscheinlich ist es aber naiv, nur aus Spaß forschen zu wollen. Weltfremd.・ Sonja hielt sich am Lenkrad fest und starrte nach vorn.
m folgenden Nachmittag saß ich in Sonjas E-Car Richtung Sternekop vorn, Jule zwischen den Zwillingen hinten.
Das weiß ich eben nicht. Mich hat mein kriminalistischer Spürsinn verlassen. Ich grüble schon tagelang über der Sache und mir fällt nichts ein.・
Und weiter?・
Komm, ich mein・Ls ernst: Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass die Flüge dieser Kristalle über so lange Zeit unbemerkt geblieben sein sollen.・
Das brauchst du nicht. Ich tu dir nichts.・
Ich habe Angst.・
Ich dich auch ・ morgen wieder, ja?・
Ich liebe dich!・
Hmm!・
Als Mitgift ・c Nein, entschuldige. Keine Ahnung. Ich habe mir die Frage auch gestellt. Ich glaube, das bringt nichts. Wir müssen uns mit dem abfinden, was dann passiert, wenn es soweit ist. Wenn Sina und Leo zu den Außerirdischen gehören, dann haben sie jedenfalls diesmal wie normale Menschenkinder reagiert. Vielleicht müssen die Kristalle erst wieder Kraft schöpfen, bevor sie ihre Wirkung erzielen können. Ich kam mir in den letzten Wochen auch nicht gerade super vor. ・c Janine?・
Wozu könnten diese Aerobolde den Zwillingen solche Metallmassen schenken wollen?・
Hmmm!・
Marie, das machen doch aber alle! Wir hatten bloß noch keine Chance.・ Janine hatte ihren Löffel weg gelegt. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte sie mich.
Nein, auch nicht. Wir haben keine Ahnung, was wir wollen können. Der einzige kluge Gedanke könnte sein, dass wir wenigstens das einsehen. erleben wir gerade, wie sich eine zig Lichtjahre von uns entfernte Zivilisation um Kontakt bemüht, kann sein, ja. Aber was machen wir? Darüber nachgrübeln, ob wir mit dem fremden Baumaterial reich sind. Dass nur unser kleiner Haufen besser lebt ・c findest du das nicht irgendwie egoistisch gedacht?・ Wie ich mich schämte! Ich wagte kaum hoch zu gucken. Gott, oh Gott, zur Prophetin war ich ja nun ganz und gar nicht geeignet. Aber wenn das sonst keiner aufbrachte?
Mir sind zwei Goldbarren lieber.・ Leo lehnte sich zurück.
Eben ・c・ Jens war vor dem Stapel mit Goldbarren stehen geblieben. Er griff einen und schleppte ihn in Gedanken versunken zum Haus hoch. Dabei flüsterte er: „Nur so zur Erinnerung.・ Ein Klotz ohne scharfe Kanten, etwa sieben Zentimeter breit, vier hoch und zwanzig Zentimeter lang.
Aber viel nützlicher.・ Sonja sah von einem zum anderen. Alle zögerten. Vielleicht sollten sie doch ernsthafter über ihre neue Situation nachdenken? „Also das seh ich nicht so. Für viele bisher ungeheuer teure Geräte haben wir plötzlich genügend Ausgangsmaterial. Die Menschheit als Ganzes erfährt einen explosionsartigen Fortschritt. Hier liegen die Grundstoffe für eine Welt, in der sich die Maschinen die Mittel zu ihrer und unserer Weiterentwicklung selber schaffen. Nie mehr Versorgungsprobleme. Allen Menschen geht es gut. Ist die Art und Weise, wie das hier abgelaufen ist, nicht auf jeden Fall eine Art Geschenk für uns? So etwas wie Wert gibt es bei diesen Wesen bestimmt nicht. Die tragen einfach nur zusammen, was sie für den Kontakt mit ihrer Heimat brauchen.・
Genau. Die wollen uns belohnen.・ Leonie sprang triumphierend vor ihrem Vater hin und her.
Wenn wir nur ein Teil davon verkaufen, ・c Mit dem Erlös könnten wir unser Labor so ausstatten, dass wir mit Petra mithalten können. Aber wie sollen wir das praktisch anstellen? Sollen wir etwa auf Metallbörsen auftauchen? Die halten uns doch für sonst was! Oder Schwarzhandel? Mal ganz davon abgesehen, dass die Metalle wahrscheinlich gar nicht mehr so selten sind, seit Petra welche auf den Markt gebracht hat.・ Jens sprach schleppend. Er schien die paar Wespen im Garten um Hilfe zu bitten. „Außerdem glaube ich nicht, dass die Aerobolde die Batzen unseretwegen hierher gebracht haben. Die haben selbst etwas mit ihnen vor.・
Oder dürfen wir das etwa nicht behalten? Die bringen das doch für uns. Und geschenkt ist geschenkt.・ Sina musterte das Gesicht ihres Vaters. Warum antwortete er nicht?
Irgendwie sind wir also doch reich?・ Leonie sagte das. Ihre Stimme klang dabei so, als ob sie zugäbe, etwas Schlimmes ausgefressen zu haben. Trotzig. Sie sah keinen an dabei. „Das ist doch so ähnlich wie bei Aladins Wunderlampe, oder?・
Ich habe zwar keine Ahnung. Aber sicher sind das hier viele Millionen, vielleicht schon Milliarden in jeder Währung dieser Erde ・ und die Aerobolde kommen bestimmt wieder.・ Jens lief mehrmals um die Wände des Laborschuppens herum. Auf allen Seiten waren die ursprünglichen Mauern von mehreren Schichten der gestapelten Barren verdeckt.
Mit mindestens einem Unterschied: Da wäre ganz Sternekop ununterbrochen im Wachdienst und auf dich wären schon mehrere Maschinenpistolen gerichtet. Außerdem hätte keiner die Stapel draußen aufgeschichtet.・ Jens war total happy. Und trotzdem dämpfte er seine Stimme. Sonja musste genauso lächeln wie ich.
Ob das damals in Fort Knox so ausgesehen hat, als man noch jeden Dollar auf der Erde gegen Gold einwechseln konnte?・ Jule flüsterte, als könnte ihre Stimme die Aerobolde vertreiben.
Ich hab schon gehört. Unsere Freunde werden hungrig sein.・
Sind wir jetzt reich?・ Sina und Leonie waren hinter Janine und Jens stehen geblieben.
Hergeschafft. Gefunden bestimmt nicht. Das ist eins der Wunder. Solche Barren gibt es nicht in der Natur. Die Aerobolde müssen sie also irgendwie aus etwas anderem erschaffen haben. Und durch die Luft geschleppt.・ In Jens・L Stimme lag eine unbeschreibliche Verwunderung.
Stark! Und solche Barren haben unsere Flieger gefunden und hergeschafft?・ Sina mustert die Barrenwände. Sie hatte sich schon ausgiebig darüber aufgeregt, dass sie die Aerobolde verschlafen hatte.
Janine, komm! Sie schlafen・, rief Jens leise. Janine näherte sich zögernd. Jens hatte seine Hand auf einen der Stapel gelegt. Janine konnte nur erkennen, dass einige Blöcke im Schein der Taschenlampe glänzten, zwei matt dunkel wirkten und der letzte dunkelgrau war. Jens betastete einen, der wie sein Nachbar im schwachen Dämmerlicht leicht schimmerte. Jens・ warme Haut war zuerst vor der kühlen Fläche zurückgeschreckt. Jetzt hatte Jens die erste Verwunderung überwunden. „Es passiert nichts, wirklich. Nimm einfach einen hoch・, munterte er Janine auf.
Hör doch mal hin! Es wird immer deutlicher ・c Eh, da!・ Jens deutete auf das Stück Himmel, auf das der Gartenhauptweg die Sicht offen ließ. Eine riesige dunkle Wolke. Jens rührte sich nicht. „Ja, das sind sie!・ beantwortete er die unausgesprochene Frage. Inzwischen bildeten die sich nähernden Wesen einen dichten schwarzen Schwarm. Von ihnen ging ein aufdringliches Pfeifen aus. Ein sehr hoher Ton. Gerade an der Grenze des für menschliche Ohren Wahrnehmbaren. Janine schloss entsetzt die Augen.
Was denn, Schatz, spielt einer deiner Fiedler falsch?・
Hmmmm. Ich komm mir so doof vor. Mir ist es fast genauso gegangen. Aber immer fürchtete ich, ich könnte dich anstecken mit meiner Angst, es könnte doch noch was passieren. Aber dafür scheint unser Labor ・c Sei mal still! Hörst du das nicht?・
Dann dieser Augenblick ・c Als ob sie Sina und Leo fixierten. Gleich, gleich würden sie sich auf sie stürzen. Ich stehe hilflos daneben! Wenn sie nun ・c Ich weiß nicht was. Sie sind abgeflogen auf Nimmerwiedersehen, hoffentlich, und ihr habt geunkt, was sie noch bringen. Jens, verstehst du: In dieser Woche waren die beiden endlich ganz gewöhnliche Kinder. Paar Wochen noch und Marie sagt nicht mehr Klonies zu ihnen. Ich musste ihnen dreimal sagen, räumt euer Zimmer auf ・ und es hatte sich immer noch nicht verändert. Ich hab mich geärgert und gleichzeitig so was von gefreut ・c・
Nein, wirklich!・ sagte sie. „Überleg doch mal: Die ganze Zeit habe ich darüber nachgegrübelt, in welchem Zusammenhang die Zwillingspaare mit den Kristallen stehen. Es sind meine Kinder, ja, geboren habe ich sie zumindest, ausgetragen ... Aber eben irgendwie auch die von denen. Andauernd habe ich mir eingeredet, dass früher oder später alle Kinder aus dem Haus gehen. Nur unsere holen vielleicht die Kristalle oder die Außerirdischen, was vielleicht dasselbe ist. Du, ich hatte mich sogar irgendwie damit abgefunden, als sie so rührend Wachdienst gespielt haben. Manchmal aber hätte ich mit einem Hammer auf die Kristalle einprügeln mögen. Und dann kamen die Flugdinger da raus. Eigene Kinder verstehst du? Die sind wie sie.・
Oh Gott, bist du heute romantisch! Hast du da drüben den Mond entdeckt? Den musst du mit einbauen. Als Lampion! Aber eigentlich bin ich zufrieden, dass diese Flugungeheuer weg sind.・
Hörst du dieses Insektenkonzert? Ich schließe einfach die Augen und stelle mir einen Trickfilm vor, in dem lauter Grillen auf Fidelbogen spielen. Das war doch eine schöne Zeit, als wir noch Angst hatten, die könnten wolkenweise hierher kommen, oder?・
Wir machen weiter wie bisher.・
Ich versteh das nicht. Aber ich hab auch keine Angst.・
Hast du Angst, Marie?・
Jule, hast du・Ls nicht bemerkt? Jens muss es auch gespürt haben. Wir konnten beide nicht anders. Immer muss ich an diesen Augenblick zurückdenken. Für einen kurzen Moment war alles so klar, so schön, so eindeutig gut. Es war mir so unbedingt richtig vorgekommen, dass ich mich jetzt selbst wundere. Ich beneide mich um diesen Augenblick. Aber das war nicht ich. Als hätte mir ein Projektor gleich danach ein völlig neues Bild gezeigt, klatschte das Entsetzen hinterher. Was hatte ich nur getan? Auch Jens ist wie auf Kommando zur Tür gesprungen. Und du hast ja seine Katerstimmung nachher mitgekriegt. Er hatte bestimmt auch so ein Bild. Ich werde ihn fragen. Und dieses Unbekannte wird kommen. Bestimmt. Soll ich mich nicht lieber wehren, wenn so was wieder passiert?・
Sag mal, warum hast du eigentlich die Tür aufgerissen!・
Ja.・
Ich・c Die Kinder sind bei uns geblieben. Ist das nichts?・
Hm!・
Marie?・
Nein, wissen tu ich nichts. Aber ich habe eine so verrückte Idee ・ wenn an der auch nur ein kleines bisschen dran ist, dann geht es hier bald rund!・ wehrte ich ab.
Da hast du Recht・, murmelte Janine.
Unser Labor ist jetzt nutzlos. Dabei hätten wir da noch so viel machen können.・ Leonie rührte ihr Brot nicht an.
Sollen sie! Oder wollt ihr keinen Besuch?・ Jens sah selbst nicht so aus, als freute ihn der Gedanke. Sein Gesichtsausdruck stand allerdings im krassen Gegensatz zu dem begeisterten Ton, in dem er seine Frage gestellt hat. Schließlich schlurfte er vor den anderen her hoch zum Haus.
Aber vielleicht schicken die Dinger Nachrichten ins Weltall und wir bekommen bald Besuch von Aliens. Da müssen wir uns doch vorbereiten!・ Auch Jule machte ihrem Ärger Luft.
Ich glaube nicht. Was sollte das schon bringen? Dem letzten Chaos hatte auch keiner was Vernünftiges entgegenzusetzen ...・ Jens stand mit herunterhängenden Armen da. „・cund es ist doch gut ausgegangen.・
Jens, bist du verrückt? Hast du eine Ahnung, was die Dinger womöglich anrichten können? Wir müssen Alarm geben.・ Janine baute sich wütend vor ihm auf.
ina hatte gerade ihren Dienst übernommen. Sie war die eifrigste und penibelste Wachhabende. Plötzlich stolperte sie keuchend zum Haus hoch: „Schnell! Es kommt!・
Woher willst du das wissen? Wir kennen dieses Signal ja nicht. Oder vielleicht müssen sie ihren Sender erst noch bauen. Aber nehmen wir an, was bisher auf der Erde geschehen ist, wär ein riesiger Unfall. Sollten dann noch mehr solcher Kugeln im All unterwegs sein, dann Gnade der Galaxis! Da drohen viele Unfälle. Immerhin sollten wir ausprobieren, was bei Dauerbestrahlung passiert. Wir haben die Geister geweckt. Zurück können wir nicht. Bringen wir sie zum Reden. Sie werden uns schon sagen, ob sie es gut mit uns meinen. Wie ・c weiß ich nicht.・
Das is aber bei uns noch nich passiert・, wendete Jule ein.
Du bist ungerecht・, unterbrach ich sie. „Also ich hatte mehrmals das Gefühl, als wollten die Kristalle mich zu richtigen Lösungen führen. Und selbst die Tropfen sind nicht vorsätzlich aggressiv.・ Ich wollte eigentlich noch mehr sagen, stoppte aber plötzlich. Alle anderen ließen ihrer Phantasie freien Lauf. Selbst Leonie mischte sich in das Gespräch der Erwachsenen. Sie erinnerte daran, dass da etwas mit Hornissen gewesen sei. Die Kugeln könnten doch zufällig erhalten gebliebene Eier unbekannter Insekten sein. „・c oder Mutanten?・ Sie klang dabei mächtig stolz, einen Begriff aus der Schule zu benutzen.
Janine, du machst mir Angst. Egal, ob aus dem All oder aus der Nähe: Deine Logik Lässt nur einen Schluss zu und der gefällt mir nicht: Die Sikroben sind zur Vernichtung von Leben gemacht worden.・ Jens hatte sich einen Stuhl herangezogen. Er setzte sich trotzdem nicht darauf.
Vielleicht sind sie das auch? Oder sie sind so was wie Sporen fremdartigen Lebens? Denen die Umweltverhältnisse fehlen, um sich normal zu entwickeln? Kann doch alles sein. Es ist ja bloß, weil Sonja so sicher tut.・ Janines Antwort klang richtig trotzig, so als wollte sie nur nicht zugeben, dass sie eigentlich überzeugt worden war.
Das klingt wie damals, als Hardy in ihnen Kanonenkugeln vom alten Wallenstein entdecken wollte. Genauso gut könnten sie die Steuereinheit für einen hoch entwickelten Computer sein.・ Jens war etwas lauter geworden. Gerade noch rechtzeitig verschluckte er das, was ihm fast über die Lippen gekommen wäre: ・cund unsere Töchter diese Computer.
Kommt mal wieder auf den Boden zurück・, brummte Janine, „Krokodile kommen auch aus Eiern und sind, außer dass sie noch mächtig wachsen, fertig in ihrer Entwicklung.・ Janine sah einen nach dem anderen an. „Aber vielleicht ・c Wenn sie durch Röntgenbestrahlung aktiviert wurden, könnte in ihrer Heimat starke Röntgenstrahlung was Natürliches sein.・
Wenn sie unterschiedliche Entwicklungsetappen durchlaufen und vor der Verwandlung von dem einen Stadium ins andere bestimmtes Futter oder so brauchen? Stellt euch vor, die Testuden wären die Larven oder Puppen ・ wie mögen da erst die Schmetterlinge aussehen! Die Insekten stürzen sich sozusagen ihren Verwandten in den Rachen.・ Jule hatte Flecken im Gesicht vor Aufregung.
Also auf der Erde gibt es dafür nur eine rationale Erklärung: Auch bei dem Kristall handelt es sich um eine ・ zugegeben merkwürdige ・ Form von Leben. Und mal angenommen, wir liegen nicht ganz falsch, dann trifft das auch für die Sikroben zu. Zwischen den beiden Arten besteht wohl so etwas wie eine Symbiose: Die einen fressen, was die anderen verdaut haben ・c Nur wir Menschen haben sie voneinander getrennt.・ Sonja sprach bedächtig, als wollte sie ihre Gedanken testen. Ich fand sie einleuchtend, und auch Jens nickte vor sich hin.
Als krabbelnde Punkte, ja. Testudines oder wie Schildkröten irgendwie lateinisch heißen würden.・
Aus dem die Testuden als Babys hervorgekommen sind?・
Ohne Zweifel・, bestätigte ich ihr.
Nur der schwere Kristall・, vergewisserte sich Sonja.
Fällt euch da etwas auf?・
Nehm ich an, ja.・
Soso. Und in dem Moment, in dem dieser Kristall nicht in der Schutzhülle war, haben sich die Schildkröten gerufen gefühlt?・
Na, den Kristall, der erst so schwer war, und aus dem sie gekommen sind. Silit wollten sie damals schon fressen. Wenns auch nur silizierte Kleider waren ・c Ach, das erzähl ich dir besser später.・
Ihren was? ・c Mutterkristall?・
Kann sein, ja. Steckst du also doch dahinter?・
Kann es sein, dass sich die Kröten von zwei Uhr dreißig bis zwei Uhr einunddreißig bewegt haben?・
Ach, nichts weiter.・
Du Spinner. Nun sag schon.・
Ja. Wieso? Ist das wichtig? Oder wie kommst du da drauf?・
Ich hab schon verstanden. Ich hatte dir ausdrücklich erklärt, dass du die Zwillinge zurückhalten solltest. Aber ihr musstet zusammen gleich so viel Unsinn treiben, dass du mir erst im verführten Zustand einen Teil davon beichten konntest. Mal sehen, was noch kommt!・
ir wollten die Untersuchungen an den Kristallen nicht unterbrechen. „Füttern wir die beiden leichten abwechselnd mit Ätzern. Da werden sie dies・L Jahr zwar nich mehr fett, aber mal sehen, wie weit sie sich trotzdem entwickeln.・
Dann können wir die Kristalle immer noch wegwerfen oder Petra schicken. Aber müssen wir das wirklich?・ Schon im Aussteigen legte ich nach: „Ich wollte das schon lange. Nicht, dass du denkst, wegen der Kugel. Oder auch, aber anders. Na, egal! War schön. Wirklich. Und ・c das bleibt unter uns, ja?・
Nun spiel nicht den beleidigten Macho. Das steht dir nicht.・
klopfst du den alten Sack mit deinen unverkennbaren Reizen weich.・ Jens brummte es auf eine Weise, dass kein Zweifel blieb: Böse war er mir nicht. „Das ist dir gelungen.・
Kunststück: Wir standen wahrscheinlich unter dem Einfluss ihrer Strahlung oder was das für eine Kraft sein mag. Was Positives ja doch wohl. Nebenbei hat diese Kugel bewirkt, dass nie Insekten gebraucht wurden. Warum, weiß ich nicht. Aber dann, dann sind die Schildkröten aus ihr geschlüpft und wir haben sie nicht halten können. Der blasse Rest schläft jetzt im Beutel mit einem der anderen Kristalle. Und nun weiß ich nicht weiter. Da dachte ich, ・c・
Ihr wart so naiv. Wenn diese Petra so gerissen ist, haben wir gedacht, dann sichert sie ihren Erfolg mehrfach ab. Du hast ja erlebt, wie Recht wir hatten. ・c Mensch, Jens, es ist gar nicht so leicht zu erzählen. Also wir haben eine Kugel gebaut, die so aussah wie die anderen. Mit deinem Kollegen sind wir schnell einig geworden. Er hatte die echte Kugel längst beiseite geschafft, als er dich angerufen hat. Wir mussten sie nur noch in Empfang nehmen. Dass der Ärmste wirklich überfallen werden würde, haben wir natürlich nicht gewollt. Aber dann durften wir uns nicht verraten. Du musstest doch wirklich enttäuscht sein. Man kann dir deine Gedanken so leicht aus dem Gesicht ablesen. So haben wir die echte schwere Kugel die ganze Zeit bei uns gehabt・c und du hast dich gewundert, warum wir so eifrig bei der Sache waren.・
Wenn ich sag, ich kann dich sehr gut leiden, is das okay?・ Verwirrt hörte er meine Stimme. „Verstehst du: nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und ich möchte ja nichts kaputtmachen von deinen Beziehungen mit Janine und so. Du musst selbst entscheiden, wann du was sagst und ob überhaupt. Ich hab es gewollt, unbedingt.・
Du willst mich also abtrocknen, oder?・ Ich streckte ihm sein Hemd entgegen. Er rubbelte mich so lange trocken, bis wir beide außer Atem waren. Ringsum war es still. Für normale Badelustige wäre es der erste wirklich heiße Tag gewesen. Die waren noch nicht hier, und das Wasser war eisig.
ch schob Jens das Papier herüber. Versuchte ein Lächeln. „Was meinst du? Is ein Entwurf für einen Artikel. Unsere Schülerzeitung, weißt du? Vielleicht für mehr. Ich kann schließlich nicht immer nur Gartenlaborleiterin spielen. Schule is wichtig, hast du gesagt.・ Ich spürte seinen irritierten Blick. Ausgerechnet er als Testleser einer Schülerzeitung? Da gab es wirklich bessere. Andererseits schmeichelte ihn die Bitte.
Es hat keinen Sinn. Rettet, was noch zu retten ist, und dann weg hier.・
Die müssen das Silit riechen. Anders kann ich mir das nicht erklären・, schimpfte Petra. Sarkastisch ergänzte sie: „Haben die nicht ferngesehen? Nach den neuesten Meldungen müssten sie diese Gegend längst verlassen haben oder erstarrt sein!・ Wütend sah sie gelegentlich die Berichte, die dazu aufforderten, zurückbleibende starre Testuden aufzusammeln und an die Silitdecke anzusetzen.
Das haben wir zuerst probiert. Geht nicht・, kam die Antwort in fast weinerlichem Ton. „Ich weiß nicht, was das ist. Jedenfalls sind es keine Tiere, wie wir sie kennen. Wenn wir eines dieser Viecher zertrümmern, dann formieren sich seine Überreste in Minutenschnelle zu mehreren neuen. Man kann zugucken dabei.・ Dem Diensthabenden schien es gelegen zu kommen, dass er sich endlich für seine Hilflosigkeit rechtfertigen konnte. „Wenn die hier so weiter machen, dann liegt bald ganz Berlin frei.Das macht sie bei den Leuten sympathisch. Deshalb setzen wir sie auch an anderer Stelle wieder an den Bodenpanzer an. Da können sie fressen und wachsen, wie sie lustig sind. Aber bei uns werden es scheinbar trotzdem nicht weniger.・
haben an der Ostgrenze der verbliebenen silizierten Oberflächenschicht auf dem ehemaligen Berlin angesetzt. Die schildkrötenähnlichen Wesen ・c・ (Das Bild zoomte auf eine der unzähligen, etwa handtellergroßen, beweglichen Halbkugeln, die wie die Masse ihrer Gefährten an der zwischen einem und zwei Metern dicken grauen Schicht nagte.) „・c sind für den Menschen und die uns bisher bekannte Natur offenbar ungefährlich. Das Silit verspeisen sie dagegen mit ungebremstem Appetit. Es bleibt nur Staub übrig, der durch den leichten Westwind in kurzer Zeit zerstreut wird. Gegen die Plage ist noch kein Mittel bekannt. Auf breiter Front ・c・ (Hier blendete man eine Karte des östlichen Berlins, einschließlich einiger markierter früherer Vororte, ein.) „・c sind die silizierten Wüstenkappen bereits mehr als dreihundert Meter weit weggefressen. Wenn die Wesen so weitermachen, wird die neue Plage der effektivste Weg zur Rekultivierung Berlins. Über ihre Herkunft liegen keine Erkenntnisse vor. Ihr Verhalten legt aber nahe, dass sie aus der gleichen Quelle stammen wie die Sikroben. Bezeichnenderweise verfallen in einfache Holzkörbe eingesammelte Exemplare sofort in einen Starrezustand. Professor Grützhuber von der Humboldt-Universität ・c・
Nein, wirklich.・ Petras Vater zappte durch einige Fernsehkanäle. Endlich erwischte er einen, dessen Nachrichtensendung noch nicht zu Ende war.
dass ich nich lache・c! Is Frühstück fertig?・
Also, Lütte, wenn ichs richtig verstanden habe, dann wird das neue Berlin gerade von Millionen Schildkröten angegriffen.・
Was ist denn los?・
grad vorbei!・
Petra, komm mal, das musst du sehen・, wurde sie aus dem Wohnzimmer gerufen.
Klar gibt es die noch ...・
Also das letzte Mal habe ich die Kugel an Maartens Brombeerhecke gesehen.・
Und was ist dann aus dem Ding geworden?・
Weiß ich nicht mehr・, behauptete Barry.
etras „Herbst Building Corporation・ experimentierte großzügig mit dem universellen Baustoff Silit. Sie nutzte auch die abgesprengten Trümmer der gehärteten Masse, die sie mit teilsilizierten Elementen eigener Produktion zu Bauplatten verband. Dies hatte ihrem Projekt einer Neuerschaffung eines modernen Berlins viele Sympathien eingebracht ・ und es ging schneller und war billiger. An der geplanten künftigen Stadtgrenze ragte bereits der Wolkenfinger als Teil des Herbstschen Institutskomplexes in den Himmel. Er wirkte futuristisch und bombastisch ・ eigentlich war er gut für die meisten Superlative. Im Moment waren um ihn herum erst einige provisorische Baracken auf dem frisch vom Silit befreiten Grund fertig gestellt worden. Trotzdem lockte es junge Kreative aus aller Welt an, die sich hier im Zentrum der Zukunft angekommen wähnten.
Besser nicht. Das bringt nur Ärger・, beruhigte ich sie. „Außerdem ・c was ist denn schon passiert?・
Müssen wir das jetzt alles erzählen?・ fragte Leonie.
Du, ist dir das aufgefallen: Die haben alles aufgefressen, was aus Silit war・, flüsterte Jule mir zu. Ich nickte. „Das wird wohl kein Zufall sein. Wir sehn uns das gleich an. Fliegen können sie ja nicht und hüpfen auch nicht.・ Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Das hatten die anderen davon, dass sie der neuesten Mode hinterherliefen.
Die sind wohl ins Dorf gefahren. Ich hab jedenfalls keinen gesehen・, sagte Leonie. „Die vertrauen uns eben.・
Wo nur die Alten stecken?・ wunderte ich mich. „Ihr habt doch vorhin gequiekt wie abgestochne Schweine!・
Dreh bloß die Dusche auf! Mich juckt und krabbelt es überall・, rief Jule Leo zu. „Meinst du, uns nicht?・ antwortete die.
Iiih! Was ist denn das?・ Entgeistert starrte Jule auf ihre Füße. Dort zerfielen gerade ihre Schuhe vor unser aller Augen in ein weißes Mehl. Hanna hatte sich an einen der Labortische angelehnt. Von dem schnellte sie wie durch ein Katapult abgefeuert zurück in den Raum. Allerdings war sie plötzlich nur noch mit Leinen-T-Shirt und Slip bekleidet. Die Vorderseite ihres Rocks fiel als Fetzen auf den Boden und löste sich dort auch auf. Und jetzt sahen wir es: Von allen Seiten fielen die krabbelnden Punkte über unsere Kleidung her, als wäre die für sie als Babynahrung gedacht ・ oder nein: über meine nicht. Jule und Sina standen schon splitternackt da. Sie schrien und quietschten, schlugen um sich, versuchten, die allgegenwärtigen Punkte von ihren Körpern abzuschütteln. Als ob sie Hunderte von Flöhen am Beißen hindern wollten. Wahrscheinlich juckte ihre Haut. Durch die wilden Bewegungen behinderten sie sich eher gegenseitig. Das Einfachste wäre doch gewesen, nach draußen zu flüchten. Ich stand immer noch vollständig bekleidet da. Rief: „Nun reißt euch doch endlich zusammen!・
Eine Lupe! Wo ist eine Lupe?・ Leonie reagierte als erste.
Wie schwanger・, rief Jule mit kaum gedämpfter Stimme. Alle starrten gebannt auf dieses merkwürdige Etwas. Diesmal hätte uns unser Alarmsystem wohl kaum gerettet. Für andere Signale als die kleinen Veränderungen unseres Kristalls hatten wir keine Sinne mehr frei. Nach neun Minuten ・ so behauptete Jule später ・ war der Kristallbauch ungefähr auf die Größe eines menschlichen Neunmonatsbauches angeschwollen. Man sah vom ursprünglichen Kristall noch die Kanten als Striche auf der Oberfläche.
ach dem Gespräch vergingen noch zwei ereignislose Wochen. Dann aber ・c Die Klonies hatten wie immer Tropfen und Kristalle gefüttert, die Seifenblasen waren verschwunden ・c hielt das blaue Leuchten des Kristalls unvermutet länger an als sonst. Es vergingen mehr als zwei Minuten, da färbte sich der Kristall türkis anstatt wie üblich zu verblassen. Langsam schwoll er an. Etwas Vergleichbares hatten wir noch nie gesehen.
Wenigstens hab ich so Schwestern bekommen, um die ich mich kümmern kann.・ Jens spürte, dass das nicht das war, was ich eigentlich hatte sagen wollen. „In der Kalahari hab ich mich ähnlich gefühlt ・ da ist was zwischen uns ・c Die Kristalle wirken echt stark. Ohne sie gäbe es solche Harmonie wohl kaum länger als einen Nachmittag. Ich werd sie vermissen.・
Sie sind also nichtirdische Wesen und auch wieder nicht. Da mal ich mir manchmal aus, die Fremden holen sie sich zurück. Und auch wieder nicht. Was soll・Ls auch? Sollte die Angst berechtigt sein, dann würden sie uns in eine neue Welt verlassen. Ihr wärt dann sozusagen ihre Pflegeeltern gewesen. Normale Kinder verlassen ihre Eltern doch auch. Eigentlich wären sie sogar zu beneiden. Sie hatten die liebsten Pflegeeltern, die man sich vorstellen kann und kriegten sogar noch ihre eigentlichen Eltern zurück. Mein Vater ist mir jetzt schon so fremd, als lebte er in einer fernen Galaxis. Also was bringen die ständigen Zweifel? Die Fremden sind mächtig. Wenn sie wollen, dann werden sie sich gegen uns durchsetzen. Aber das ist doch eine Frage, auf die erst der Kontakt mit ihnen eine Antwort gibt. Wär ja wohl echt egoistisch, den deshalb verhindern zu wollen, weil man allein Eltern sein möchte. Denn vielleicht kommt was total anderes dabei raus. Vielleicht wollen die Kleinen dann gar nicht weg. Die sind doch hier zu Hause. Sollen doch ihre leiblichen Eltern sie besuchen kommen, wenn sie wollen ・c・
Jens, Sina und Leo sind doch kleine Wunder. Mitunter stell ich mir vor, die beiden sind gar keine richtigen Menschen, sondern irgendwelche Konstruktionen unserer außerirdischen Freunde, wie die sich ideale Menschen vorstellen.・ Ich sah auf meine Zehen. Die bogen sich wie von selbst aus den Latschen heraus nach oben. Die linke Gesichtshälfte brannte wie mit Brennnesseln eingerieben. Ich spürte Jens・L Blick. Er sagte aber nichts.
Mann, Jule, wenn ich dich nicht hätte ・c・
Jule, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Wenn ich wenigstens nicht dieses blöde Gespräch belauscht hätte! Laufend male ich mir aus, dass die Kristalle ihre Geschöpfe zurückholen. Meine Schwestern, diese Klonies. Und ich wäre schuld. Ich hätte die Katastrophe nicht nur nicht verhindert, ich hätte sie sogar gefördert. Aber was weiß ich schon von den Fremden? Vielleicht geht es den Klonies dort besser als hier?・
Eigentlich können wir nichts tun, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Die Kleinen werden bestimmt nicht an die Sikroben herangehen. Ich habe Marie und Julia gebeten, immer darauf zu achten. Das Zeug ist lebensgefährlich. Sie sind groß genug, um das zu begreifen. Sie müssen eben ab und zu unauffällig von Unfällen hören, die es ja wirklich genug gibt. Trotzdem sollten wir sie kontrollieren, ohne dass sie etwas davon mitbekommen.・
Und was sollen wir jetzt machen?・
Na ja, wir haben die Mittel zur DNA-Analyse, und ich hab sie eben machen lassen. Alles im grünen Bereich. Man hat nichts gefunden, was uns beunruhigen müsste.・
Wie kannst du dir da so sicher sein?・
Ich ・c Also mir ist es doch genauso gegangen. Da habe ich ・c Also, wenn es euch beruhigt: Es sind ganz normale Menschenkinder, nur zumindest, was Sina und Leo angeht, mit identischer DNA.・
Ist das alles, Jens, was du dazu zu sagen hast? Verstehst du denn nicht: Uns werden unsere Kinder immer unheimlicher. Ich habe mitunter richtig Angst vor ihnen. Und dann habe ich wieder noch mehr Angst um sie. Zum Beispiel, dass diese Kugeln sie als ihr Produkt zurückfordern könnten. Es sind aber meine.・
Wir müssen eben gut auf sie aufpassen. Sie haben doch nichts angestellt・c・
Ich habe mich also bei meinen Kollegen erkundigt, wie sie sich so machen・, fuhr Sonja fort. „Wisst ihr, was ihre Klassenlehrerin gesagt hat? Früher waren die beiden gut bis sehr gut, jetzt sind sie unglaublich. Als hätten sie den Unterrichtsstoff schon gehabt. Sie sollten die siebte Klasse überspringen. Noch schlimmer war ihr Physiklehrer: Manchmal sind mir die beiden unheimlich. örtlich unheimlich . Wenn sie nicht gelegentlich weiter ihre Scherze damit trieben, wer von ihnen wer ist, dann ürde er sie für Lerncomputer in Menschengestalt . örtlich! Als normaler Kinder hätte mich das vielleicht gefreut. Aber so? Die fallen dermaßen aus dem Rahmen, dass es jetzt sogar schon anderen auffällt.・
Jens, ich habe meine Kinder immer geliebt. Vielleicht obwohl, vielleicht sogar, weil sie aus einer so kurzen Illusion hervorgegangen sind. Seit diesem Treffen damals habe ich sie mitunter angeguckt als ob ・c als ob sie nicht meine Kinder wären. Aber es sind doch dieselben! Es ist eine Art Masochismus, meine Kinder bei dir noch einmal zu sehen. Was sollte ich dagegen haben, wenn sie sich zu ihren Ebenbildern hingezogen fühlten. Aber jetzt ・c・ Diesmal zögerte Sonja, weiter zu sprechen. „・cjetzt gibt es eine Veränderung. Ihr wisst doch, dass die Mädchen unten ihre Hausaufgaben machen. Sie bringen sie ja immer zur Kontrolle hoch ・c・
Jens, früher haben wir uns immer über alles unterhalten können. Jetzt haben wir es geschafft, fast zwei Jahre nicht darüber zu reden, obwohl es uns beide gequält hat. Und Sonja ・c also, sie weiß auch nicht, was wir machen sollen.・ Janine sah zu Sonja hinüber, schwieg abwartend. Für einen Moment waren die Mücken lauter als Jens, dann begann er plötzlich in die Stille hinein zu erzählen. Von seinen Horrorträumen, dass er nicht zum Polizeipsychologen gegangen war, obwohl er es sich vorgenommen hatte. Dass er davor zurückgeschreckt war, die Sache laut auszusprechen, dann, ja eigentlich wäre erst dann das Problem da, habe er sich gesagt, dass die Kinder, ・c unsere Kinder ßerirdische Monster sein könnten. Dass er gehofft habe, sie, Janine, käme nicht auf diese Idee. „・c Für mich habe ich schon entschieden, dass, egal, was gewesen sein sollte und was auch immer wir noch mit den Mädchen erleben werden, es sind unsere Kinder, und warum sollte ich sie denn nicht weiter lieb haben, wenn sie das sind, was sich Außerirdische unter idealen Menschen vorstellen ・c・
Jens, es hat keinen Sinn.・ Janine hielt den Kopf gesenkt. „Wir kommen damit nicht zurecht. Und sei ehrlich: Du versteckst dich auch davor.・
Einmalig, die vier・, hörte ich Jens gerade sagen.
Lass uns doch die Freude! Nur noch ein bisschen. Aufgeben können wir immer noch・, bettelte ich.
Bisher ist doch noch nichts passiert ・c Warten wir・Ls ab.・
Mal angenommen, die Geschichten, die man wegen der unheimlichen Erzförderung hört, sind wahr ・c dann verwandeln unsere Kristalle deinen Garten bald in eine unerschöpfliche Goldmine und du wirst reich.・ Ich sagte das mit betont ernstem Gesicht. Den Schalk in der Stimme konnte ich unterdrücken. Nur die Klonies kicherten.
Nein, aber ・c・ Er brach ab.
Das ist aber ungerecht von dir! Du willst uns doch nicht vorwerfen, dass wir nicht genug für die Schule tun?・ Ich sah ihn vorwurfsvoll an. Der für Jens unverständliche Ausdruck in meinem Gesicht war echter Entrüstung gewichen. Schließlich quälte ich mich ja wirklich die ganze Zeit nach Eberswalde zur Schule.
Was soll denn das noch bringen? Wir sind Petra nicht gewachsen. Macht euren Schulabschluss und verderbt eure Zukunft nicht. Da haben wir was gewonnen ・c・
ir verbissen uns in das Laborprojekt. Jule und die vier Klonies blieben auch dann noch mit Feuereifer dabei, als sich nach mehreren Wochen noch immer kaum etwas an ihren Untersuchungsobjekten verändert hatte. Jens hatte den Hauptteil seines privaten Vermögens in das Gartenhaus gesteckt und sich über unseren Eifer gefreut. Dann aber kam die Sache mit der schweren Kugel. „Jetzt, wo sie die hat, sind wir chancenlos. Wollen wir uns etwa noch immer dem mächtigen Herbst-Labor entgegenstellen? Die schwere Kugel wäre der erste Vorteil auf unserer Seite gewesen. Petras Teams werden sie analysieren und früher oder später alles herausfinden, was ・c Na, wir wissen ja noch weniger als die, welche Geheimnisse wir eigentlich lüften sollen ...・ Jens・L Gesicht war die Verzweiflung über diese Niederlage anzusehen.
hatte also das Täuschungsmanöver durchschaut und die Kugel in Besitz gebracht. Jens zweifelte nicht, dass Petra dieser Jemand war. Aber im Moment war daran nichts zu ändern.
Keine Ahnung. Heute war er jedenfalls nicht hier.・
Klar, vorgestern. Wieso?・ Die Stimme kam dermaßen wie auf Kommando, dass Jens Granzners grinsendes Gesicht hinter der Schiebetür vermutete. Er riss sie auf. Er hatte einfach keine Lust auf ein Versteckspiel. Hinter der Tür saß aber nur ein ihm vom Sehen bekannter Polizeiobermeister. „Granzie?・
Na, von Granzner natürlich. Er hat mich angefunkt, ich soll hier eine Kugel übernehmen.・
Von wem sprichst du denn, Jens? Wir haben hier keine Klumpen.・
Hoffentlich geht nicht noch im letzten Moment etwas schief・, murmelte er vor sich hin. Nein, ihm war niemand gefolgt. Jens pfiff einen uralten Gospelsong. Granzners Abholchip lag wie vereinbart im Handschuhfach von Jens・L Car. Sie hatten sich auf dieses Vorgehen geeinigt, falls ihr Schatz nicht in Jens・L Einsatzzeit gehoben würde. Vielleicht wunderten sich einige, wenn er so schnell Granzners unscheinbaren Fund auf der provisorischen Wache abholte, aber Jens war dafür bekannt, gelegentlich die Wege seiner Mitarbeiter zu kreuzen. Das musste nicht auffallen.
Du vermutest auch überall Spione, was?・ Ich verstand erst nicht, warum Jens dermaßen feixte. „Aber etwas Besseres könnte uns überhaupt nicht passieren・, erklärte er. „Dann hätte Petra einen Zuträger, der ihr ungewollt getürkte Infos zuspielt. Den eigentlichen Grund der Suche ahnt Petra. Da bin ich mir auch sicher. Also Maulwürfe. Aber offiziell liegt da unten eben eine Bombe, die wir sprengen, bevor in der Gegend die Bauleute ran dürfen. Ich habe die Rute und löse mich in den entscheidenden Momenten mit Granzner ab. Der ist sauber. Die Öffentlichkeit kriegt also gar nichts mit außer der Sprengung, und bis Petra merkt, dass wir sie gelinkt haben, sind wir hoffentlich ein Stück weiter.・
Ich habe Falkmann schon mit der Sprengleitung betraut・, antwortete Jens. „Der ist erst vor zwei Wochen in unser Revier versetzt worden und freut sich, so schnell Vertrauen übertragen zu bekommen. Irgendwann muss sowieso renaturiert werden. Da können wir die Platten auch gleich zertrümmern. Das erspart vielleicht teure Sonden, um das Ding zu bergen.・
Wie kommt ihr überhaupt durch den Silitpanzer?・ fragte Jule. „Wenn eine so zusammenhängend dicke Decke drüber ist, meinst du, eine einzige Bohrung reicht? Ich denk, das Silit ist so hart?・
is zu jener Entscheidung hatte ich eigentlich nur wenig Vergnügen an der Schule gefunden. Nach den aufregenden Tagen in Afrika hatte ich das Gefühl, blind neben meinem Leben her zu laufen. Was ich alles noch lernen sollte! Manchmal träumte ich mitten in einer Stunde von brennender Savannensonne, manchmal hielt ich in Gedanken Pipetten in der Hand oder entwickelte komplexe Formeln für chemische Verbindungen, die es laut Lehrbuch nicht geben konnte. Ich hörte Kantha Inar predigen, ich sei eine Auserwählte, die vom richtigen Weg abgekommen sei. An den Meister hatte ich ansonsten seit meiner ersten Begegnung mit Petra Herbst nicht mehr gedacht. Gelegentlich holte mich eine Lehrerstimme zurück in den Klassenraum. Dann steckte ich achselzuckend schlechte Noten ein.
Aber die Idee, da draußen selber ein Labor einzurichten, ・c Wow, das ist das Beste, was ich mir vorstellen kann. Schade nur, dass wir nicht einfach ganz draußen bleiben können.・ Eigentlich war ich wieder glücklich.
Ich weiß. Mir gefällt・Ls trotzdem nicht.・
Wenn das alles so ist, warum geben wir dann Petra überhaupt noch eine Kugel?・ War ich Jule dankbar, dass sie damit das Thema gewechselt hatte. Was würde Sonja sagen?
Genau da liegt das Problem: Es sind eben nicht ganz normale Kinder.・
Was du dir manchmal zusammen spinnst. Das war Zufall. Kinder wollen eben spielen und wir quatschen so lange mit ihren Eltern.・ Jule schüttelte den Kopf.
Na, das dachte ich mir schon ・c Ich werde euch unser altes Gartenhaus aber nicht allein überlassen. Das ist doch klar, oder?・
Sag du! Ich bin Jens, bitte!・ Er hielt mir die Hand hin.
Ihr seid verrückt. Wenn man euch so hört, könnte man denken, ihr wollt ein Gegenlabor aufmachen. Am besten gleich hier im Garten und mit den beiden Wüstenforscherinnen als wissenschaftlichem Personal.・
Die haben von uns allen die meisten praktischen Erfahrungen im Umgang mit den Kristallen.・
Siehst du, ・c・
Nein, natürlich meine ich das nicht wirklich. Aber du ziehst hier gegen eine von uns vor Gericht, ohne dass sie dabei ist und sich wehren kann・c Beziehungsweise, wenn sie kommt und anfängt, sich zu wehren, dann müssen wir schon einiges aufzubieten haben, um diese Auseinandersetzung durchzustehen.・
Jens, das meinst du nicht wirklich. Für Petra Herbst wird es vielleicht ein neuer Reichtum, einverstanden. Aber Menschheit ・c ? Wenn ich das schon höre! Für ein paar gibt・Ls mehr Luxus, okay. Für Petra ändert sich ihr Kontostand um ein, zwei Stellen vorm Komma. Viel hat sie nicht davon. Der plötzliche Reichtum hat nichts Neues gebracht.・ Sonja machte eine kurze Pause. „Oder doch: Jetzt ist Petra Herbst dran. Gewinn ・c Monstermacht ・c Weißt du, was noch alles in diesen Horrorkugeln steckt? Du Unschuldslamm!・ Mehrmals hatte Sonja ihre Kugel vom Tisch genommen und wieder zurückgelegt. Jetzt sah sie den zögernden Polizisten leidenschaftlich an. Ein Glück, dass sie in der Schule nur selten so aus sich heraus gegangen ist. Sie hätte bestimmt Jeanne ・Ld Arc als Spitzname bekommen.
Angenommen, du hättest Recht. Was willst du eigentlich? Petra hat doch niemandem geschadet. Dass die Metalle billiger geworden sind, ist doch nur ein Zeichen dafür, dass es nicht mehr so schwer ist, sie aufzubereiten. Und weiter?・
Kann ja sein・, entgegnete Sonja. „Aber auch ein nicht gleich von der Hand zu weisender. Ich will nicht behaupten, dass es so ist. Aber dass Petra mit den Ätzern einen großen Reibach gemacht hat, ist wohl nicht zu bestreiten. Und dass hier etwas viele Zufälle aufeinander treffen, um wirklich Zufälle zu sein, auch. Sollten wir uns nicht wenigstens Gewissheit verschaffen, bevor wir Petra Kräfte in die Hände geben, die ich weiß nicht was alles anrichten können?・
Das ist ein schwerer Vorwurf, vor allem ein schwer zu beweisender. Zumindest im juristischen Sinne.・ Jens nahm den Artikel wieder in die Hände. Las ihn ein zweites Mal.
weil die auch etwas völlig Neues sind. Völlig logisch.・ Jens versuchte vergeblich, mit seinem sarkastischen Einwurf Sonjas Redefluss zu stören. Sie griff nach ihrem Stuhl, setzte sich umständlich hin, und als sie weiter sprach, klang ihre Stimme gelöster, viel weniger dozierend. „Auch von der Lage her kommt es hin. Diese Herbst Grubengesellschaft sitzt ungefähr dort, wo die Forschungen mit den Kristallen liefen, und der letzte von ihnen stand gerade vor einer neuen Entwicklungsphase. Zufall?・ Triumphierend sah sie sich um. Das musste doch die dümmste Biene im Garten überzeugen.
Das ist nur so eine Idee. Klar könntest du Recht haben. Aber denk doch mal nach: Erzförderung, Metallaufbereitung ・c das ist doch ein fest gefügter Markt mit hohem Investitionsvorlauf, Erfahrungen, Beziehungen ・c Wie sollte Petra den so schnell aufmischen, wenn ihrer Mining Corporation nicht eine völlig neue, wesentlich billigere, und da meine ich wirklich sehr wesentlich billigere Technologie zur Verfügung stände? Wir können doch ausschließen, dass jemand Metalle in solch phantastischer Konzentration in einer Mine entdeckt hat. Also muss das Rohmaterial aufbereitet worden sein. Das ist auch für Petra etwas völlig Neues ・ und normalerweise unmöglich! Und nach den bisherigen Überraschungen liegt es doch nahe, dass es mit den Kristallen zusammenhängt.・
Also einer der Kristalle ist dort bis auf die Größe eines Kohlkopfes angeschwollen. Dazu hat er Milliarden Insekten aus der Umgebung angelockt und vertilgt. So lange die beiden hier in seiner Nähe waren, hat er sie irgendwie beeinflusst, dass sie mit gestandenen Wissenschaftlern mithalten konnten, sich wie im Glücksrausch fühlten und noch so einiges mehr. Dann aber war er spurlos verschwunden. Beim zweiten sind Marie und Julia nach Hause, bevor er verschwinden konnte.・
Also nun zieh mal nicht alles ins Lächerliche! Natürlich kann es Zufall sein.・ Sonja lief im Zimmer auf und ab. „Aber bald nach dem Verschwinden des ersten Kristallkerns sind im Süden Afrikas wertvolle Metalle in hoher Menge und Konzentration aufgetaucht. Mehr als bisher auf der Erde insgesamt existierten. Zufälligerweise habe ich zur selben Zeit die beiden hier in der Nähe meiner Schule getroffen. Bei der Gelegenheit hat mir Marie geschildert, was da unten alles abgelaufen ist.・
Jens, du kannst mich für verrückt halten. Es ist ja nur so eine Idee. Aber eine gesunde Skepsis ist mitunter angebracht, oder? Und was schadet es schon, wenn Petras Aktivitäten sich um ein paar Wochen oder Monate verzögern, bis wir unsere Zweifel ausgeräumt haben?・
Was die Petra jetzt alles macht!・ Jens schnalzte belustigt mit der Zunge. „Findest du den Artikel nicht etwas sehr wild? Was meinst du, was wir schon an Enten gejagt haben, die irgendwelche Wichtigtuer im Internet haben fliegen lassen. Dass du deshalb unsere Petra gleich zur Weltmachtverschwörerin hochstilisierst, nein, von dir hätte ich das nicht gedacht. Außerdem: Was hat der Artikel mit unseren Kugeln zu tun? Habe ich da etwas versäumt?・ Jens hatte den Artikel auf den Tisch gelegt und sah Sonja amüsiert an.
Um so besser. Dann brauchst du wenigstens nicht die totale Unwahrheit sagen, wenn du ihr erklärst, dass du keinen Erfolg hattest. Aber sieh selbst.・
Ich hatte euch doch mal von meinen beiden Schülerinnen erzählt, die damals den Sikroben entgegen gezogen sind. Petra hat sie später in ihre namibische Forschungsoase geholt. Jetzt sind sie wieder zurück. Sie haben mir viel erzählt. Jens, und jetzt glaube ich, wir sollten Petra die Kugeln nicht geben. Meine vielleicht. Wir sollten uns nicht gleich verdächtig machen. Vielleicht ist alles ganz anders. Aber die Kugeln sind gefährlich. Und sie sind in Petras Händen nicht gut aufgehoben.・
ehlte noch Hagen. Um den zu finden, spannte Jens wieder seine Männer ein. Die ermittelten die aktuelle Meldeadresse. Auch dorthin fuhr Jens allein. Allerdings ・c Hagen verriet, dass er seine Kugel damals im Keller seiner Eltern zurückgelassen hatte. Jens hätte nur zu fragen brauchen. Als Jens dann mit ihr in Sternekop aus dem E-Car stieg, wurde er von Janine mit „Auf dich wartet eine Überraschung・ empfangen. Im Wohnzimmer saßen Sonja, Jule und ich. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen: Dieser biedere Familienvater, von dem mir Sonja schon einiges erzählt hatte, starrte mich an wie ein Traumbild. Endlich mal ein aufdringlicher Männerblick, der so richtig gut tat. Nachher erst, wie er sich erwischt fühlte ・c Wow, war der verlegen! Niedlich, der Typ! Na ja, meiner Haut hatte die Kalahari-Sonne gut getan.
Hier sind wir weg für immer.・
Aber wir haben doch unten außerhalb der Versuchsreihen die Theorie nachgearbeitet. Ganz nebenbei und ohne Probleme? Diese Kristalle haben nicht nur unsere Gefühle verbessert, sie haben uns wohl auch beim Büffeln geholfen.・ Ich hätte heulen mögen. Ich wusste einfach nicht weiter.
Ja, ich war auch traurig.・
Siehst du: Die Herbst weiß längst, dass wir uns beobachtet fühlen, und hält uns nun für keine geeigneten Untersuchungsobjekte mehr・, sagte Jule.
Nun hab dich nicht so! Wir machen weiter wie bisher und gut.・
Eigentlich ist es ja egal. Ich mag diese Kristalle trotzdem. So oder so. Wir machen unsere Besuche an ihrem Bungalow wie immer. Egal, wer uns dabei beobachtet.・
Stimmt.・
Wenn du Recht hast, dann wird hier alles abgehört, was wir machen und sagen. Das, was du gerade laut überlegt hast, zum Beispiel.・
Was denn?・
Du, Marie・, meldete sich Jule noch einmal.
Kann doch sein, oder? Wie hat uns die Zarge immer gewarnt? Für ausreichend Gewinn ist jedes Mittel recht. Stell dir vor, die Herbst Corporation findet über uns Zugang zu dieser unbekannten Kraft! Wäre das kein lohnender Gewinn? Wer weiß, wie sie damals die Ätzer besiegt haben. Vielleicht hat sie ja absichtlich den Kristall so verschwinden lassen, dass es aussah, als wären wir・Ls gewesen? Etwas ist hier von Anfang an faul. Ich weiß nur nicht, ob wir herausbekommen, was. Aber ・c als sie mich zum Einstellungsgespräch bestellt hat, da wusste sie schon so viel über uns ・c, als hätte sie uns vorher beobachten lassen. Damals habe ich selber gedacht, ich spinne. Jetzt ...・
Du hast manchmal Ideen! Vielleicht bist du deshalb so ein gutes Medium für die Kristalle ・c Und du meinst wirklich, wir selbst sind Testobjekte?・ Julia war anzuhören, wie der Gedanke sie erschauern ließ.
Eben. Genau das habe ich mich auch gefragt. Mir ist nur eine Antwort eingefallen: Wir müssten etwas an uns haben, was uns von den anderen unterscheidet. Im Positiven. Unsere wissenschaftlichen Erfahrungen können das ja nicht sein. Nur was? Dass wir uns bei den Kristallen so glücklich fühlen? Oder stell dir vor, es geht nicht um unsere Ausbildung, sondern darum, zu beobachten, warum und wie wir von außen gesteuert werden können. Wir sind Marionetten der Kristalle und noch glücklich dabei! So eine Kraft zu erproben wird sich die Herbst nicht entgehen lassen. In den Kristallen steckt bestimmt noch viel Mächtigeres als dieses Sikrobenzeug. Was weiß ich, was.・
Nu komm, was sollten ausgerechnet wir beide der großen Frau Doktor nützen?・ Irgendwo aus dem Dunkel kam Jules ungläubige Stimme.
Ich versteh nicht, was du immer gegen die Herbst hast? Die hat uns doch verteidigt! Wer weiß, was ohne sie aus uns geworden wäre.・ Jule hatte sich aufgesetzt.
Genau, einer von den Herbst-Leuten.・
Da hat uns jemand beobachtet?・ Jule fragte das so, als hoffte sie, ich würde nein sagen. Den Gefallen tat ich ihr aber nicht.
Was könnte den Köter derart geängstigt haben? Ein Geruch? Das Ding kann sich doch nicht in Nichts aufgelöst haben?・
Also Jule, im Film würden wir jetzt ein Indiz finden, das die anderen zuvor übersehen haben. Aber die Trottel haben ja alle Spuren verwischt. Wer soll hier ・c・
Was soll der Blödsinn?・ protestierte ich. „Denkt ihr wirklich, wir haben den Kristall versteckt? Wir haben geschlafen!・
Wie habt ihr das bloß angestellt?・ fragte einer, mit dem wir sonst kaum etwas zu tun hatten. Drohend umringte uns die Gruppe. Anthra bremste die Aufregung: „Wir klären das schon noch! Geht an eure Projekte! Wir machen weiter wie bisher.・ Ein Witz. Fast alle Projekte hingen ja irgendwie mit dem verschwundenen Kristall zusammen.
Na, weg eben! Spurlos verschwunden, in der Luft aufgelöst, entfleucht, gestohlen ・c was weiß ich.・ Auch Anthra, der amtierende Stationsleiter, tat, als wäre es unbegreiflich, dass ausgerechnet wir nichts von dem Verschwinden wissen sollten. „Aber wir werden es rausbekommen. Verlasst euch drauf!・ Damit lief er weiter hinter den anderen her in Richtung des Bungalows für die Kristalle.
Ich wecke euch gerne・, rief Jori, „ich will doch nicht, dass ihr Probleme bekommt.・ Sein unverschämtes Grinsen dabei konnte ich durch die Wand hören.
Ob ihr・Ls glaubt oder nicht: Die anderen haben alle schon gefrühstückt. Da dacht・L ich, bei euch stimmt was nicht.・
Verschlafen? Quatsch! Das gibt・Ls ja gar nicht. Das erlaubt unser Wecker nicht.・
Geht・s euch nicht gut? Ihr habt verschlafen.・
Nein, wir tanzen Tango. Du Idiot! Was willst du denn hier? Komm zum Frühstück wieder.・
chritte! In unserem Bungalow. Nachts. Ich stellte den Wecker immer auf eine Stunde vor dem Frühstück, damit wir uns in Ruhe fertig machen konnten. Natürlich schloss im Camp niemand seinen Bungalow ab. Vor wem auch? Wenn jemand einen anderen besuchen wollte, dann klopfte er an. Dann drang er nicht in fremde Zimmer ein. Ob ich meine Abwehrgriffe noch beherrschte? Der wird sich wundern. Ganz ruhig atmen. Der Angreifer muss überzeugt sein, dass wir schlafen. Voll konzentrieren auf die innere Spannung. Alle Kraft muss zu einer einzigen harmonischen Bewegung gerinnen. Der Gegner ist sonst stärker. Alles hängt davon ab, ihn am richtigen Punkt zu treffen. Aber wie trifft man den richtigen Punkt bei einem Gegner, den man nicht sieht?
Na, wenn sie uns über Stimmungen Nachrichten schicken wollen, dann hätte ich eine komische erhalten: Als ich nur so aus Verärgerung über die schwankenden Messwerte dachte, da will etwas in der Kugel fliegen, hatte ich sofort gute Laune・, warf Petra in die Runde.
Wichtig kann auch sein, dass ich bei der Dichtebestimmung zu keinem schlüssigen Ergebnis gekommen bin.・
Was meint ihr, was ich gegrübelt habe, wo die geblieben ist・, fuhr Petra unbeirrt fort. „Ich hab das nicht so ernst genommen mit dem Schwur. Spätestens als die Kinder da waren, habe ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet.・
Du hast ja Recht, Jens. Dann ließe sich das prüfen. Aber ich hätte euch längst sagen sollen, dass ich meine eigene Kugel nicht mehr habe.・
Ja, ja, ist okay. Es passt nur gerade jetzt schlecht・, unterbrach sie ihn. Im selben Augenblick entdeckte Jens drei sorgfältig gekleidete Herren im Hintergrund; er war wohl in eine Beratung hineingeplatzt. „Aber wenn du Samstagnachmittag zu Hause bist, dann komme ich vorbei・, hörte er Petra noch sagen, schon war die Verbindung unterbrochen. Er war nicht einmal dazu gekommen, sich für die Störung zu entschuldigen. Er hätte ja nicht wissen können, dass sie Anrufe während interner Beratungen nicht auf ihre Mailbox umleitete, oder ・c ?
Na, da bin ich ja beruhigt.・ Das klang leicht spöttisch, und doch ... Jens glaubte einen seltsamen Unterton herausgehört zu haben, so als ob Petra unbedingt verbergen wollte, wie wichtig ihr das Treffen war. Gerade in dem Moment schweifte das Gespräch ab. Sie verblieben bei der vagen gegenseitigen Zusage, sich zu melden, wenn es etwas Neues gäbe. Sollte er sich so getäuscht haben? Wenn sie wirklich gewollt hätte, dann wäre das Gespräch wohl nicht so ergebnislos ausgegangen. Oder?
Na, du machst es aber spannend ・c Muss es das nächste Wochenende sein?・
Na, entschuldigen Sie, Herr Kommissar, dass ich Sie belästigt habe ・c・
agsüber nahm Jens der zermürbende Dienst gefangen, abends Janine und seine Zwillinge.
Quatsch! ・c So richtig, meinst du? Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Der Kristall ist wie Rauschgift. Nur unschädlich, hoffe ich. Genießen wir es.・ Ich wich ihr aus. Was hätte ich sagen sollen? Ich mochte Jule. Sollte ich sie mit meinen Befürchtungen quälen?
So schlimm wird es schon nicht werden.・ Das kam völlig unbekümmert. Dabei sorgte ich mich vielleicht am meisten. Ich traf immer häufiger einzelne Forscher außerhalb ihres normalen Dienstes am Bungalow mit dem Kristall. Während Jule weiter wie abwesend lächelte, starrten die älteren Wissenschaftler den Riesenkristall besorgt an. Mehr war eigentlich nicht. Oder doch. Von Tag zu Tag empfand ich eine wachsende Traurigkeit. „Als ob der Kristall mir einen nahen Tod vorhersagen will, zumindest einen Abschied, von dem er schon weiß・, versuchte ich es für Jule in Worte zu fassen. „Ich versteh nur nicht, wessen.・
Du denkst, dass bald Schluss ist mit der Oase?・
Ich bin noch nicht fertig. Wir wissen ja, dass ihr damit nichts zu tun habt. Aber, wie gesagt, das war ein Grauen, und wir haben seinen Sinn nicht verstanden. Vorbei. Aber was liegt vor uns? Ihr habt irgendeinen Zugang zu diesem Kristall, den wir nicht erklären können. Bald oder jetzt oder später wird etwas passieren. Versteht ihr diese Angst? Es wird etwas passieren. Egal was. In Europa waren das bisher nur Katastrophen. In dieser Wüste sind wir allem ausgeliefert, was kommt. Wahrscheinlich haben wir nicht einmal Zeit zu flüchten. Und ihr ergötzt euch Tag für Tag an Strahlen, Signalen ・c Ihr verratet doch nichts! Manche frotzeln schon, ihr unterhaltet euch heimlich mit dem Stein, redet ihm zu, er soll so lange weiter schlafen, bis ihr hier die einzigen Überlebenden seid.・
Aber ・c・
Doch, da ist schon was. Du bist jetzt genauso. Sag einfach, wenn wir was falsch machen!・
Es sind alles nur Kleinigkeiten. Als ob die Leute hier in den ersten Tagen freundlicher zu uns gewesen wären. Haben wir irgendwas angestellt?・
Nö, wir gucken uns nur ein bisschen um.・ Jule hatte nichts mehr gesehen.
Na, ihr beiden? Gibt・Ls Probleme?・
Sind wir nicht gut?・
Was ist denn das?・
Bingo!・ Gerade noch konnte ich den Begeisterungsruf unterdrücken. Ein neues Bild erschien auf dem Schirm ・c
Mach nur!・
Ich hoffe doch・, antwortete ich ihr. Nur so zum Vergnügen begann ich zu laufen. Auch Jule rannte ein Stück. Irgendwelche Leute drehten sich nach uns um. Sie sahen aber aus, als freuten sie sich mit. Lachend und außer Puste kamen wir an unserem Bungalow an.
Kaum gedacht, ging es mir sofort besser. Jule bestätigte mir, dass es ihr genauso ging. „Ob wir so was untersuchen werden?・ fragte sie.
Und wie! Das ist es ja gerade. Komm, reißen wir uns los!・
Aber du fühlst dich doch wohl dabei?・ Es klang so, als spräche der Kristall mit Jules Stimme.
Ist der schön!・ Ich nahm Julia in die Arme. Sie schmiegte sich eng an mich.
Extrem!・ Mehr fiel mir nicht ein. Der Kristall war irgendwie durchsichtig und irgendwie nicht. Manchmal strahlte er ein schillerndes Regenbogenlicht aus. Als ob sich in ihm die letzten Reste des Tageslichts brachen. Oder leuchtete er von selbst? Sekunden später hätte ich geschworen, einen brennenden blauen Lampion vor mir zu haben. Vor allem aber war mir, als ob mich der Kristall beobachtete. Nicht im Sinn von ansehen, aber so mit Schwingungen, die mich durchdrangen und irgendwie abtasteten.
Na gut. Jetzt ist euer Wunsch dran.・ Jori ging voraus. Im hinteren Teil der Siedlung stand ein Gebäude mit einem Vorbau in der Art eines Raubtierkäfigs, umgeben von einem offenen Gitter und Wasser. In seiner Mitte lag ein funkelnder Gegenstand. Überrascht rief Jule: „Der ist aber riesig! Sollte der nicht in eine Hand passen?・
Harter Brocken, bis die uns hier ernst nehmen・, flüsterte ich Julia ins Ohr. Die nickte.
Klar・, antwortete ich, „also wenn・Ls geht, dann möchte ich die beiden Kristalle sehen.・
Ihr habt die linke Seite von elf-vierzehn. Dort könnt ihr euch erstmal frisch machen! Wir gehen dann gemeinsam in die Kantine. Morgen bekommt ihr die ersten Einweisungen. Stellt euch darauf ein, dass ihr von Anfang an wie normale Wissenschaftler behandelt werdet. Ihr habt sofort eigene Problemstellungen. Die müsst ihr zum Termin erledigen wie alle anderen auch. Wenn ihr nicht wisst, was Sache ist, Theorie und so, dann erarbeitet ihr euch das nebenbei. Internet ist in jeder Baracke. Macht euch gefasst auf vierzehn Stunden Arbeit am Tag und mehr. Ihr könnt natürlich jeden um Rat fragen. Ablenkung gibt es hier sowieso nicht・, erklärte Jori und dazu lächelte er. Er ließ die Klappe zum Kofferraum hochschnellen. „Habt ihr sonst noch einen Wunsch für heute?・
Ja, genau das・, bestätigte Jori. „Die eigentlichen Gebäudekomplexe können wir noch nicht sehen, nur die Palmen. Die sind natürlich nicht echt. Ansonsten hätten die Insekten sie kahl gefressen. Aber ein paar Wissenschaftler wollten unbedingt Grün haben.・ Jori sagte das so, als wollte er sich dafür entschuldigen.
Unsere Oase!・ Ich lachte.
Wie die chinesische große Mauer.・ Jule versuchte vergeblich, das Bild des Forschungskomplexes mit einem Blick zu erfassen.
Bis vor ein paar Wochen hättet ihr den Weg zu unserem Ziel leicht von selbst gefunden. Ihr hättet bloß den Milliarden von Insekten zu folgen brauchen, die sich zu uns auf den Weg gemacht hatten. Fliegen, Schmetterlinge, Ameisen, einfach alles. Kilometerweit hatten sich Vögel und andere Tiere dazugesellt. Die hatten wohl noch nie so viel Futter auf einmal. Ihr hättet sie damals von weitem über dem Gelände schwirren sehen können. Wir standen kurz vor der Katastrophe. Aber von einem Tag zum anderen hörte alles auf. Inzwischen sind auch die Vögel wieder weg. Es stinkt noch ein bisschen nach Kot. Das ist alles. Es ist noch mehr zur Wüste geworden. Aber was sollen wir machen? Das Land gehört uns nicht.・
Wer bei uns nichts zu arbeiten hat, der muss auch nicht wissen, wo genau die Station ist. Wir wollen wenig Aufsehen ・c・ Unser Fahrer, Jori, war einer der vielen Doktoranden und für unsere Betreuung und Ausbildung zuständig. Er hatte die meiste Zeit erzählt. Bald verlor ich den Faden. Diese Mischung aus Skepsis, einem Geheimnis, dem wir wahrscheinlich entgegen fuhren, der fremden, aber eintönigen Landschaft und dem Singsang des Fahrers versetzten mich in Halbschlaf. Irgendwie fehlte nur noch eine Fata Morgana. Oder wenigstens eine Löwenfamilie.
Das mach ich gleich!・
Hast du sie denn gefragt?・
Natürlich, ja ・c Obwohl ich so etwas auch noch nicht erlebt habe. Ihre Töchter sind ・c Also, wenn die Proben die von Ihren Kindern sein sollten, ・c Stellen wir uns vor, es gäbe einen Optimalwert, den ein Mensch haben könnte, also von seinen genetischen Voraussetzungen, bekannte Erkrankungen nicht zu bekommen, als auch von seinem allgemeinen Körperzustand her, dann wären die Ergebnisse ihrer Töchter exakt dieses Optimum. Dass beide identisch sind, brauche ich wohl nicht zu betonen. Das hielte ich bei eineiigen Zwillingen nicht für derart beachtlich. Also ・c・
Wir müssen nicht den Aufwand noch einmal treiben.・ Petra hatte sich bequem zurück gelehnt. Ihre Stimme wirkte entspannt. „Aber aus den Proben der Kinder allein lässt sich doch auch was sagen. Also einmal angenommen, meine wäre vertauscht worden ...・
Die Proben müssen irgendwie vertauscht worden sein. Zwischen der Probe, die ihre sein soll, und denen der beiden Mädchen besteht nicht die geringste genetische Ähnlichkeit. Ich würde also vorschlagen ・c・
n den auf den ASIK-Einsatz folgenden vier Monaten bestand Petras Hauptbeschäftigung im Knüpfen von Kontakten und in der Präsenz in Hochglanzmagazinen. Sie war nun Unternehmerin mit Erfolg. Da erwartete man von ihr entsprechendes Verhalten. Sie zeigte und verabscheute es zugleich. Aber wenn sie schon so viele Dinge tun sollte, die eigentlich mit Kreativität so absolut nichts zu tun hatten, dann sollte sich das wenigstens auszahlen. Mit derselben Verbissenheit, mit der sie zuvor ihr kleines Institut über Wasser gehalten hatte, baute sie nun systematisch ein gewaltiges Imperium auf. Eine weltfremde Forscherin wollte sie nicht sein. Wenn man sie also als Unternehmerin haben wollte, dann würde sie den Leuten den Gefallen tun. Bis sie tatsächlich den Europäischen Forschungspreis erhielt und über die ersten Teile der damit verbundenen Summe verfügen konnte, trieb sie der armen Bankberaterin Kolinghard viele Schweißtropfen auf die Stirn.
Jens hatte ihm alles genau geschildert. Am einfachsten wäre es wohl, vorsichtig bei den Nachbarn zu erkunden, ob sie denn etwas über den Verbleib der Wohnungseinrichtung wüssten. Granzner brauchte nicht viel zu fragen. Gleich die Dame in der unmittelbaren Nebenwohnung erinnerte sich an das Unternehmen, die Aufschrift, dass die Männer so laut gewesen seien, und es wäre ja ganz toll, wenn sich die Polizei um die Störung der Mittagsruhe kümmere ・c