... ist ein Romanprojekt, das ich bei EPIDU zur Diskussion gestellt habe ...
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veröffentlichte und unveröffentlichte Manuskripte und Überlegungen
Dienstag, 26. April 2011
In der Sammlung utopischer Erzählungen
"Mein außerirdischer Liebhaber"
bin ich mit den folgenden Geschichten vertreten:
"Abea"
"Klone der Zeit"
Labels:
Abea,
Anna Roth,
Klone,
Mein außerirdischer Liebhaber,
Oppi der Reife,
SOZAC,
unnützes Mädchen
Montag, 25. April 2011
Covertext "Planet der Pondos"
Montag, 4. April 2011
Leseprobe Buch 2: Testuden und Aerobolde
Nach dem Gespräch vergingen noch zwei ereignislose Wochen. Dann aber … Die Klonies hatten wie immer Tropfen und Kristalle gefüttert, die Seifenblasen waren verschwunden … hielt das blaue Leuchten des Kristalls unvermutet länger an als sonst. Es vergingen mehr als zwei Minuten, da färbte sich der Kristall türkis anstatt wie üblich zu verblassen. Langsam schwoll er an. Etwas Vergleichbares hatten wir noch nie gesehen.
Nach dem Gespräch vergingen noch zwei ereignislose Wochen. Dann aber … Die Klonies hatten wie immer Tropfen und Kristalle gefüttert, die Seifenblasen waren verschwunden … hielt das blaue Leuchten des Kristalls unvermutet länger an als sonst. Es vergingen mehr als zwei Minuten, da färbte sich der Kristall türkis anstatt wie üblich zu verblassen. Langsam schwoll er an. Etwas Vergleichbares hatten wir noch nie gesehen.
„Wie schwanger“, rief Jule mit kaum gedämpfter Stimme. Alle starrten gebannt auf dieses merkwürdige Etwas. Diesmal hätte uns unser Alarmsystem wohl kaum gerettet. Für andere Signale als die kleinen Veränderungen unseres Kristalls hatten wir keine Sinne mehr frei. Nach neun Minuten – so behauptete Jule später – war der Kristallbauch ungefähr auf die Größe eines menschlichen Neunmonatsbauches angeschwollen. Man sah vom ursprünglichen Kristall noch die Kanten als Striche auf der Oberfläche.
Sina rief: „Habt ihr das auch gehört? Es hat Plobb gemacht.“ Bevor ihr jemand antworten konnte, schnellte ein weiterer kleiner Punkt aus der gespannten Bauchdecke. Die nächsten folgten in immer kürzeren Abständen. Während die Haut langsam schlaff wurde, landeten Tausende solcher beweglichen Punkte um uns herum.
„Eine Lupe! Wo ist eine Lupe?“ Leonie reagierte als erste.
Glücklicherweise erinnerte sich Jule. Zuvor hatte noch niemand eine Lupe benutzt. Schließlich besaßen wir ein mittelgroßes Mikroskop.
In den folgenden zwei Minuten drängelten die vier Klonies Julia und mich immer wieder zur Seite. Leonie hatte die Lupe als erste ordentlich über mehrere Punkte gehalten. Begeistert brüllte sie: „Sind die aber niedlich!“
Sina rief: „Lass mich auch mal! …Tatsächlich! Sieht aus wie ganz kleine Schildkröten!“
So kleine Schildkröten gibt es wohl gar nicht. Die Körper waren wenig mehr als einen Millimeter groß, wie abgeplattete Halbkugeln mit kaum erkennbaren, sich träge bewegenden Beinchen daran. Was auch immer das war oder werden würde … der Eindruck, kleine Tierchen vor sich zu haben, sozusagen ihre Geburt erlebt zu haben, beherrschte uns alle.
Endlich hatte ich mich gefasst. „Wir müssen sie einfangen! Aber wie?“ Panisch sahen wir uns im Raum um. Pipetten, ja, die fanden wir. Nur keine verschließbaren Behälter, Bottiche, Gläser oder Kisten. Womit sollten wir denn diese Mikroschildkröten einsammeln? „Die fegen wir einfach zusammen.“
Kaum hatte ich das gesagt, rief Leo „Ich hol schon!“ und draußen war sie. Wir anderen standen hilflos herum. Die winzigen Wesen hatten sich inzwischen im ganzen Labor ausgebreitet. Das Zusammenfegen würde gar nicht so leicht werden, dachte ich noch, da ...
„Iiih! Was ist denn das?“ Entgeistert starrte Jule auf ihre Füße. Dort zerfielen gerade ihre Schuhe vor unser aller Augen in ein weißes Mehl. Hanna hatte sich an einen der Labortische angelehnt. Von dem schnellte sie wie durch ein Katapult abgefeuert zurück in den Raum. Allerdings war sie plötzlich nur noch mit Leinen-T-Shirt und Slip bekleidet. Die Vorderseite ihres Rocks fiel als Fetzen auf den Boden und löste sich dort auch auf. Und jetzt sahen wir es: Von allen Seiten fielen die krabbelnden Punkte über unsere Kleidung her, als wäre die für sie als Babynahrung gedacht – oder nein: über meine nicht. Jule und Sina standen schon splitternackt da. Sie schrien und quietschten, schlugen um sich, versuchten, die allgegenwärtigen Punkte von ihren Körpern abzuschütteln. Als ob sie Hunderte von Flöhen am Beißen hindern wollten. Wahrscheinlich juckte ihre Haut. Durch die wilden Bewegungen behinderten sie sich eher gegenseitig. Das Einfachste wäre doch gewesen, nach draußen zu flüchten. Ich stand immer noch vollständig bekleidet da. Rief: „Nun reißt euch doch endlich zusammen!“
Zumindest für eine Sekunde unterbrachen die anderen ihre Hampelei. Das reichte mir. Ich riss die Tür auf. Gerade als die anderen aus dem Labor stürmen wollten, kam Leonie mit einem Handfeger, einer Schippe und zwei großen Wassereimern mit Deckel.
Ich setzte mich durch. Von draußen kämpften wir nun gegen die Schildkrötenplage an. Im Laufe des folgenden Kampfes fiel zwar auch Leonie der letzten Fetzen vom Körper, aber das Labor eroberten wir zurück.
„Dreh bloß die Dusche auf! Mich juckt und krabbelt es überall“, rief Jule Leo zu. „Meinst du, uns nicht?“ antwortete die.
Bei mir konnte das Jucken eigentlich nur Einbildung sein. Mich hatten die kleinen Krabbler überhaut nicht angerührt. Als hätte ich unangenehmen Körpergeruch oder so. Hanna und Nanette, Sonjas Klonies, hatten wenigstens noch Unterwäsche zum Ausziehen. Die anderen konnten gleich ihren Tanz unter dem lauwarmen Regen der Gartendusche beginnen.
„Wo nur die Alten stecken?“ wunderte ich mich. „Ihr habt doch vorhin gequiekt wie abgestochne Schweine!“
„Die sind wohl ins Dorf gefahren. Ich hab jedenfalls keinen gesehen“, sagte Leonie. „Die vertrauen uns eben.“
Mein Blick überflog unseren Laborschuppen. Er sah beeindruckend sauber und aufgeräumt aus. Die Deckel der beiden Eimer waren geschlossen. Darin wussten wir ein Gemisch aus dem Mehlstaub, den kleinen Krabblern und anderem Dreck. Von den Minischildkröten war im Raum keine mehr zu sehen. Ich zweifelte aber nicht daran, dass viele von ihnen in den Garten entwischt waren. Auch im Labor hatten sich bestimmt Ausreißer in Ritzen und Ecken verborgen. „… Die nehmen wir uns später vor.“ Ich schüttelte ein paar Tropfen ab. „Erstmal bringen wir uns wieder in Ordnung.“
Im Haus zogen wir uns frisch an. Welch Glück, dass wir dabei keinem begegneten.
„Du, ist dir das aufgefallen: Die haben alles aufgefressen, was aus Silit war“, flüsterte Jule mir zu. Ich nickte. „Das wird wohl kein Zufall sein. Wir sehn uns das gleich an. Fliegen können sie ja nicht und hüpfen auch nicht.“ Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Das hatten die anderen davon, dass sie der neuesten Mode hinterherliefen.
Als wir zum Labor zurückkamen, fiel uns neben der Tür ein frisches Mäuseloch auf. Ich spähte durch eines der Fenster. Drinnen sah alles aus wie vorher. Nein. Die beiden Eimer waren umgekippt. Und wirklich: Alle Schildkröten waren weg.
„Müssen wir das jetzt alles erzählen?“ fragte Leonie.
„Besser nicht. Das bringt nur Ärger“, beruhigte ich sie. „Außerdem … was ist denn schon passiert?“
Leseprobe Buch 1 "Die Sikroben"
...
Rahman hatte sich letztlich an seine neue Umgebung Näswerder und den Trooch gewöhnt. Er wurde Spitze – und nicht nur im Genießen von Schmachtblicken der Mädchen. Bald schon wollten die meisten bei Klassenarbeiten in seiner Nähe sitzen, um abzuschreiben oder seine Lösungszettel zugeschoben zu bekommen. Warum sollte er dann nicht Medizin studieren? Klar, damit kostete er seine Familie viel Geld und er zöge aus der gerade gewonnenen Heimat schon wieder weg nach Berlin, aber er besänftigte seine Eltern. Er versprach ihnen, sich nach dem Studium um eine Stelle an der mecklenburgischen Landesklinik zu bewerben, und das war doch eine Aussicht! Der Vater sah seinen Sohn schon als künftigen Chefarzt. Da machte es auch nichts, als die erste Bewerbung trotz eines hervorragenden Staatsexamens scheiterte. Rahman blieb vorerst in seiner Studentenbude in Berlin, um seinen Doktor der Medizin zu machen – das hoffte zumindest die Familie.
Von Rahmans Versuchen mit seiner Kugel ahnten sie natürlich nichts. Er hatte sie während des Studiums zum Beispiel einem künftigen Zahnarzt gezeigt. Man müsse eben, entschied dieser überzeugt und im Vollbesitz eines nicht unerheblichen Alkoholpegels, mittels eines Zahnbohrers ein Loch in die Oberfläche des merkwürdigen Objekts bohren. Unglücklicherweise machten sich beide sofort ans Werk. Die Folge dieses wissenschaftlichen Experiments war niederschmetternd. Der Bohrer zerbrach wie die Freundschaft der beiden Studenten, als sich abzeichnete, wie hoch der nächtliche Schaden war. Dabei hatten sie eines trotzdem nicht geschafft: Die Oberfläche der Kugel war nicht einmal angeritzt. Der andere Student ging Rahman von da an aus dem Weg.
Rahman entschied für sich, von nun an jedes wissenschaftliche Interesse an diesem nichtdentalen Medium geheim zu halten. Schließlich war die ganze Angelegenheit nur dadurch ins Rollen gekommen, dass er erzählt hatte, wie er kurz zuvor ähnlich den Versuchen auf Näswerder mit dem Hammer auf die Kugel eingedroschen hatte. Immerhin sei er wohl jetzt stärker und geschickter als damals, hatte er angesichts der gemeinschaftlich geleerten Flaschen erklärt. Und dass er abgerutscht war, ohne Wirkung zu erzielen. Die unscheinbar graue Kugel schien ihn verspotten zu wollen. Was er auch tat, er erreichte nichts. Sollte er vielleicht aufs Dach steigen, um sie aufs Pflaster herunterfallen zu lassen? Wahrscheinlich zertrümmerte er damit eher ein Stück Straße als den Kern der Kugel freizulegen. Das hatte dann seinen Kommilitonen provoziert, dem Ding mal richtig auf den Zahn zu fühlen.
Nie wieder so einen Mist!
Der Vorsatz hielt allerdings nicht lange. Die Wendung brachte eine sich anbahnende Freundschaft mit einer Röntgenassistentin. Dass er nicht früher auf die Idee gekommen war! Warum nicht erst einmal nachsehen, ob etwas drin war in dem Ding?
„Ja, es ist verrückt. Aber das Ding beschäftigt mich schon seit meiner Kinderzeit. Es schadet doch nichts. Du durchleuchtest die Kugel in einer Pause. Ich tue, als wäre ich Patient und verschwinde sofort wieder.“
Sie konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen. Sie war zwar noch in der Ausbildung, aber sie freute sich zu sehr, dass er noch etwas verrückter schien als die Männer, die sie bisher kennen gelernt hatte. Alles geschah zwischendurch, außer der Reihe, ähnlich anderen studentischen Scherzen.. Schnell ein paar Röntgenbilder, für die eigentlich Rahman in die Kabine gegangen war … „Entschuldige, ich hab ein paar Bilder mehr gemacht. Das macht doch wohl nichts bei so einer toten Kugel, oder?“ Das war natürlich eine naive Frage, aber Rahmen ahnte das nicht. Er hatte längst ein anderes Problem als die Frage, ob seine Partnerin in diesem Fall Probleme mit der technischen Abrechnung der Röntgenuntersuchungen bekommen könnte: Als er nämlich, spitzbübisch feixend, die Kugel in seinem Rucksack hatte verschwinden lassen, schien sie bläulich zu schimmern. Und Rahman war absolut nüchtern. Und verunsichert.
Abends, als er sein Schwurstück genauer betrachtete, konnte er sich nicht entscheiden. Bildete er sich das Schimmern nun ein, weil er es am Nachmittag gesehen hatte? Hatte er es denn überhaupt gesehen? Wenn ja, war es sehr schwach. Vielleicht war es trotzdem besser, die Kugel in eine Bleimatte einzupacken? Man konnte ja nicht wissen… Doch! Als er abends die Kugel auf den Tisch legte, das Licht ausknipste und lange genug gewartet hatte, um die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, sah er es wieder: Da flimmerte etwas bläulich. Und das hing nicht mit seinem Zustand zusammen.
Zwei Röntgenaufnahmen hatte er mitbekommen.
„Also ich weiß nicht, was das sein soll…“
Eine Aufhellung mit scharfen Konturen in der Mitte... Das kribbelte ungeheuerlich: In der Kugel war etwas verborgen. Daran gab es keinen Zweifel. „Das wäre doch einmal ein Grund zur Freude, wenn die unscheinbare Schale vielleicht so etwas wie einen Edelstein von gewaltigen Ausmaßen verbirgt, oder?“
Die Röntgenassistentin ließ sich von Rahmans Lachen anstecken. Beide waren sich des Unsinns wohl bewusst. So leicht, wie die Kugel im Ganzen war, konnte sie keinen schweren Edelstein enthalten. Aber es wurde ein schöner gemeinsamer Abend.
Sicher war nur eines: Den Kern seiner Kugel bildete ein vollkommen ebenmäßig geformter fremdartiger Körper. Eine Art Kristall - so groß wie ein Hühnerei mit abgerundeten Ecken, feixte Rahmen. Andererseits war die Kugel fast so leicht wie ein Ball! Jeder Kern dieser Größe hätte für sich allein schon schwerer sein müssen!
In der folgenden Woche besuchte Rahman einen Freund in dessen Werkstatt. Pedro hatte einen eigentümlichen Grund zu feiern: Seine letzte Freundin hatte ihn abserviert. Vielleicht hätte er zugeben sollen, was er wirklich vorhatte: Ein Frustsaufen. Egal. Piet und Norman waren dabei und Rahman, natürlich. Keinem fiel auf, wie sehr der sich beim Trinken zurückhielt. Trotzdem hatte die Truppe schon früh alle Reserven aufgebraucht. So stiegen Piet und Norman aus dem Wetttrinken aus.
„Bleibst wenigstens du noch?“
Pedros Frage kam Rahman gerade recht.
„Klar“, antwortete er. Jetzt war es so weit. Pedro brachte die anderen zur Tür – und ging in den Keller, Bier holen. Die Zeit musste reichen. Kaum war Rahman allein, lief er zur Werkstatt, holte seine Kugel hervor, spannte sie in einen Schraubstock und setzte einen von Pedros Spezialbohrern an. Es war wie ein Rausch. Zugegeben: Etwas Alkohol hatte er wirklich im Blut. Seine Bewegungen waren nicht gerade die eines Arztes. Und er hatte es eilig. Ihm ging dabei die Sache mit dem Zahnarzt durch den Kopf. Dieser Reinfall, den er Pedro gegenüber nicht erwähnt hatte … der musste ja nicht alles wissen – in seinem Zustand bedachte Rahman überhaupt nicht, dass er ja irgendeine Geschichte erzählen musste, wenn auch Pedros Bohrer zu Bruch gehen sollte. Rahman fing einfach an.
Der Bohrer senkte sich langsam, setzte auf, es stoben ein paar Funken zur Seite, es gab ein schrilles Geräusch und … der Bohrer drang ein, als hätte er ganz normales butterweiches Holz vor sich! Rahman drückte den Rückwärtsgang. Tatsächlich: In der bisher so unverwüstlichen Oberfläche war ein winziges Loch. Zitternd suchte Rahman nach größeren Bohrern. „Das Loch“, murmelte er vor sich hin, „ich muss es vergrößern…“
Ein Wunder geschah: Er verletzte sich nicht. Er hörte sogar Pedro rechtzeitig kommen, steckte die Kugel in die Tasche, blies den Staub zur Seite, lief zurück ins Wohnzimmer …
Als Pedro die Tür öffnete, hatte Rahman sich so hingefläzt, als hätte er die ganze Zeit sehnsüchtig auf Nachschub gewartet. Aus Begeisterung über den Erfolg trank er mit Pedro mit, bis beide nicht mehr konnten und wollten.
Rahman konnte es kaum aushalten. Er entschuldigte sich bei seinen Eltern. Wochenenddienst. Er rüstete sich mit unterschiedlichsten Werkzeugen aus. Es sollte ein richtiges technisches Wochenende werden. Dachte er.
Er irrte. All sein Werkzeug brauchte er nicht. Am Freitagabend drückte er nur probeweise die Spitze eines Nagels leicht auf das Bohrloch und klopfte mit dem Hammer darauf. Schon passierte es. Die Schale zerplatzte.
Verwundert starrte Rahman auf die Reste der Kugel, die ihn vom Tisch aus staubig angrinsten: Da lag etwas, was verdächtig an ein benutztes Kondom erinnerte, nämlich die äußere Kugelhülle mit Loch. Dann lag da ein Haufen grauer Dreck, teils klumpig, teils staubkörnchenfein. Aber was Rahmans Blick fesselte, war natürlich der Kern, eben der, der das Röntgenbild so aufregend beherrscht hatte.
Ein schillernder und funkelnder Riesenkristall. Rahman nahm ihn in die Hand, putzte ihn blank, genoss das Licht, das aus ihm zurückstrahlte und presste ihn schließlich fest an sich. Seine Faust schien zu glühen, Wärme auszustrahlen, die wohlig durch den ganzen Körper floss. Ein Glückstaumel. Rahman fühlte sich federleicht. Benommen. Berauscht. Fast im selben Moment aber auch tonnenschwer müde. Er schwankte, summte vor sich hin, wiegte sich wie eine maskuline Bauchtänzerin in den Hüften. Natürlich ließ er während der ganzen Zeit seinen Kristall nicht eine Sekunde los. Er barg ihn in der rechten Hand. Mit der linken streifte er Hemd und Hose vom Körper. Ließ sie am Boden liegen und sich ins Bett fallen. Einhändig zog er die Decke über den Körper.
Welch ein Gefühl! Ein unbeschreiblich wertvoller Kristall. Bestimmt! Ein sich kurz aufbäumender Gedanke: Rahman, schon morgen haben sich alle Illusionen in Wohlgefallen aufgelöst. Du kannst ja nicht einmal einen Edelstein von einem ziemlich wertlosen Bergkristall unterscheiden. Wenigstens für diese eine Nacht darf ich mich reich fühlen, antwortete er sich. Dabei vergaß er sich zu wundern. Wer wird schon so unvermittelt müde und schläft dann nicht ein?
Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein. Diese schwebenden, ihn gnadenlos jagenden Kristalle … Grrr! Und dieser leere Raum. Er war gerannt und gerannt, hatte keine Luft mehr bekommen, … und hätte jetzt schweißgebadet feststellen müssen, dass er sich die Decke über den Kopf gezogen hatte. Was wäre das für ein wunderschöner Albtraum gewesen zum Weitererzählen!
Aber die Unruhe nahm eher noch zu, jetzt, da er, mit trockener Haut und ohne Decke über dem Kopf, aufgewacht war. Wirklich aufgewacht? Ganz sicher? Vielleicht war er nur in den nächsten Traum geraten?
Neben ihm zischte etwas. Das war eigentlich ausgeschlossen. Rahman hatte das Zimmer von innen verriegelt, und sein Zimmergefährte war übers Wochenende abgeholt worden. Es konnte also nichts und niemand im Raum sein und zischen.
Am liebsten hätte Rahman laut „Ist da wer?“ gerufen, geantwortet, „Ja. Ich!“ und gelacht. Aber dafür war das Rauschen zu deutlich. Es hörte sich an, als ob Gas aus einem Rohr ausströmte. Oder… Nein, das Geräusch in seinem Zimmer wurde deutlicher, es kam näher. Rahman atmete ein, aus, ein … Er hielt den Atem an. Kein Zweifel: Etwas rauschte vom Tisch her auf ihn zu, und das war, so sehr er sich das gewünscht hätte, nicht sein Rausch.
Es wurde immer heller. Der ganze Raum war von blauem Dämmerlicht erfüllt.
Die Lampe verbreitete normalerweise natürlich kein blaues Licht, und Rahman hatte sie sowieso erst anschalten wollen. Sein linker Zeigefinger hing noch auf dem Weg zum Lichtschalter in der Luft.
Rahman lag da wie erstarrt. Der Lampenschirm! Ungläubig klebte Rahmans Blick auf dessen bisher so herrlich kitschigen Muster. Wie sich der Schirm veränderte. Sich bewegte. Als ob er aufschäumte... und dann, ebenso kurz, glitzerte er wie von Eiskristallen überzogen. Zum Schluss verlor er jede Kontur und schmolz. Auch der Schreibtisch darunter sackte wie in einer Computersimulation zu einem zähen Brei zusammen.
Rahmans Blick verfolgte fassungslos, was da über seine Einrichtung hinwegspritzte. Bläulich leuchtende, sich scheinbar aus eigener Kraft bewegende Tropfen. Ja, wirklich: Hüpfende Tropfen! Wie lebendig! Immer dort, wo sie auftauchten, lösten sich die gewohnten Dinge in Brei auf. Die Tropfen veränderten dabei ständig ihre Gestalt. Strahlten, glühten, teilten sich. Sprangen weiter, wo alles zähflüssig geworden war, wo nichts mehr stand oder lag …
Und Rahman lag in seinem Bett! Wenn sie so weiter machten, hätten sie es bald erreicht! Sich selbst umherspritzend, hüpfend…
Ein Traum! Ein Albtraum! Rahman, wach auf!
Dumm nur, er kam sich wahnsinnig munter dabei vor. Und das Kneifen mit der linken Hand verursachte echte Schmerzen. Mehr als man träumen konnte. Trotzdem: Wo gab es so etwas sonst? Rahman bekam keinen Laut über die Lippen. Rührte sich nicht.
Gerade noch rechtzeitig, bevor die ersten Tropfen das Bett erreichten, schnellte er dann doch hoch. Landete artistisch auf dem Fensterbrett, dem einzigen Rest seines Zimmers, den die Tropfen noch nicht erobert hatten. Den Weg zur Tür hatten sie versperrt, Tisch und Stühle in der Zimmermitte waren im Brei verschwunden. Vor Rahmans Augen verwandelte sich das Bett, in dem er eben noch gelegen hatte, erst in etwas Glitzerndes; dann löste es sich auf. Mit etwas tieferem Schlaf hätten sie ihn selbst bereits aufgelöst. Schlammige Ruhe.
Mühsam suchte Rahman nach Ordnung in den Gedanken.
Einmal angenommen, er sah, was er sah, was sah er dann? Verwandlungen, die immer mit einer Schaumwolke begannen, auf der die ersten Tropfen ritten. Dann Eiskristalle auf der bisher gewohnten Zimmereinrichtung, auf die er notfalls auch verzichten konnte, und dann schmolz alles zu einer breiigen Masse zusammen. Wenn er nicht schnellstens einen Fluchtweg fand, dann wäre auch er gleich nur noch Brei.
Eine Schaumwolke näherte sich ihm. Inzwischen war auch der letzte Schrank verschwunden. Der Raum war leer. Bis auf den Brei und die lebhaft funkelnden Tropfen an seinen Rändern. Die Zimmertür sank zusammen. Löste sich auf. Gab dem träge fließenden Strom den Weg nach draußen frei …
Rahman schöpfte wieder Hoffnung. Unmengen blau funkelnder Tropfen spritzten weg auf den Flur. … Fließt nur, fließt! Sucht euch was anderes! … Warum bildete er sich ein, dass ein Teil dieser Misttropfen an der Mauer nagte und zu ihm hochzuspringen versuchte? … Weg, weg!
Die Tropfen ließen ihm immer weniger freien Raum. Scheinbar gezielt rückten sie gegen ihn vor, langsam, aber unerbittlich. Holten sich immer mehr Brüder, Schwestern und gefräßige Nichten, obwohl sie doch längst über den Flur hätten abfließen können.
Rahman krallte sich mit einer Hand am Fensterkreuz fest, mit der anderen umklammerte er noch immer seinen Kristall. Er brüllte um Hilfe. Hoffte im nächsten Moment, dass ihn niemand gehört hatte. Wie sollte ihm jemand helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. In so eine unbegreifliche Gefahr?
Ihm blieb nur eine Chance: Raus! Da waren zwar ein paar Etagen bis unten, aber …Ja, raus hier! Draußen …
Schon hatte Rahman das Fenster aufgerissen. Mit einer Windbö klatschte erfrischender Regen ins Zimmer. Dort, wo er auf die funkelnden Tropfen traf, zischte es und … denkste: Nichts war gelöscht. Im Gegenteil! Einige jener „Tropfen“ spritzten nach oben. Erreichten Rahman. Nicht viele, aber das war wohl egal. Er merkte es ja nicht mehr. Er hatte sich gerade etwas nach draußen gebeugt, da begann seine Umwandlung. Als eine Glitzerpuppe war der vorgebeugte Teil schwerer als das Beinstück. Das ganze Ding, was einmal Rahman gewesen war, stürzte zum Fenster hinaus. Auf dem Bürgersteig prallte es auf und zerbrach. In weitem Halbkreis verteilten sich die Bruchstücke. Rahmans Hand am abgebrochenen Unterarm umklammerte noch immer den Kristall und bot sich sofort als künftiges interessantes Fundstück dar. Vielleicht zwei Zehntelsekunden fehlten, dann hätte die ganze Puppe eine Jahrhunderte überdauernde Festigkeit gewonnen. Wäre danach aber im Brei verschwunden. So aber sprangen die wenigen Tropfen, die mit abgestürzt waren, von ihrem unvollendeten Werk in unbekannte Richtungen davon.
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