Leseproben

Dienstag, 6. April 2010

Homo Sapiens
Inhalt
Doktor Jekyll Petra Herbst
Aus dem Schatten
Die Zähmung der Testuden
Unter falschem Namen
Der Anfang vom Ende
Ein Griff mit Folgen
Der frei gelassene Vogel
Der Kampf
Ein neuer Anfang
Entlassen in die Wüste
Auch du, Brutus?
Kontakt?
Schluss für・Ls erste
 
Doktor Jekyll Petra Herbst
H
Diese Testuden ... Petra hatte ein paar Tage gebraucht, um ihre Gefühle für die erstarrten Wesen in den Griff zu bekommen. Schließlich unterschieden sie sich nur in ihrem Umfang von jenen Vielfraßen, die vor wenigen Monaten über ihr Berliner Institutsgelände hergefallen waren. Es kostete Petra Mühe, Hass und Angst zurückzudrängen. Sich klar zu werden, dass es nur ein ihnen eingegebenes Programm war, Silit zu fressen. Das der ihnen als Baustoff für ein neues und wertvolles Gebäude begegnen würde, konnten sie weder vorhersehen noch berücksichtigen. Trotzdem. Als diese Metallschildkröten sich das erste Mal bewegten, weil ein unsichtbares Signal von dem kurz aus seiner Hülle befreiten Kristall ihnen das befahl, kam es Petra vor, als kommandierte sie eine Meute blutrünstiger Kampfhunde.
Nun also lagen alle Möglichkeiten der fremden Programme in den Händen der Herbst-Gesellschaft, vorausgesetzt, das waren alle auf der Erde angekommenen Kristalle. Dass sich die Testuden wieder „anschalten・ ließen, lag offenbar daran, dass so viele Kristalle beieinander versammelt waren.
Nun, in der Kalahari, stand die Frage, welche Kräfte zwischen den fremden Wesen wirkten und wie man sie steuerte? Wie auch immer Petra diese Frage formulierte, sie bemerkte keine Veränderung ihres Gemütszustandes. Entweder interessierte die Kristalle die Fragestellung nicht oder sie hatten aus einem anderen Grund aufgehört, Petra Denkanregungen zu geben.
Die zusätzlichen Aerobolde, jene fliegenden Glücksbringer, funktionierten sofort. Sie flogen wieder los und verschwanden unkontrollierbar. Sie kamen aber wie schon im Vorjahr zurück und verwandelten das Jahr ihrer Besitzerin in eine endlose Aneinanderreihung von Weihnachtstagen. Unermüdlich brachten sie Metallbarren. Theoretisch war absehbar, dass irgendwann der gesamte Bedarf der Erde an allen Metallen gedeckt wäre. Na und?
Aber die Testuden?
Alles das, was Petra von den Sternekoper Ereignissen gehört und gesehen hatte, nährte Hoffnungen auf Sensationen. Eine Fabrik ohne unzuverlässige Menschenarbeit, absolut vollautomatisch, die jeden Gegenstand herstellen könnte, der ihr befohlen wurde. Diese Fabrik konnte ihre werden. Die einzige Kleinigkeit, die noch offen war: Sie musste einen Weg finden, die gespeicherten Produktionsprogramme zu verändern.
Nach vielen Wochen des Probierens kam die Ernüchterung. Neben vielen scheinbar unlösbaren Problemen stellte Petra fest, dass sie ihre unterschwellige Angst doch nicht los wurde. Sie scheute weiter davor zurück, den Testudenkristall für mehr als Sekunden unabgeschirmt zu lassen.
Petra begann wieder mit Grundlagenforschungen. Sie warf sich vor, dass sie das zu lange vernachlässigt hatte. Was mochte in der Wissenschaftswelt inzwischen alles vorgefallen sein! Ihr grauste bei der Vorstellung, dass sie seit Monaten so sehr mit ihren eigenen Ergebnissen beschäftigt gewesen war, dass sie fast gar keinen wissenschaftlichen Artikel mehr gelesen hatte. Da hoffte sie jetzt auf ein Tauchbecken mit kaltem Wasser nach einem überlangen Aufenthalt im Saunaraum. Sie sollte mal wieder für „Science・ einen Artikel schreiben. Was hatte sie denn an theoretischen und praktischen Ergebnissen neben ihrem beachtlichen Reichtum erzielt?
Ein Team von Rechercheuren sammelte in ihrem Auftrag alle Artikel, die mit dem Stichwort „Künstliche Intelligenz・ und „Informatik・ verbunden waren. Biologische, ethische, technische, chemische Probleme. Alles landete auf Petras Schreibtisch. Petra war begeistert. Ihre Fähigkeiten aus alter Wissenschaftszeit waren nicht verloren gegangen. Sie konnte immer noch selektiv lesen, in einer Stunde 100 Seiten Text überfliegen, bei dem ein normaler Mensch schon auf der ersten nicht begriffen hätte, worum es eigentlich ging.
So stieß sie auf diesen Robert Scarian. Wie schrieb der? „Skrupel behindern die Möglichkeiten von Wissenschaft und Forschung. Ein echter Wissenschaftler ist die Verkörperung totaler Kreativität, und er braucht die uneingeschränkte Freiheit in der Wahl seiner Denkrichtung.・
Erst schüttelte Petra mit dem Kopf. Ein Möchtegern-Mephisto ・c Dann aber entdeckte sie, dass dieser Mann in den Monaten, in denen sie den Wissenschaftsbetrieb verschlafen hatte, erfolgreich Forschungen in mehreren, nicht miteinander zusammenhängenden Bereichen betrieben hatte. War er ein Genie, wie es im Laufe jedes Jahrhunderts nur durchschnittlich einmal vorkommt?
Scarian dozierte im ersten Artikel, den Petra aufmerksamer las, über absolute und relative Intelligenz. Er bemängelte darin, dass niemand mit überzeugenden theoretischen Denkansätzen auf das Auftreten der außerirdischen Kräfte auf der Erde reagiert hatte. Bisher sei nicht einmal abschließend bewiesen oder verworfen worden, ob es denn überhaupt Sendboten einer nicht-irdischen Vernunft gewesen seien. Nicht zuletzt hätte man in der Verständigung über die Begriffe längst weiter sein müssen. Intelligenz sei eine Funktion jeder Materie, entsprechend erkannter Zweckmäßigkeit auf ihre Umwelt einzuwirken. Was sollte das heißen? Im relativen Sinne besäßen also dann alle Lebensformen Intelligenz?! Es ginge nur um den unterschiedlichen Grad, in dem eine solche Einwirkung wirklich als zweckmäßig erkannt würde? Beim Menschen sei der Übergang zwischen absoluter und relativer Erkenntnis am spannendsten: Wenn er ein Urwaldstück für seine unmittelbaren Zwecke frei geräumt habe, sei dies relativ intelligent gewesen. Er könne dann dort endlich machen, was er sich vorher vorgestellt habe. Der Mensch habe diese Intelligenz sogar messbar gemacht. Je relativ intelligenter ein Zweck, umso mehr Geld bringe er ein. Egal, ob das nun landwirtschaftliche Nutzung, verkauftes Holz, Bioenergie oder Weiterverkauf eines bisher wertlosen Stück Bodens an einen neuen Nutzer sei.
Absolut, also in großen Zusammenhängen gesehen, sei unter Umständen gerade jene Urwaldvernichtung dumm, denn sie verändere letztlich das Erdklima und die Versorgung der Menschheit mit Lebensmitteln so, dass sie der Menschheit als Ganzes die Grundlagen seiner weiteren Existenz entziehe. Betrachte eine außen stehende Intelligenz solche logischen Reihen, bei denen die handlungsfähigen Einzelindividuen die Interessen ihrer kleinen relativen Intelligenz den Erfordernissen der absoluten und bereits erkannten Vernunft vorzögen, müsse diese außen stehenden Intelligenz nicht zwangsläufig vernünftig vorkommen, die Erde frühzeitig von störenden Menschen zu befreien? So wäre am einfachsten die künftige Existenz der Erde und die der Außerirdischen als Bewahrer und Entwickler der Weltintelligenz zu sichern. Dass ein solches Terraforming vorerst misslungen zu sein schien, sei wahrscheinlich ein Rückschritt der Weltentwicklung. Vor dieser Erkenntnis ständen die Außerirdischen gerade, wenn es denn welche gewesen sein sollten. Man stelle sich deren Schlussfolgerungen vor ・c
Petra schüttelte den Kopf. Ein Raumkrieg-Freak! Abgesehen von den verschraubten Formulierungen verstieg sich dieser Scarian an anderer Stelle ernsthaft zu der Behauptung, dass selbst Bakterien in ihrer Gesamtheit praktisch um ein vielfaches intelligenter als die Menschen seien. Der Mensch beweihräuchere sich in seiner Überheblichkeit selbst, weil er die Auswirkungen seiner nächsten Schritte voraussehen könne. Die Natur als Ganzes schaffe wenigstens sofort immer neue Systeme, sich selbst zu erhalten und weiterzuentwickeln. In ihr sei jeder kleine Untergang einer Art sinnvolle Voraussetzung für die folgende höhere Stufe einer anderen. Die verschlüsselte Botschaft aus dem All sei ein Signal, dass die Natur auf galaktischer Ebene das Menschheitszeitalter abzuschließen gedenke. Die Menschheit könne sich wohl nicht in ein größeres Gesamtsystem einfügen.
Beinahe hätte Petra den Artikel zur Seite gelegt. Größeres Gesamtsystem ・c Was für ein Quatsch! Doch nach alter Gewohnheit klickte sie ein paar Links zu anderen aktuellen Arbeiten des Briten an. Robert Scarian war erst 26 Jahre alt. Er hatte in den letzten 20 Monaten seine Dissertation verteidigt. Sogar mit der natürlichen Impulsspeicherung von Informationen hatte er sich beschäftigt. Er wollte die Schule und spätere Weiterbildung revolutionieren. Es gäbe viel zu viele ungenutzte menschliche Gehirnbereiche. Wenn es gelänge, diese mit künstlichen Erfahrungen zu füllen und zu vernetzen, um wie viel klüger wären künftige Menschen ・ und mit welch geringem und kontrollierbarem Aufwand! Vor allem könne man vorher auswählen, welche Kenntnisse für wen geeignet seien.
„Wenn der so ist, wie er schreibt, dann schreckt er vor nichts zurück. Der entwickelt vielleicht die Ideen, die ich jetzt brauche. Er muss her.・
Es dauerte insgesamt zwei Stunden, bis sie ihn dazu überredet hatte, sich wenigstens einmal das Institutsgelände in der Kalahari anzusehen.
Scarian stand da wie ein leicht zu lesendes Buch. Eines mit großen Buchstaben. Er sah sich suchend in der relativ leeren Vorhalle des Flughafens von Windhuk um. Entdeckte Petra, lächelte verlegen. Zweifellos war er im Umgang mit Öffentlichkeit und fremden Frauen ungeübt.
Sie ließ ihm Zeit, sich zu sammeln. Erst als er seine offensichtliche Unsicherheit gebändigt hatte, ging sie auf ihn zu, um ihn Willkommen zu heißen, ihn dabei wie einen alten Bekannten zu umarmen. Überrascht bemerkte sie, dass sie dabei selbst etwas befangen war. Sie sah nicht zu ihrem Beifahrer, und die Landschaft glitt wie ein zu schnell abgespielter Film an ihr vorbei.
Dann tauchte vor ihnen eine weiträumige Siedlung auf. Scarian staunte: „Was ist denn das? Die afrikanischen Metropolen bemühen sich doch sonst um ein modernes Outfit. Das hier erinnert eher an eine aufgeblähte Goldgräberstadt aus dem 19. Jahrhundert.・
„Ich kann mir schwer vorstellen, dass Sie echte Goldgräberstädte aus jener Zeit kennen.・ Petra lachte scheinbar entspannt. Dabei rückte sie den dünnen Tropenhut im allgegenwärtigen Sandrot leicht in den Nacken. Ihr widerspenstiges blondes Haar drängte hervor. „Ich allerdings auch nicht. Aber Gemeinsamkeiten könnte es schon geben. Herbsttown haben wir in wenigen Monaten aus dem Boden gestampft. Hier wohnt niemand, der auf Dauer bleiben will. Für schnelles Geld reicht das.・
„Aber das sind doch nur Zelte und Slums.・
„Das ist nur der Außenbereich. Der Platz für die Verlierer, die grundlos ewig weiter hoffen. Von der Fläche her ist Herbsttown riesig. Zugegeben ・ unser kleines Stück West-Kalahari hat sich total verändert. Aber es ist nicht viel, und die eigentliche Stadt sehen Sie erst nachher.・
„Und worauf hoffen die Leute hier?・
„Wahrscheinlich auf ein Wunder. Eigentlich bleibt für die meisten von ihnen wenig zu tun, vor allem natürlich für so viele. Die wichtigsten Arbeiten machen ja unsere destudines extraterrestres.・ Petra warf einen Seitenblick auf ihren Mitfahrer, aber da er lachte, hatte er wohl den Witz verstanden. Außerirdische Schildkröten ・c „Beziehungsweise die Aerobolde, die hier dem Boden Rohstoffe entziehen. Sie tragen ständig neue Metallbarren zu unseren Anlagen. Leider haben sie sich unserem Verständnis bisher erfolgreich entzogen. Wir hätten allzu gern gewusst, wo und wie diese Umwandlung erfolgt. Aber sie stellen jede Tätigkeit sofort ein, sobald sie sich beobachtet glauben. Weiß der Teufel, wie sie das mitbekommen. Wir haben sie während ihrer Ruhephase mit Ortungssendern versehen. Die waren nachher verschwunden. An den Fliegern waren sie nicht mehr, und die Viecher haben sie so gründlich zerstört, dass nichts Anpeilbares übrig geblieben ist. Auch das satellitengestützte Suchsystem verliert sie permanent aus dem Auge, kaum dass sie den Bereich der Stadt verlassen.・ Das Fahrzeug fuhr einen Halbkreis. Petra ahnte, dass Roberts ungeübtes Auge keinen Grund dafür sah. Das war schließlich keine Straße im herkömmlichen Sinn. „Damit könnte ich notfalls leben. Schlimmer ist, dass wir noch immer nicht ihren Code entschlüsseln konnten und wir damit keinen Einfluss auf sie haben. Irgendetwas muss sie doch lenken. Wie in Brandenburg bringen sie verschiedenste Barren in unverständlichen Rhythmen. Was daraus wird, entscheiden wir. Aber nur deshalb, weil wir die Barren schnell ihrem Zugriff entziehen. Nur sind unsere technologischen Möglichkeiten begrenzt. Wir müssten kräftig investieren, wollten wir all das Metall weiterverarbeiten. Bisher ist es für uns immer noch günstiger, die unbearbeiteten Rohstoffe zu verkaufen. Bei gesättigten Märkten sinkt natürlich der Preis. Oder wir müssten galaktisch große Lager anlegen. Befriedigend ist das nicht.・
Robert lächelte. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann brauchen Sie mich hier für zweierlei: Ich soll die Umwandlungsprinzipien der Wesen entschlüsseln, damit sie endlich genau jene Elemente gewinnen, nach denen es Ihnen verlangt. Und ich soll ein Konstruktionsprogramm entwickeln, das ihre Testuden veranlasst, etwas zu bauen, was Sie gerne hätten. Sie haben also bemerkt, dass ich mich gerade mit dem zweiten Problemkreis beschäftige.・
„Klar habe ich das. Aber ・c Mal angenommen, Sie blieben hier ・ was hätten Sie sich als Belohnung vorgestellt?・
Scarian sah aus wie ein Einstein-Wiedergänger mit kurzen bzw. an den Seiten abrasierten Haaren. Er schien verlegen. Glücklicherweise rettete ihn ein Piepton der Steuerautomatik davor, gleich antworten zu müssen. „Umkreis Herbst-City erreicht.・ Es vergingen noch ein paar Sekunden, da hatte das E-Car die Anhöhe erklommen. Vor ihm entfaltete sich die Stadt in einem riesigen Talkessel. Robert erkannte noch die Geometrie der ursprünglich planvoll gewachsenen Forschungsstation. Die neueren Gebäude wirkten dagegen wie wild in die Landschaft gekleckert. Für Robert verströmte das Ganze den Duft von Abenteuer. Hätte Petra in diesem Moment in seine Augen gesehen, ihr wäre klar gewesen, dass seine Entscheidung bereits gefallen war. Sie hatte aber gerade Jori entdeckt, der an der Spitze einer kleinen Begrüßungskommission auf der Hauptstraße wartete.
„Zeigen wir unserem Gast die Oase. Er wird begeistert sein.・
Petra versprach nicht zu viel. Natürlich gab es die meisten der Flachbauten noch, in denen die Forschungsgruppen der Anfangszeit ihre Quartiere gehabt hatten, und sie wurden alle benutzt. Aber zwischen den vielen neuen Bauten musste man sie schon gezielt suchen. Für Scarian war eine Unterkunft vorbereitet, die äußerlich einem Hotel im Kolonialstil nachempfunden war. Allerdings interessierte er sich dafür genauso wenig wie für den Poolbereich dahinter. Für ihn wurde es erst spannend, als sich die kleine Gruppe sechs Gebäuden näherte, deren Außenmauern als einzige in der gesamten Siedlung dunkel gehalten waren.
„Hier wohnen unsere außerirdischen Gäste.・ Petra lächelte. Dann öffnete sie die erste Tür und schob Robert hinein. In dem Bauwerk lag einer der Kristalle, den Robert aus den Fernsehübertragungen noch in guter Erinnerung hatte, auf einem Podest. An der fensterlosen Fläche lagerten grob geschätzt über Tausend Aerobolde wie eine Ziegelsteinmauer gestapelt übereinander. Das Gebäude hatte hinten eine offene Einflugschneise und erinnerte deshalb entfernt an einen Carport.
・Diese Bergleute pausieren im Moment. Wir räumen ihre Ports aus, sobald sie wieder draußen sind.・
Sie besichtigten noch die Rampen. Petra erklärte Robert sarkastisch, dass es bereits so etwas Ähnliches wie eine Verständigung mit den Aerobolden gebe. „・cDabei bestimmen sie allerdings die Regeln. Sie wählen die Ablageplätze für ihre Barren, im nächsten Schritt bauen wir an den entsprechenden Stellen Rampen, und in der letzten Stufe dieser Verständigung nehmen sie die bei ihrer nächsten Rückkehr an. Jeder leistet also seinen Beitrag. Natürlich ist es richtig: Wir sind letztlich die Nutznießer von allem. Wir sammeln ihre Geschenke ein. Inzwischen werden unsere sechs Rampen regelmäßig durch vier Transportteams leer geräumt. Es lohnt sich sogar, die Rohmetalle durch die Luft abzutransportieren. Allein, welche Stoffe unsere Bergleute fördern, unterliegt einem uns unverständlichen Plan. Wie gesagt, meist sind die glücklicherweise selten, also nach menschlichem Verständnis wertvoll. Mit jeder Tour bringen die Aerobolde bis zu fünf verschiedene mit.・
„Wenn das so ist, dann kommen hier doch Mengen zusammen, die alles, was bisher je auf der ganzen Erde gefördert wurde, um ein Vielfaches übersteigt! Ein galaktischer Reichtum, wenn man das so sagen kann.・
„Ach, so viel ist das gar nicht. Durch die Schwemme hier sind sie nicht mehr selten. Also sind die Preise runter. Bei manchen lohnt deshalb eine herkömmliche Gewinnung für deren Betreiber nicht mehr. Da bestimmen wir wieder den Preis. Außerdem ・c Was Sie hier sehen, hat uns schon einiges gekostet. Sie müssen auch die Zusatzleistungen an die Behörden mit einrechnen. Inzwischen habe ich mich in ganze Produktionsketten eingekauft. Aber glauben Sie mir: Bei aller zivilen Produktion ist irgendwann mal Sense. Da wird einfach nicht mehr von einer Sache gebraucht. Wir müssen uns also den Bedarf an unseren Produkten selbst herstellen. Was die Viecher hier rausholen, scheint unerschöpflich zu sein. Wir könnten ein neues Produktionszeitalter einläuten, ein Metallzeitalter ・c sobald die Viecher auch in der Produktion eingesetzt werden können. Dann brauchten wir nicht mehr so viel Energie.・
Scarian fiel der leicht verklärte Zug in Petras Gesicht nicht auf. Sie liefen gerade an den Baracken des Urcamps vorbei, dort, wo alles noch Kampf gegen Unbekanntes gewesen war. „Ja, doch, ich versteh Sie. Aber habt ihr nicht in solche Richtung experimentiert?・
„Eigentlich nicht. Was denken Sie, wie lange wir an dem Sternekop-Trauma geknabbert haben.・ Petra sprach jetzt etwas vertraulicher. „Eigentlich lastet es immer noch auf uns. Die Geschichte mit diesem Dorf, wissen Sie? Wo die Testuden alles wieder vertilgt haben. Wir wissen von dort, dass die Barren eigentlich nicht als Geschenk für uns gedacht sind. Diese Wesen würden etwas Unbekanntes aus ihnen machen, wenn wir sie ließen. Also trennen wir die Kristalle voneinander und gegen ihre gefährlichen Kinder. Halten sie unter Kontrolle. Damit entgeht uns aber wahrscheinlich ein Großteil der ihnen innewohnenden Kräfte. Was sollen wir tun? Solange wir nicht wissen, wie sie für uns beherrschbar bleiben, nehmen wir das in Kauf.・
Robert setzte mehrmals zu einer Antwort an. Offensichtlich teilte er Petras Meinung mindestens in einem Punkt nicht, doch war er es gewöhnt, sich in solchen Fällen in eine ruhige Ecke zu setzen und seine Meinung sorgfältig schriftlich auszuformulieren.
Petra beobachtete ihn. Was mochte ihn so verlegen machen? Der leichte Parfümhauch, der von ihr heran wehte? Irgendein unsinniges Klischee, mit dem er sich gerade herumschlug? Vielleicht hatte er sich eine so mächtige Erfolgsfrau trotz des Videobildes anders vorgestellt ・ älter und irgendwie maskuliner? Wer mochte den bisher verführt haben? Gleichaltrige oder gar jüngere würden ihn doch schon am ersten gemeinsamen Morgen danach langweilen?
Plötzlich kamen Jana und Tina um die Ecke der nächsten Baracke gebogen. Stoppten. Petra stellte Robert ihre Zwillinge vor. Um sie herum vollzog sich ein unaufdringlicher Wandel. Bevor die Mädchen aufgetaucht waren, waren Petra und Robert noch Mitarbeitern und Bodyguards umgeben gewesen. Wahrscheinlich lauerten die Leibwächter immer noch in unmittelbarer Nähe. Doch die Atmosphäre war auf intim umgestellt. Ob Robert sich daran stören würde?
„・c Wir sind in vielerlei Hinsicht modern. Zum Beispiel haben wir ein völlig autarkes Wasserverwertungssystem. Wir müssen zwar noch von außen zuleiten, aber wenn du dich unter die Dusche stellst, hat das Wasser dabei bestimmt schon mehrere Kreisläufe hinter sich.・ Vergeblich versuchte Petra, an ihren vorigen Vortrag anzuknüpfen.
„Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, ich sollte mich mal duschen?・ Robert lachte etwas gekünstelt. Auch die Mädchen lachten.
Für Petra war genau das das Stichwort. „Für dich nicht unbedingt! Aber für meine beiden Heldinnen. Du sollst dich in unserer Goldgräberstadt einfach nur zu Hause fühlen.・
„Schon gut・, antwortete er. „Ich sollte mich wirklich ordentlich frisch machen. Wir sehen uns wohl noch häufiger.・
Petra winkte ihm zum Abschied wie einem alten Bekannten zu. Jana beäugte sie dabei sichtlich misstrauisch. „Was is n das für einer, Mama?・ Petra wandte sich ganz ihren Kindern zu. „Ein wichtiger neuer Kollege, wenn du・Ls genau wissen willst. Du hast überhaupt keinen Grund für neugierige Fragen.・
Petra atmete auf, als sie endlich einen Moment ganz allein auf ihrer Couch hockte. Der Tag hätte auch schief gehen können. Was Robert von ihr denken mochte? Konnte sie wirklich etwas mit ihm anfangen? Am günstigsten wäre, wenn sie erfolgreich an ihren Geschäftsprojekten zusammenarbeiteten, aber ab und zu könnte ihr auch ein Mann gut tun. Mehr brächte ihre gerade geordneten Verhältnisse bloß wieder durcheinander. Wahrscheinlich ginge es früher oder später sowieso schief.
Petra sprang auf und schüttelte den Kopf, als wollte sie die allzu große Nässe nach dem Haare waschen wie ein Hund in der Umgebung verteilen. Sie sah noch einmal ins Kinderzimmer, wo die Mädchen so taten, als schliefen sie, und ging selbst schlafen. Beim Ausziehen überlegte sie noch: An sich sollte sie zufrieden sein. Zwar war nichts Spektakuläres passiert, doch hatte sie trotzdem das Gefühl, dass sie mit dem, was sie an diesem Tag angestoßen hatte, der dauerhaften Macht über die Erde näher gekommen war. Was war sonst schon wichtig? Und ihr Gefühl hatte schon lange nicht mehr getrogen.
Aus dem Schatten
E
Es klopfte noch einmal. Diesmal fordernd. Ehe Jens es verhindern konnte, sprang Sina zur Tür. „Ja, bitte?・
„Du bist Leonie?・
„Nein, Sina.・ Das Mädchen lächelte. „Du bist doch die aus Papas Schulklasse ・c・
„Ja, ich bin Lisa; Ist dein Papa da?・
„Er ist jetzt fast immer da. ・c Papa, Lisa ist da!・
Jens erhob sich widerwillig und schlurfte im Trainingsanzug auf sie zu.
Lisa gab sich unbefangen. „Hallo! Ich habe dir doch bei unserer letzten kurzen Begegnung versprochen, dass ich mich wieder melde. Hier bin ich.・ Lisa umarmte Jens einfach, hielt ihn dann ein Stück von sich weg, sagte: „Gut siehst du aus!・ und der antwortete: „Wie leicht dir die Lüge über die Lippen geht. Gib・Ls zu. Wenn du es nicht besser wüsstest, hättest du mich auf 55 geschätzt.・
„Na, 50 vielleicht, aber ・c・
Jens ließ sie nicht ausreden. Müde winkte er ab. Trotzdem gebieterisch. „Komm lass! Ich weiß, dass ich von der Rolle bin.・ Er hätte es sich ungern eingestanden, doch er wusste, dass ihn dieser Besuch freute, und dass er seinen eigenen Zustand am liebsten noch weiter schwarz gemalt hätte, um sich aufmunternden Widerspruch anzuhören. Der kam auch sofort: „Lässt du dich etwa hängen? Das hätte ich nicht von dir erwartet.・
„Gib・Ls ihm nur! Auf mich hört er ja nicht.・ Janine begrüßte Lisa wie eine gute alte Bekannte.
An diesem Nachmittag saßen sie lange beisammen. Im Laufe des Gespräch wurde Jens zusehend lebhafter.
„・c Die wichtigste Frage ist doch, ob alle sieben Kugeln in Petras Hand sind, also die Kristalle aus ihnen・, hatte Lisa gesagt. Sie hatte dazu am untersten Knopf des geöffneten Blazers gedreht und Jens hatte gedacht, sie sieht aus wie eine Dame. Aber auf ihre Worte hin senkte er den Kopf wie ein Schuljunge, der einen dummen Streich eingestehen musste. „Lisa, daran ist kaum zu zweifeln. Ich glaube, sie hat sogar ihre eigene gefunden. Die restlichen sechs sind durch meine Hände gegangen. Vorausgesetzt es gibt nicht noch mehr, einen anderen Zusammenhang und mit diesem Doktor Jarwinkel hat es eine Bewandtnis, von der wir nichts ahnen.・ Er schien völlig gebrochen. „Ich hätte einfach nicht so schnell aufgeben dürfen. Jetzt ist es zu spät.・
„Bemitleide dich nur! Wenn dir das gut tut ... Es mag abgedroschen klingen, aber zu spät ist es immer erst, wenn du ins Gras gebissen hast. Und das auch nur für dich. Was Petra angeht, habe ich so meine eigene Meinung.・ Lisa hatte sich halb erhoben und ihre Hand auf Jens・L Schulter gelegt. Jens fing Janines fragenden Blick auf. Sollte die sich schon wieder etwas Blödsinniges denken?
„Willst du mich jetzt trösten oder was? Petra ist dank meiner Hilfe der mächtigste Mensch der Erde und wird das auch bleiben. Zumindest sind wir die letzten, die das ändern könnten.・
„ Nun musst du nur noch trotzig mit dem Fuß auf den Boden stampfen, ・c Du solltest mich lieber anhören. Es ist ja nur so eine These, aber sie ist nicht von mir allein.・ Lisa wartete kurz Jens・L Nicken ab. Dann fuhr sie fort: „Einmal angenommen, es gibt da draußen eine hoch entwickelte Intelligenz.・ Lisa zeigte nach oben, wo dichte graue Wolken den Himmel beherrschten. „Die schickt Kugeln in den Raum, um einen wie auch immer gearteten Kontakt mit anderen Intelligenzen zu knüpfen. Weiter angenommen, die sieben Kugeln, die wir gefunden haben, sind alle, die auf der Erde angekommen sind und ankommen sollten. Kannst du mir sagen, warum die da oben ihre Informationen und Programme nicht in eine haben, was doch viel sicherer gewesen wäre?・ Lisa wartete seine Antwort nicht ab. „Eigentlich ist nur eine Erklärung sinnvoll: Erst im Zusammenwirken mehrerer voneinander unabhängiger Teilprogramme kommt das zustande, was die Fremden bezweckt haben. Das würde auch erklären, was hier geschehen ist. Auf deinem Grundstück haben nur drei Kugeln zusammengewirkt, eine besondere darunter. Sie haben das Gesamtprojekt begonnen, aber offenbar irgendwann bemerkt, dass es nicht fertig werden würde. Da haben sie abgebrochen. Das wäre auch für die Katastrophen und Fastkatastrophen eine Erklärung. Zumindest, so lange wir nicht davon ausgehen, dass unsere Kugel-Aliens die Erdzivilisation vernichten wollten.・
„Lisa, bitte, so weit war ich auch schon. Was nützt uns das jetzt? Außerdem kann・Ls doch sein, dass sie hier alles platt machen wollten.・ Jens schluckte. Die Art, wie Lisa sprach, erinnerte ihn an mich, genau wie das, was sie sagte. Ich schickte noch gelegentlich Karten und Mails, aber seit Wochen hatte ich mich nicht mehr sehen lassen. Der Gedanke quälte ihn. Vielleicht auch ein bisschen die Unentschiedenheit, ob er mich nur wie eine Tochter vermisste oder wie eine Geliebte ・ oder beides, wenn es so etwas geben sollte.
„Ich bin noch nicht fertig. Nehmen wir weiter an, die einzelnen Kugeln aktivieren Vorgänge, die wir zwar nicht verstehen, aber steuern könnten. Vorgänge zum Beispiel, durch die Atomkerne umstrukturiert werden. Also diese Silizierung in Teilschritten. Diese Kräfte werden im Moment wohl von den Herbst-Gesellschaften vermarktet. Vielleicht erfahren wir nie, was die Fremden eigentlich gewollt haben, weil Petra ihre Kräfte für verkaufte Germaniumbarren verschwendet. Vielleicht hat sich aber auch ein Fehler ins ursprüngliche Programm eingeschlichen und Petra hält den Zünder einer Bombe in den Händen, die die Erde zerstört.・
„Danke, Lisa, weiter so. Bau mich nur richtig auf!・ Jens drückte seinen Oberkörper nach hinten, als wollte er so viel Raum wie möglich zwischen sich und Lisa bekommen. Obwohl sie merkte, dass Jens ihr auswich ・ er konnte ihr offenbar nicht in die Augen sehen ・ schaute sie gespannt auf seine Nasenwurzel.
„Nein, Jens, ich wollte dir nur zeigen, dass deine Niederlage noch nicht vollendet ist. Es kann noch schlimmer kommen, wenn wir alles auf sich beruhen lassen.・ Für einen Moment hatte Lisa beide Hände gehoben, aber schon nahm sie sie wieder herunter und versenkte die Daumen in den Hosentaschen. „Im Moment verdient Petra an der Ausnutzung der fremden Kräfte unverschämt viel Geld, ohne dass die Masse der Menschen einen Nutzen davon hat. Im Gegenteil: Im Verhältnis zum gesamten geschaffenen Reichtum werden die normalen Menschen ärmer. Wenn wir aber nichts dagegen tun, sind alle arbeitenden Menschen früher oder später restlos unnütz. Wozu sollen sie denn leben, wenn der Verdienst aus Arbeit das Maß aller Dinge ist, aber alle Arbeit von den Testuden geleistet wird?・ Jetzt lagen Lisas Arme vor Jens auf dem Tischchen, sie hatte ihren Oberkörper vorgeschoben, soweit, dass Jens auf den Grund des Grabens hätte schauen können, den der weit ausgeschnittene Pullover freigelegt hatte. Er sah aber nicht hin.
Jens hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Na wunderbar. Das sagt eine Arbeitsvermittlerin, logisch ・c Und was sollen wir deiner Meinung nach tun? In die Kalahari ziehen und die Kristalle befreien?・
Zum ersten Mal überzogen Schmunzelfalten Lisas Gesicht. „Das ist gar nicht so schlecht gedacht. Dazu bauen Marie und Julia ein paar Fälschungen, die wir gegen die Originale austauschen, damit deren Verschwinden nicht gleich bemerkt wird, und los geht・Ls ... Nein, so leicht ist es leider nicht. Wir müssen schon viele ganz unterschiedliche Leute für uns gewinnen. Die müssen Zusammenhänge begreifen. Zum Beispiel, warum die Menschheit inzwischen auf der einen Seite um ein Vielfaches reicher geworden ist, die einfachen Menschen aber nur ihre bisherige Verdienstmöglichkeit losgeworden sind und Unterstützung erbetteln müssen. Petras Reichtum erreicht bei dem Ganzen nur irgendeine neue Zehnerpotenz, die keinem nützt. Nicht einmal ihr selbst.・
Janine stand kurz in der Tür. Sie holte Luft wie zu einer Frage, zog sich dann aber doch in den Flur zurück.
„Beim Agitieren bist du gar nicht so schlecht・, knurrte Jens. „Ich werde dich mit Sonja zusammensperren. Da könnt ihr ein Lehrbuch über die bessere Welt schreiben. Nein, danke, das ist nichts für mich.・
„Du sollst auch nur darüber nachdenken・, antwortete Lisa. Dabei schnellte sie auf ihrem Sitz hoch. Ihre Ellenbogen waren auf der Lehne gelandet, und zufrieden registrierte sie, dass Jens sie zum ersten Mal direkt ansah. „Ich verlange ja nicht, dass du das änderst. Ich sage nur, du musst etwas tun wollen und akzeptieren, dass weltweit viele Leute in derselben Lage sind: Sie können allein nichts erreichen und müssen trotzdem etwas dagegen tun ・ und wenn sie wirklich handeln, dann erreichen sie auch was.・
„Komm, lass! Geht es nicht eine Nummer kleiner?・ Jens sagte das in einem Ton, als wäre er glücklich, sich für das vorangegangene Abkanzeln rächen zu können. Da kam diese sportlich korrekt gekleidete Dame, bei der er sich im Augenblick überhaupt nicht vorstellen konnte, dass sie einmal in dieselbe Klasse wie er gegangen war, richtete ihre von sorgfältig gezupften Brauen betonten langwimprigen blauen Augen auf ihn und erklärte ihm die Welt. Ausgerechnet, wo er gerade eine Riesenchance vergeben hatte und immer noch am Überlegen war, wann er das Ruder noch hätte herumreißen können.
„Okay. Aber das wird dir nicht gefallen. Ja, ich bin Arbeitsvermittlerin. Da kenn・L ich eine Menge Leute, die über Spezialkenntnisse verfügen und sich mir verpflichtet fühlen. Es sind Leute dabei, die sich leicht in ein solches Projekt wie die Oase einschmuggeln lassen. Die werden dem ganzen Apparat eine neue Richtung geben.・
„Sabotage?・ Jens fragte das ohne jeden Vorwurf in der Stimme. Jetzt wartete er gespannt. Bei dem vielen Gequatsche war eigentlich eines offen geblieben: Was wollte Lisa von ihm?
„Nenn・L es, wie du willst. Ein Karren, der auf den Abgrund zu fährt, muss zum Stehen gebracht werden.・
„Eine große Protestwelle willst du also nicht organisieren?・
„Die wäre im Moment wenig Erfolg versprechend. Petra wird keine Ruhe geben, bis sie nicht nur die Gewinnung der Grundstoffe, sondern die gesamte Produktion mit den fremden Kräften in ihren Händen hat. Bald bestimmt Petra, wer ein Recht darauf hat zu existieren. Viele werden es nicht sein. Für alle die, die jetzt aufatmen, weil sie vorerst nicht rausgeworfen wurden, ist es dann zu spät. Menschen können keine Aerobolde ersetzen. Nur umgekehrt. Aber vielleicht trifft es auch erst die Generation deiner Zwillinge. Vielleicht ist noch Zeit.・
Als Lisa längst weg war, fiel Jens auf, dass die Frage nach dem Zweck ihres Besuchs unbeantwortet geblieben war ・ und nach Marie und Julia hatte sie sich auch nicht erkundigt. Wenn sie wirklich Leute mit Spezialkenntnissen suchte, dann müssten die sie doch besonders interessieren. Bei allem Halbwissen, das man den Mädchen sicher nachsagen konnte, hatten sie doch die meisten Erfahrungen mit den außerirdischen Kräften, und an Phantasie fehlte es ihnen bestimmt nicht. Etwas stimmte nicht an Lisas Auftritt. Jens war nur nicht sicher, was. Es gab nur einen logischen Grund, dass sie nicht nach Marie und Julia gefragt hatte: Sie wusste schon genug über sie. Hatte sie bereits für sich eingespannt ・c Selbst wenn er sie danach gefragt hätte, wäre sie ihm wahrscheinlich ausgewichen. Gerade dieses Unbestimmte jedoch weckte in Jens wieder die Lust an kriminalistischen Tätigkeiten.
„Hast du eine Ahnung, was Lisa eigentlich gewollt hat?・
„Vielleicht wollte sie dich nur ein bisschen aufmuntern? Nötig hättest du es gehabt.・ Dabei lächelte Janine spitzbübisch.
„Vielleicht ist es gut, dass wir Lisa nichts von den im Keller versteckten Barren erzählt haben・, sagte Jens nachdenklich. Nichts bestärkte ihn mehr als ihr wortloses Nicken. Allerdings ・c wenn Marie und Julia für Lisa arbeiteten, dann wusste sie sowieso Bescheid.
Die Zähmung der Testuden
F
„Ja, Petra, ich bin ziemlich sicher. Das Ganze muss wie eine lange Operationsschleife funktionieren, die an bestimmten Stellen Nebenknoten aufweist. Wie sonst? Die Grundschleife ist etwa 80 Stunden lang. Kann daran liegen, dass im Herkunftssystem der Kristalle ein Tag so lang ist. Alle 80 Stunden wird eine bestimmte Kommandofunktion aktiviert. In diesem Rhythmus werden die Kommandos wiederholt, zum Beispiel ganz bestimmte Stäbe zu ziehen oder Bleche zu walzen, zu verschrauben und so weiter. Es passiert im Moment nur nichts, weil der Kristall abgeschirmt ist. Bei einem Teil können wir Jarwinkels Material benutzen, indem wir dessen Beobachtungen auf eine Art Zeitschiene pressen. Wahrscheinlich ist aber ein Teil der Kommandos auch in Sternekop ins Leere gelaufen, weil die fehlenden Kristalle die erforderlichen Materialien oder Informationen nicht geliefert haben. Ein paar Arbeitsabläufe filtern wir trotzdem schon heraus.・
Petra sah Robert wütend an. „Ich will aber nicht nur ein paar Funktionen herausfiltern! Mit etwas Zeit schafft das jeder Trottel. Ich will, dass diese Viecher sinnvoll für mich arbeiten.・
Robert lächelte. „Nun übertreib nicht! Wir haben doch Glück im Unglück. Da die Wesen sich gegen Filmaufnahmen abgeschirmt haben, existiert nirgendwo sonst verwertbares Material, das eine genaue Beziehung zwischen der abgelaufenen Zeit und konkreten Abläufen belegen könnte. Jarwinkels Zeichnungen sind zwar auch nur Skizzen, aber er hat sie auf die Minute genau markiert und er muss eine übermenschliche Beobachtungsgabe besessen haben: Er hat offenbar immer die jeweils aktuellen Veränderungen herausgefunden. Auf jeden Fall kann nicht jeder Trottel erreichen, was du vorhast.・
Petra lehnte sich an ein Regal. „Schade, dass alle Untersuchungen zur Suggestivkraft dieser Kristalle gescheitert sind. Es steht nicht einmal fest, ob die Kräfte tatsächlich solche manipulierende Macht besitzen. Oder ob sie ausschließlich auf Frauen und Mädchen wirken. Oder auf ganz bestimmte Personen. Ich habe nicht einmal herausgefunden, was die Menschen gemeinsam hatten, die diese Harmoniesignale empfingen. Es waren zu wenige für statische Schlussfolgerungen. Außerdem verhalten sich die Testpersonen natürlich anders, sobald sie sich als Testpersonen erkannt haben.・
Wochen vergingen. Langsam wurde klar, sie steckten in einer Sackgasse. Alle Gespräche blieben theoretisch. Es war aber nicht nur eine Erkenntnisschwelle, die sie noch nicht überschritten hatten. Petra blieb die Angst, dass ihr die Kontrolle über die Kristallmacht entgleiten könnte. Immer, wenn sie entdeckt zu haben hofften, wann welches Kommando gesendet werden müsste, legten sie das erforderliche Material wie Futter bereit, entfernten die Kristallabschirmung und beobachteten die Reaktion der Testuden. Fast jedes Mal hatten sie das Gefühl, ihr Ziel nur knapp verfehlt zu haben. Meist erwachten die Wesen kurz zum Leben, führten einen kurzen Arbeitsschritt aus, tatsächlich den voraus berechneten, um dann wie Hunde, die ihr Herrchen mit dem Futter lockt, auf den Mutterkristall zuzulaufen. Im letzten Augenblick warfen Petra oder Robert dann doch wieder die „Abdeckfolie・ über den Kristall. Schließlich hatten die Testuden nach diesem Kristallkontakt zumindest in Sternekop nur noch das gemacht, was sie selbst wollten.
„So geht das nicht・, schimpfte Robert schließlich. „Auf der einen Seite sind wir zu ängstlich, auf der anderen zu langsam. Wir müssen ihnen mehr Zeit lassen, sich zu entfalten, aber uns trotzdem die Möglichkeit offen halten, den Ablauf zu unterbrechen. Ich glaube, ich weiß auch schon wie.・
Diesmal verfolgte Petra mit wachsender Begeisterung, wie sich Robert vor den dafür reservierten Rechner setzte und eine Flut von Konstruktionsskizzen entwickelte. Er verriet nichts. Was Petra dann zu sehen bekam, entschädigte sie für fast alle Strapazen der vergangenen Wochen. Robert hatte eine ferngesteuerte Abschirmung entwickelt mit einer überbrückbaren Zeitschaltung. Nun konnten sie in sicherem Abstand beobachten, wie sich die Testuden auf den Kristall zu bewegten. Als die ersten auf einen halben Meter heran waren, ging ein Zucken durch ihren Körper. Sie entdeckten plötzlich die dreißig Aluminiumbarren. Sie stießen einen Pfeifton aus, zogen ihren Körper in die Länge und stürzten sich auf das Metall. Innerhalb von Sekunden war keiner der Barren mehr zu sehen. Robert hatte seine Finger schon auf dem mechanischen Ausschalter, da kam aus den nebeneinander angeordneten Wesen ein offenbar fein gewalztes Blech. Ein Klicken ・ der Zeitschalter ・ und vor den beiden Betrachtern war plötzlich die Zeit stehen geblieben. Keine Bewegung mehr, kein Ton. Allmählich drangen die fernen Geräusche der Siedlung an Petras Ohr. Es klickte wieder. Der Film ging weiter ・ wenn auch mit einer fehlenden Sequenz. Andere Testuden schoben sich über das Blech. Wieder der schon bekannte Pfeifton. Die folgenden Sekunden nahmen für Petra und Robert kein Ende. Geräusche, als ob in gleichmäßigem Fluss Scharniere in eine riesige Büchse fielen. Würde das Material von den Wesen wie Futter verdaut werden? Die Testuden rückten zur Seite. Neue bewegten sich auf den Platz zu. Das Klicken des Zeitschalters. Diesmal aber schaltete Robert das ganze System ab. Petra lief an ihm vorbei auf das kleine Versuchsfeld. Dort fanden sich verschieden geformte Behälter mit unterschiedlichsten Teilen. Wozu die auch gut sein mochten, Petra und Robert waren erst einmal zufrieden mit dem Ergebnis des Versuchs. Es waren Halbfabrikate ・ wofür auch immer.
Von nun an brauchte sich Petra nicht mehr auf den Verkauf der Barren zu beschränken. Sie begann mit der Produktion erster Fertigerzeugnisse, nämlich jener, bei denen die Testuden für die Menschen Sinnvolles herstellten.
Welche Geschwindigkeit! Bei der Reinheit der ursprünglichen Barren lohnte selbst die Aufbereitung von Abfällen der ersten Umarbeitungsstufe.
„Ist das nicht toll? Früher haben die Menschen von einem Perpetuum mobile geträumt. Zumindest für uns funktioniert das praktisch wie eines. Wir wissen nicht, wo sie die Stoffe hernehmen, wir wissen nicht, wo sie die Energie hernehmen. Aber sie arbeiten für uns. Mit Material und Energie, die sie nicht von uns haben. Wir werden ihnen immer mehr Geheimnisse abgucken. Bestimmt. Hier lässt sich alles produzieren. Steht erst einmal die jeweilige Taktstraße, so bleibt für uns nur noch der Transport. Alles andere läuft automatisch. Die Werke, die wir der Oase angliedern werden, enthalten zwar noch Fertigungsstraßen mit Takten ohne Testuden, aber am Schluss wird alles durch die fremden Wesen produziert.・
„Haaaalt!・ Robert hielt sich demonstrativ die Hände vor die Ohren. „Heb dir den Vortrag für den nächsten Futurologenkongress auf. Bisher strömen noch Ingenieure und Arbeiter aus aller Welt hierher ・ wegen der Supereinkünfte, die du ihnen bietest. Vielleicht sind sogar welche darunter, die an den neuen Ort der Bewährung glauben, als den du unsere Oase in den Anzeigen preist. Willst du die wieder zurückschicken?・
Petra grinste. „Na so was! Robert als Sozialanwalt! Was willst du? Jetzt, wo der Gesamtkomplex zu etwa achtzig Prozent mit herkömmlichen Methoden arbeitet, brauchen wir sie noch. Außerdem spannen wir so der Konkurrenz die besten Leute aus. Schließlich arbeiten wir schon jetzt Gewinn bringender als alle. Aber das ist doch nicht das, was ich will! Arbeitsschritt für Arbeitsschritt im Gesamtprogramm des Kristalls entschlüsseln; und die Testuden führen ihn aus, wenn ihre aufgerufene Programmschleife es ihnen vorgibt. Nein, mein Lieber! Irgendwann geben wir die Schritte vor, und wenn wir so weit sind, schicken wir das Fußvolk nach Hause.・
Scarian hatte sich gesetzt, war immer starrer geworden. „Mich auch?・ fragte er in einem Ton, der ironisch leicht hatte klingen sollen.
„Wenn du schön brav bist, kannst du bleiben.・ Einschmeichelnd klang das, gewollt unernst, aber so, dass Scarian ahnte, dass es eigentlich ganz ernst gemeint war.
„Bin ich das nicht?・
Petra war sich nicht sicher. Roberts Selbstbewusstsein war nicht gerade gewachsen. Bot er ihr gerade an, ihr Gigolo zu sein? War er so ein schmieriger Untergebener Wurm? Warum durchschaute sie ihn noch immer nicht? Sollte sie ihn einfach ins Bett nehmen? Dann würde sie schon weitersehen.
Petra hatte das Gespräch abgebrochen. Die Forschungen mussten weitergehen. Das ging vor. Obwohl sie sich weiter meist sechzehn Stunden am Tag nahe waren, kam keiner von beiden auf jenes Gespräch zurück. Ausdauernd setzten sie Versuchsreihe an Versuchsreihe. Es blieb dabei: Kaum Fortschritte. Das quälte Petra mehr als Scarian. Waren ihre Gedankengänge denn so weit vom Ziel weg? Warum blieben die Hinweise der Kristalle aus? Mitunter spielte Petra mit Fragen, die sie sich innerlich stellte, und bei denen sie eine Wirkung auf ihre Gefühlslage erhoffte. Aber weder Depression noch Euphorie deuteten sich an. Dabei waren doch alle sieben Kristalle in der Nähe! Als ob diese Wesen bereut hatten, sie so massiv unterstützt zu haben, und sie nun ignorierten. Oder warum wirkten sie nicht mehr?
Petra schämte sich ihrer seltsamen Gedanken. Scarian durfte davon nichts wissen. Darüber mit anderen zu sprechen war erst recht nicht möglich. Dazu hätte sie verraten müssen, wie sie zu den vielen erfolgsträchtigen Ideen gekommen war.
Als schon alles verloren schien, bemerkte sie es. Nein, das konnte auch ein Irrtum sein. Scarian schien es nicht bemerkt zu haben. Wenn sie ihn darauf hinwies? Nein, lieber noch eine Nacht drüber schlafen. Wenn es dann immer noch da war ・c
Petra schlief schlecht. Mehrmals wollte sie aufstehen und Robert ins Bett holen wie ein Kuscheltier. Beim Frühstück fiel ihr auf, dass auch Scarian irgendwie unruhig wirkte, so voll Erwartung auf etwas, was er nicht auszusprechen wagte. Bildete sie sich das nur ein? Sogar beobachtet fühlte sie sich. Ganz ruhig wollte sie deshalb wirken, so als ob nichts wäre.
Der erste Blick auf den Steuerkristall klärte alles. Nun bestand kein Zweifel mehr. Er beulte wirklich an seiner breiten Vorderfront aus. Nicht so wie etwas, das bald wie ein Igel aussehen würde, bevor sich Aerobolde vom Mutterkristall lösten, sondern als Schwellung auf der ganzen Fläche. Vielleicht ging das sogar schon länger so, es hatte nur niemand bemerkt.
„Ich hatte mir nicht getraut, dich gestern schon damit aufzuregen. Vielleicht ・c・
Scarian kam nicht dazu weiterzureden. Plötzlich umarmte Petra ihn und brüllte ihm ins Ohr. „Jetzt gehts doch los.・
Erst einmal aber hieß es warten. Immerhin wuchs dieser Ganzkristall-Babybauch am folgenden Tag schon schneller. „Vielleicht war das Tropfenfutter verunreinigt・, mutmaßte Scarian. Petra hielt ihm den Mund zu. Sie wollte schweigend warten.
Schon abends zeichneten sich an dem ursprünglichen Kristall die Umrisse eines etwas kleineren ab. Die gemeinsame Fläche beider Kristalle schrumpfte schließlich zu einem schlauchartigen Strick zusammen. „Wie ein Riesenbaby an der Nabelschnur.・ Scarian starrte unverwandt auf den Vorgang, während seine Hände auf der Tastatur neben dem Platz zuckten.
„Was du alles kennst ・c Aber wenn das wirklich eine Nabelschnur wäre, dann müsste sie jemand durchtrennen.・ Auch Petra ließ keinen Blick von dem Schauspiel. Neben beiden stand eine unberührte Abendbrotplatte.
„Wenn aber unser Baby noch wichtige Lebensinformationen über diese Leitung empfängt?・
Plötzlich klickte es. Scarian hatte einen Impuls ausgelöst. Einer seiner Roboter rollte auf das Kristallpaar zu und unterbrach die Verbindung mit seinen Seitenschneiderfingern. Für einen Moment blitzten Funken auf. Dann stieß der Roboter den Babykristall von der Mutter weg. Beide Kristalle lagen nun reglos nebeneinander. Robert hatte die Mutter mit ihrer abschirmenden Hülle bedeckt.
„Schade・, murmelte Petra. „Vielleicht haben wir jetzt einen notwendigen Vorgang unterbrochen.・
Scarian schwieg. Er starrte auf das Bild, als traute er seinem eigenen Gedanken nicht. Plötzlich aber rief er: „Ist doch egal! Wenn wir es nicht probieren, kann es auch nichts werden!・
Petra betrachtete Robert wie einen Irren. „Was ist denn los?・
Scarian sah aus, als redete er mit einem unsichtbaren Partner. Endlich kam er zu sich. Ihm wurde bewusst, dass Petra neben ihm stand. Er packte sie, zog sie an sich heran und erklärte: „Ich glaube, ich hab es. Wir verstehen zwar nichts von der Datenspeicherung in den Kristallen, aber sollten wir nicht wenigstens versuchen, sie mit unseren Informationen zu füttern? Das wolltest du doch die ganze Zeit. Und jetzt können wir es vielleicht. Wir integrieren einfach den neuen Kristall in unser Rechnersystem. Vielleicht identifiziert er sich mit unseren Konstruktionsunterlagen und Produktionszielen. Stell dir vor, durch den Schnitt eben wäre der Übertragungsvorgang künftiger Kommandobahnen unterbrochen worden. Dann könnte unser Großrechner sozusagen die Aufgabe der Mutter übernehmen ・c meinetwegen wäre er der Vater!・
Die kommenden vier Wochen vergingen mit Versuchen, Misserfolgen, neuen Erfahrungen und Wachstum des neuen Kristalls. Robert hatte gut beobachtet. Tatsächlich gab es an der „Nabelschnur・ einen kleinen Bereich, der als Kontaktfläche diente. Aber das machte ihn noch lange nicht zu einem Leitungsdraht, der nur richtig verknüpft werden musste.
„Dass wir noch einmal so richtig eine Datenleitung mit Kabeln zusammenstecken würden! Für uns ist jede wireless LAN-Verbindung das Nonplusultra. Hier wohl nicht.・ Robert begeisterte sich bei jedem kleinen Schritt. Schließlich hatte er die „Nabelschnur・ mit einem Adapter verknüpft, der für die eingehenden Signale eine Unzahl an Decodierungen möglich machte. „Wenn unser Baby den nicht annimmt, sind wir geliefert. Was weiß ich, wie diese Kristalle ihre Programme speichern und abrufen. Wir können nur hoffen, dass die ersten Schleifen schon drauf waren. Dass sie selbst lernend sind, setze ich voraus.・
Der Kristall wuchs weiter. Er war jetzt fast so groß wie seine Mutter. Robert legte ihn vor einen Haufen mit ruhenden Testuden. Wartete gespannt. Würden die Testuden auf den neuen Kristall reagieren? Mühevolle Wochen hingen an der Antwort auf diese eine Frage.
Die Testuden erwachten langsam, drängten an den Kristallkörper, bewegten sich surrend auf die bereitliegenden Barren zu und ・c nach etwa zehn Minuten stand ein chromblitzendes E-Car vor den staunenden Zuschauern. Petra brachte noch die Kraft auf, die neu geschaffene Abschirmfolie zu aktivieren, dann stürmte sie auf die Versuchsfläche.
„Ein Wunder・, rief sie.
Sie öffnete die Tür. Tatsächlich sah außen und innen alles genauso aus wie in einem der E-Cars, dessen Konstruktionsunterlagen im eingegebenen Datenspeicher gewesen waren.
„Nicht!・ brüllte Petra entsetzt, als Robert das Fahrzeug in Gang setzen wollte. „Das ist doch alles aus Metall. Nicht wie unsere Modelle. Da kann doch alles unter Strom stehen und sich entladen ・c・
Petra hatte Roberts Spieltrieb unterschätzt.
„Langsame Fahrt vorwärts・, kommandierte er, und völlig geräuschlos setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Die beiden Menschen sahen sich vorübergehend an wie in der Achterbahn, wenn es abwärts geht. „・c und Stopp!・ Das Fahrzeug hielt.
Bevor Petra und Robert das Gefährt den Autokonstrukteuren zur Begutachtung überließen, machten sie selbst noch einige Tests. Offenbar waren die äußeren Merkmale unverändert geblieben, die Energiegewinnung und ・übertragung erfolgte aber auf unbekannter Basis. Die von Petra vorhergesehene Gefahr war von dem Kristall erkannt und beseitigt worden.
„Robert, wir haben es geschafft. Der Kristall hat unseren Wunsch verstanden. Er hat den Lösungsweg aber noch eigenständig verbessert. So können wir weitermachen.・
Ganz so leicht war es nicht. Die jeweiligen Kommandos wurden nur von ganz bestimmten Testuden entgegengenommen, und im Moment waren die meisten von ihnen in andere Produktionsstraßen eingebaut. Da konnte es passieren, dass einige plötzlich ihren bisherigen Arbeitsplatz verließen, um sich in ein neues Befehlssystem des Kristalls einzugliedern. Derartige Probleme wurden aber immer seltener, weil die herkömmlichen Produktionsverfahren schrittweise abgelöst wurden. Der neue Kristall nahm für jede technologische Einheit die Daten an, modifizierte sie entsprechend der Aufgabe des Produkts und seiner den Menschen überlegenen eigenen Technologie und gab sie als Produktionsanweisungen an die Testuden weiter.
„Dieser Kristall denkt ・c Also ich wüsste keine Maschine auf dieser Erde, die nicht hier hergestellt werden könnte. Oder besser: Zuerst stellen wir hier Maschinen her, die automatisch Maschinen herstellen. Danach erobern wir die Endfertigungen. Zwei, drei Jahre noch und im normalen Produktionsprozess wird kein Mensch mehr gebraucht. Wir überwachen, wir machen Kultur, wir forschen ・c und überall auf Basis der Herbst-Produkte. Soweit das die Verträge zulassen, könnten wir die ersten Arbeiter heute schon nach Hause schicken. Zahlen ihnen Abfindungen, dass sie für ihre Familien ausgesorgt haben.・
Unter falschem Namen
D
Schlussstrich. Von einem Tag zum anderen irgendwo hin in die Welt ziehen. Auf einem Zettel ein paar nichts sagende Worte für die anderen hinterlassen, nur damit die wissen, es war kein Verbrechen oder Unglück passiert und los. „Und wohin?・ Julia wehrte sich nur sehr vorsichtig. Ich hatte noch keinen Plan. Drei Tage hatten wir zusammen am Computer gesessen, Adressen gesammelt, Mails und Briefe geschrieben. Alle einzeln verschickt, damit jeder Empfänger sich als bevorzugte Wahl der bekannten Medienstars empfand. Irgendwer musste doch eine interessante Tätigkeit für uns haben. „Müssen wir eben unsre Namen verkaufen ・c・ Ich ließ offen, ob ich das ernst meinte. Ich hatte mir vorgenommen, Jule nur noch Julia zu nennen.
„Okay, okay! Ich nehm auch ein normales Leben an. Wir sind weit genug unten.・
Aber dann kam die permanente Enttäuschung. Niemand antwortete uns. Oder wenn, dann mit gängigen Ablehnungsfloskeln. Julia hoffte weiter auf die paar Bewerbungen, die noch nicht abgelehnt waren. Ich musste sie bremsen: „Nein, ich ruf nicht an, ob meine Post angekommen ist und du auch nicht! Natürlich ist sie. Warum sollte sie nicht? Wenn uns einer will, wird er sich melden. Da muss einfach was darunter sein ・ wo wir vor paar Wochen doch überall in den Schlagzeilen waren!・
Julia lief ruhelos von einem Ende meines Eberswalder Kinderzimmers zum anderen. Ich beobachtete sie vom Bett aus. Plötzlich rief ich: „Weißt du was? Einen Tag warten wir noch. Wenn dann nichts kommt, gehen wir auf große Reise. Zum Beispiel nach Indien. Von dort wandern wir nach Norden über die Berge nach Tibet und dann ziehen wir bis zur chinesischen Ostküste. Ohne Geld! Da finden wir bestimmt genügend einfache Leute, die uns bewirten. Mal sehen, wie der Kantha Inar wirklich ist ・ in einem Jahr sind wir zurück und dann sieht alles ganz anders aus. Wenn wir wieder hier sind, also falls, dann sind wir vielleicht selber solche Kantha Inars. Kannst du dir mich als entrückten Guru vorstellen?・
„Sehr witzig!・ schimpfte Julia, obwohl sie ahnte, dass ich selbst nicht wusste, ob das nun ein Witz oder Ernst sein sollte. Wahrscheinlich eher Ernst. Sicher wäre ich schon deshalb losgezogen, um aus dieser Loser-Position raus zu kommen.
Die wenigen Nachrichten, die in den nächsten zwei Tagen eingingen, klangen so wenig verlockend, dass Julia mich in einen Treckingladen begleitete. „Weißt du, für die Tour kann ich nicht so rumlaufen wie bisher.・
Wir wurden uns nicht einig über die Ausrüstung. Reservierten erst einmal ein Silitzelt und passende Rucksäcke, leichte, anschmiegsame. Liefen wieder zurück. Wurden erwartet. Von einem Brief, einem einzigen, aber immerhin. Eine Arbeitsvermittlung, bei der ich mich nicht erinnern konnte, sie angeschrieben zu haben, bot uns ein persönliches Gespräch an. Bat dringlich, sowohl über diesen Termin als auch über alles, was dort besprochen werden würde, Stillschweigen zu bewahren.
Genau mein Ton. Ich wurde sofort munter. „Mystisch, echt mystisch. Da steckt was drin, was wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Tibet kann warten.・ Etwas Neues. Es hätte zwar auch ein Mädchenhändlerring sein können. Na und? Einen Versuch war es mir wert. Ich überzeugte Julia. Natürlich. Und wir bewahrten Stillschweigen. Wir gingen zu dem Termin und wer begrüßte uns? Jens・L Ex-Schulkameradin Lisa!
Warum sie sich nicht geoutet habe? Ob wir denn dann gekommen wären? Das war gut gekontert. Tatsächlich. Ich hätte sie mit der Kristallpleite und Jens und so verknüpft, eben mit allem, woran ich nicht erinnert werden wollte. „・cStimmt! Den Brief hätte ich vorm Lesen zerrissen.・
Nun hörten wir uns an, was sie uns in dem unscheinbaren Büro zu sagen hatte. Manchmal schielte ich zu Julia.
Lisa redete viel. Verband den Versuch, uns von einer großen Bedrohung für die Menschheit zu überzeugen, mit der Behauptung, dass genau wir ・ also Julia und ich! ・ dagegen etwas tun könnten. Im Hintergrund würden viele zu unserer Unterstützung wirken. Es wäre besser, wenn wir da nichts Genaues wüssten. Entscheidend war: Es ging um das Gebiet, von dem wir wirklich etwas verstanden: Um die Kristalle!
„・c Durchdenkt meinen Vorschlag! Aber nehmt euch nicht zu viel Zeit dafür!・
„Da gibt・Ls nichts zu durchdenken. Wir sind dabei.・ Ich hatte nicht einmal darauf gewartet, dass Julia nickte. Draußen aber fiel sie mir um den Hals. Ich hielt sie ein Stück von mir weg. „Julia, das ist ein Kamikazeeinsatz.・ Aber Julia antwortete nur: „Und wenn! Besser als sinnlose Bewerbungen.・ Und schon war sie wieder meine Jule.
Wir machten uns sofort an die Vorbereitungen. Viel blieb nicht zu tun. Jens mailten wir, wir hätten Deutschland verlassen, meinem Vater legte ich einen Zettel auf den Kühlschrank, es sei alles in Ordnung und wir seien auf Reisen.
Und nun saßen wir in einem Jeep, eingekeilt von einer Mietwagenkarawane. Befangen grinste ich Jule an. Was für eine Aufmachung! Na gut ・c Ich war auch nicht mehr die alte Marie. Blaue Haftschalen! Dazu kurze Haare und Tropenkleidung mit knielangen Hosen. Das sah alles so fremd aus und passte so wenig zu mir, dass Jule vergaß, dass sie sich mit ihrem kurz rasierten Kopf genauso schwer verändert hatte. Sie war überhaupt keine Jule mehr, nicht einmal eine Julia. Laut Ausweis war sie nun Ulla Hannen aus Strömsund in Mittelschweden, und ich war Martha aus Paks südlich von Budapest. Irgend so ein Zungenbrechernachname. Die Leute der Agentur hatten ganze Arbeit geleistet. Es hätte einfach zu viele Fragen aufgeworfen, wenn man uns erkannt hätte. Bei der Masse von Leuten würde es hoffentlich nicht auffallen, dass wir unsere angeblichen Heimatstädte noch nie gesehen hatten und nicht einmal unsere Muttersprachen kannten. In Herbsttown habe sich inzwischen ein sehr lockeres Umgangsenglisch eingebürgert und man habe vorgesorgt, dass wir nicht zufällig mit einer Ungarin oder Schwedin zusammengesperrt würden.
Herbsttown. Wer diesen Namen erfunden hatte, hatte zwar wenig Phantasie, aber Treffsicherheit bewiesen. Obwohl Lisa uns versichert hatte, wir würden die Oase nicht wieder erkennen, hätten wir es nicht geglaubt.
Dieser Stadt hatte die explodierende Macht der Petra Herbst an jeder Straßenecke ihren Stempel aufgedrückt. Verwirrt suchten wir, also Martha und Ulla, nach den Überresten der Oasensiedlung, in der wir als Marie und Jule gelebt hatten. Wer uns dabei beobachtet hätte, hätte uns die hilflosen Ausländerinnen garantiert abgekauft. Aber niemand beachtete uns. Zu selbstverständlich war der Ansturm von fremden Ankömmlingen.
Das „Wüstentaxi・ hatte uns am Marktplatz abgesetzt. Hier sollten wir uns bei der Arbeits- und Quartierverwaltung melden. Wir reihten uns wie ganz zufällig hintereinander in die Schlange der Wartenden ein, hielten unsere Meldekarten vor ein Sichtgerät und hörten, wie die computergenerierte Stimme uns aufforderte, Platz zu nehmen, in unserem Eingliederungsbereich seien noch drei Einzuweisende vor uns, also drei vor Martha und vier vor Ulla. Die Einweisung dauerte nur Sekunden. Eine Angestellte verglich unsere Daten zu Unterkunft und Arbeitsantrag mit irgendwelchen Angaben, die ihr bereits vorlagen. Behördenlogik. Schon standen wir mit einem kleinen Stadtplan ausgestattet wieder draußen. Ehe wir uns versahen, hatten zwei schwarze Jungen uns die Koffer zum Mietauto getragen, den Ortsplan aus den Händen gerissen und das Fahrzeug vor die Unterkunft gelenkt.
„Gibt・Ls hier jetzt schwarze Knechte wie zu Kolonialzeiten?・ Jule sah kopfschüttelnd zum Fenster hinaus.
„Ja, und du bist eine Herrin zweiter Klasse, weil du eine gut bezahlte Arbeit abgefangen hast. Du kannst dich jetzt bedienen lassen. Scheiß Welt!・ Jetzt sprach ich schon wie Sonja. Ich zögerte mit dem Trinkgeld, aber der Boy steckte schnell meinen Schein ein, verbeugte sich und murmelte einen Dank. Ich schüttete den Inhalt meines Rucksacks lose aufs Bett. Wir waren wieder in unserer Oase.
Ich traf es besser als Jule. Die musste an einer Taktstraße als Bestückerin Handlangerarbeit ausführen, etwas Ödes, was ein Roboter wohl besser gekonnt hätte und was wohl irgendwann auch ein Roboter machen würde. Für meine Bewährung hatte es angeblich einen Unfall gegeben. Einer der Pfleger wäre mit einem Tropfen in Berührung gekommen. So wurde ich sofort zum Füttern der Kristalle angestellt. Eigentlich hätte ich gerade das nicht gewollt. Dort war es am wahrscheinlichsten, dass ich auf alte Bekannte traf. Dachte ich. Aber in den nächsten zehn Tagen begegnete ich nicht einem Gesicht, das ich je zuvor gesehen hatte. Wozu dann überhaupt die Maskerade? Selbst Jori, von dem ich einmal hörte, war inzwischen irgendein Abteilungsleiter im Forschungszentrum. Man erzählte sich Wunderdinge über seine Leistungen.
Ich sollte die erst einmal nichts Anderes las die Abläufe rund um die Kristalle auskundschaften und Vertrauen gewinnen. Das Günstigste wäre wohl, dem Imperium den Steuerkristall zu entziehen. Ich sollte heausbekommen, wie das funktionieren könnte. So war Lisas Plan. Einiges hatte ich auch schnell herausgefunden. Zum Beispiel, dass es einen eigenen Fütterzyklus für den Testuden-Mutterkristall gab. Den Kristall selbst bekam ich aber, genau wie den achten, also den neu gezüchteten, nicht zu Gesicht. Die beiden wurden von einem Extrateam versorgt. Insofern war ich meinem eigentlichen Ziel nach neun Wochen nicht näher gekommen.
Am dritten Tag hatte mich übrigens ein Schwarzer von der Seite angesprochen. „Ich weiß nicht. Sie machen viel Geheimnis um kleines Kristall. Ist nur für Kontakt mit große Chefin und Bums-Robert. Die abgeschirmt von extra Leuten. Soll das gut sein? Nein, oder?・
Dieser Ben war mir sofort unheimlich. Ich sammelte Infos über ihn, erfuhr, dass er an mehreren Unis in den USA studiert hatte. Trotzdem sprach er hier das unbeholfene Eingeborenen-Englisch der Helfer aus der Umgebung. Ich hatte nur zurückhaltend genickt. Am nächsten Tag beobachtete ich ihn zusammen mit einem anderen Neuankömmling.
„Ob der Spione entlarven sollte? Das wäre ja echt primitiv. Aber er kommt zu mir und tut vertraulich, als hätten wir viel gemeinsam.・ Auf einem Spaziergang erzählte ich Jule meine Vermutung.
„Seit du in dem Geschäft bist, siehst du hinter jedem, der ein freundschaftliches Gespräch mit dir anfangen will, einen Gegenspion. Man kann das Misstrauen auch übertreiben・, versuchte sie mich zu beruhigen.
„Lieber einen zu viel verdächtigen, als dem echten Spion zum Opfer fallen・c・
„Mich nervt das hier. Wir sind zwar sicher, weil kaum was von früher übrig ist. Aber was können wir mit unserem Wissen aus der alten Oase anfangen? Wir sind nicht mehr wert als irgendeine ungarische Martha oder eine schwedische Ulla.・
Zwei Monate vergingen. An einem Dienstag veränderte sich plötzlich der Ablauf in der Siedlung. Auch ich war betroffen. Der schwere Kristall kam dauerhaft in seine Abschirmfolie. Dafür übertrug man meinem Team den geheimnisvollen neuen Kristall zur Pflege. Der Betreuungsplan für die anderen Mutterkristalle war sehr einfach. Nie blieben mehr als drei von ihnen unverhüllt. Die Aerobolde versorgten sich sowieso selbst. Hauptsache, die Bottiche mit Sikroben waren gefüllt. Die Mütter schickten noch irgendwelche Grundimpulse zu ihren Kindern. Man hatte mich eindringlich gewarnt, ja nicht den Fütterungsrhythmus durcheinander zu bringen, denn ohne den Grundimpuls würden die Aerobolde langsam träge, bis sie reglos am Boden liegen blieben. Schon relativ früh seien sie dann nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben auszuführen. Dass mir das überhaupt erklärt wurde, war ein großer Sieg. Ich hatte demnach das Vertrauen der Teamleitung. Meine Laune besserte sich wieder.
・c „Das ist richtig. Der neue Kristall muss wirklich fast ununterbrochen bewegt werden・, hatte der Bereichsmanager meine vorsichtige Nachfrage beantwortet.
„Warum denn das? Bringt das keine Probleme?・ Es war wohl das Beste, wenn ich die Naive spielte.
„Sie brauchen sich über irgendwelche Zusammenhänge nicht den Kopf zu zerbrechen. Zu konkreten Zeiten hat der Kristall ganz bestimmten Testuden an vorgegebenen Plätzen Arbeitsinstruktionen zu geben. Freuen Sie sich, dass Sie diese Arbeit machen dürfen. Die meisten anderen, die hierher gekommen sind, um reich zu werden, sind ihren Job bald los. Wir ziehen noch 30 Pfleger durch die Proben. Danach läuft alles im Zwölf-Schicht-Betrieb. Eine der Schichten wird Ihre sein.・
„Ich bin also durch irgendwelche Proben gezogen worden. Nichts hab ich gemerkt. Verstehst du, Jule? Absolut nichts. Außer dem Kontaktversuch von diesem Ben. Und der kann・Ls ja wohl nicht gewesen sein. Was bin ich für eine Agentin, die nicht einmal merkt, wenn man sie auf die Probe stellt?・
Jule lief müde neben mir her. „Vielleicht haben Lisas Leute die Ergebnisse getürkt. Kann dir doch gleich sein. Durch ist durch.・
„Da ist aber noch was. So ganz beiläufig ist das gekommen. Bald werden Tausende Arbeitssuchende Mühe haben, überhaupt ihre Tickets in die Heimat zu bezahlen, und ich darf ihnen nicht helfen.・ Wir schlenderten durch eine der Verkaufsstraßen am Rand der City. Es war unwahrscheinlich, dass irgendwer hier unser Gespräch belauschen könnte. Aber in dem Moment guckte ich einem kleinen Jungen hinterher. Der hatte sich losgerissen, hüpfte gerade mit einem Huhu um Obstkisten herum und beobachtete die drei Frauen und zwei Männer, zu denen er gehörte. Sein Leben war bereits verpfuscht. Er würde es nicht verstehen, wenn er bald hier weg musste, hungernd und ohne eine Chance für sein Leben. Was konnte er für das alles? „Wenn ich jetzt schon mit einer Sabotage auffalle, wäre unser ganzes Vorhaben in Gefahr. Nur was wäre ich für ein Mensch, wenn ich ungerührt zusäh・L, wie hier Familien kaputt gehen? Ich hoffe, dass ich wenigstens keinem dieser Leute persönlich begegne.・
„Marie, lass das! Wir müssen unsren Moment abpassen. Und das werden wir. Klar?・
Ich lächelte. „Wenn ich dich nicht hätte, Jule ・c Verzeihung, ・c Ulla ・c・
Der Anfang vom Ende
R
Als Robert auf ihr Klopfen hin öffnete, empfing sie eine Überraschung. Keine Kerzen, kein Wein oder Schampus, sondern eine Bildwand beherrschte den Raum. Robert stand in Sakko und Schlips vor ihr und hielt einen Zeigestock in der Hand. Er begrüßte sie, wies ihr einen Platz zu und begann einen Vortrag. Merkwürdig: Er führte sich auf, als stände er in einem Saal mit Hunderten Studenten, denen er einen Vortrag halten sollte. Petra war anfangs so verblüfft, dass sie die ersten Stücke dieses Vortrags verpasste. Doch dann hatte sie sich gefasst. „・c Ich habe es genau berechnet: Für achtzig Prozent der Weltbevölkerung wird es in einigen Jahren keine Arbeit mehr geben, mit der sie das Geld für unsere Produkte verdienen könnten. Zahlte man denen irgendwelche Unterstützungen ・ was wäre das Anderes als umverteiltes, sprich geschenktes Geld von uns? Bei einem echten Geschenk wüssten sie aber, dass sie keinen Rechtsanspruch darauf haben. Aber mal ernsthaft: Der Staat zahlt denen etwas aus unseren Steuern. Er senkt also unsere Gewinne, damit wir Leute haben, die unsere Produkte kaufen, aus denen wir Gewinne ziehen. Soll das sinnvoll sein? Aber wenn sich diese arbeits- und sinnlosen achtzig Prozent vermehren, ohne etwas zu leisten, also dahinleben wie Bakterien oder Filzläuse, sind sie nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich. Wenn sie allerdings nicht lebten, was logisch besser wäre, dann fehlten uns irgendwann die Menschen, die unsere Produkte kaufen. Ein paradoxer Teufelskreis.・
Petra hatte sich entschieden, das Spiel mitzuspielen. Halb belustigt, halb verärgert, hob sie wie eine aufsässige Studentin die Hand. „Das System hat doch einen Fehler! Du vergisst die anderen zwanzig Prozent. Die erarbeiten den Hauptteil der umzuverteilenden Gelder, denn die arbeiten in Bereichen, in denen wir nicht produzieren, sondern die wir beliefern. Dienstleistungen, Transport, Werbung, Kunst und so. Friseure für all unsere Köpfe. So ist der Fortschritt. Sollen wir uns verdammen, weil wir der Fortschritt sind? Außerdem können immer noch alle Kinder zeugen. Wir werden die besten auslesen. Also hat jeder seine Chance. Sonst degenerieren unsere Arbeiter. Und wir sind doch das sozialste Unternehmen, was es heutzutage gibt. Unsere Wochenarbeitszeit liegt bei 24 Stunden. ・
Noch immer konnte Petra nicht erkennen, ob Robert diese ganze Szene ernst meinte. Er fuhr scheinbar unbeirrt fort. „Wenn wir der Fortschritt sind, dieser Fortschritt normale Menschen aber zu nutzloser Bioreserve macht, wer kann es den Leuten verdenken, wenn sie uns zum Teufel wünschen? Ich möchte nicht die Meute füttern, die mich einmal zerfleischt.・
Na, endlich war die Katze aus dem Sack. Dieser Scarian hatte also einfach Schiss vor den Geistern, die er mit beschworen hatte. „Das werden sie nicht・, sagte Petra ruhig. „Sie werden versuchen, die Maschinen zu stürmen wie vor Hunderten von Jahren. Die Kristalle werden sie angreifen. Die Leute sind doof. Richtig, wir werden hier eine Weile Angst haben müssen, zumindest so lange der Hauptteil der Entlassenen noch nicht zu Hause ist. Aber warum gibt es so viele Jobs im Wachdienst? Außerdem haben wir einen genauen Zeitplan, wann wer erfährt, dass er entlassen wird, damit nie mehr als zweihundert Mitarbeiter ihr Schicksal gemeinsam erleben. Nackte Wissenschaft treiben zu wollen ist ein Hirngespinst. Entweder du bist geschäftstüchtig oder du wirst benutzt. Ich lasse mich nicht benutzen. Außerdem findet sich immer ein Grund, dass sich welche als was Besseres empfinden als die anderen und uns schützen.・
Scarian sah sie lange durchdringend an. Ob er begriff, dass eine Handbewegung von ihr auch ihn in das Heer der sinnlosen Menschen einreihte? Dass diese seltsame Szene Grund genug war, das ernsthaft zu erwägen? Gigolos gab es unkompliziertere. „Petra, du machst mir Angst!・ Petra hörte seine Worte und beschloss, sich trotz dieses Vorspiels mit ihm einen schönen Abend zu machen. Ein Glück, dass Scarian den Hauptteil seines Gehalts in Form von Angestelltenbeteiligungen erhielt. So hing sein Schicksal von dem der Firma ab.
Ein Griff mit Folgen
W
Jule reichte mir nun wortlos das Schreiben.
„Oh, Gott! Das ist ja hart!・
In einem vorgefertigten Brief wurde der Arbeiterin eine Frist von 7 Tagen zugestanden, die firmeneigene Wohnung zu räumen, anderenfalls verfalle die Kaution von drei Monatsmieten. Der von da an sofort anfallende Mietbetrag lag bei einem halben Monatslohn, den sie dann ja nicht mehr bekäme. Dabei wurde auf einheimisches Recht verwiesen, wovon wir natürlich beide nichts verstanden.
„Gut, wenn du meinst, dann gehe ich gleich zum Rekrutierungsbüro.・
Als ich am nächsten Nachmittag die Tür des gemeinsamen Zimmers öffnete, lag Jule auf dem Bett. „Na, was war? Erzähl!・ Eigentlich war mir klar, dass die Bewerbung schief gegangen sein musste. Ansonsten hätte Jule mich anders begrüßt. Sie hätte es gar nicht ausgehalten, ihre Freude zu zeigen. Nun lümmelte sie da wie schockgefroren. Ich legte mein Päckchen zur Seite, setzte mich aufs Bett, streichelte Jules Gesicht. Jule ließ das regungslos über sich ergehen. Ich wartete. Irgendwann öffnete sie den Mund und dann ・c Man konnte meinen, sie wäre eine Sprechpuppe, und ich hätte irgendwo einen Schalter gedrückt, und nun lief das Band mit ihrer Erzählung einfach ab. Ich fragte nicht dazwischen. Manchmal irrten meine Gedanken ab, wenn Jule eine Pause machte. Sie sah mich übrigens die ganze Zeit nicht an. Sie erzählte alles scheinbar einem vor ihr in der Luft schwebenden Flaschengeist.
„ Das Bild des Marktplatzes, weißt du, dort, wo wir unsere Einweisung bekommen haben, hat sich extrem verändert. Draußen vor dem Einweisungsbürogebäude hockten, als ich kam, etwa 20 Frauen und Männer. Als ich mich erkundigte, welches die Bewerberschlange für die Sicherheitsdienste ist, schubsten sie mich zu einem Automaten. Die Gänge dahinter waren voll, und es stank nach Schweiß. Als ich meine Karte eingeschoben hatte, hörte ich eine eintönige Computerstimme: Vor Ihnen warten 89 Personen. Bitte haben Sie Geduld. Ihre Registrierung bleibt auch morgen gültig, wenn sie bei Aufruf anwesend sind. Bitte beachten Sie, dass Ihre Aufenthaltserlaubnis ohne erneuten Antrag in fünfzehn Tagen abgelaufen ist. Melden Sie sich gegebenenfalls auch an Sammler fünf. Bitte machen Sie Platz für nachfolgende Interessenten.
Nein, das Warten war es nicht. Ich musste wesentlich weniger rumhängen als befürchtet. Keine drei Stunden und meine Nummer wurde aufgerufen. Wie die Frau mir zu Beginn erklärte, wären die meisten sofort weiter zum Fitnesstest geschickt worden, und den hätten sie nicht bestanden. Ich war ja auch noch nicht dort, und das habe ich auch gesagt.
・c Nein, das sei überhaupt kein Problem, hat sie mir noch Mut gemacht. Wenn ich den Test einmal nicht bestehe, dann könne ich mich jeden Tag neu bewerben, solange ich hier Aufenthaltsrecht habe. Das machten die anderen auch so. Sollte ich ihn bestanden haben, dann müsse ich hinten wieder klopfen. „・c Jetzt gehen Sie hier raus, den Gang lang, und dann Zimmer 341.・ Sie sah mich schon nicht mehr an. Ich hab noch gemerkt, dass sie einen Knopf gedrückt hat, wahrscheinlich für den Aufruf der nächsten Nummer, dachte ich. Weil ich noch immer da rum stand, guckte sie richtig ärgerlich hoch und deutet auf eine Tür links neben der Wartetheke ihres Büros. Ehe ich mich versah, hat sie mir noch einen Kontrollbogen in die Hand gedrückt, und schon stand ich draußen. Verstehst du. Plötzlich stand ich hilflos in einem lang gestreckten leeren Gang mit vielen Türen auf beiden Seiten. Ich wollte mich aufmuntern. Leises Selbstgespräch und so. Was soll das? Es geht doch sonst alles mit moderner Datentechnik. Das schaff ich ・c Kreuz durchgedrückt und los.
Ich schlich den halbdunklen Gang vorwärts. Gibt es denn hier keine ordentliche Beleuchtung? ・c Na, egal! Die Zimmernummern waren gerade noch zu lesen. 324, 325, 326 ・c 341 muss wohl um die Ecke sein. Wie so ein Kind im Dunklen murmelte ich vor mir her.
Plötzlich ging die Tür von Zimmer 326 auf. Ein Mann mit tief ins Gesicht gezogener Strickmütze kam heraus. Sie wollen in die 341? Zeigen Sie mal! Warum hätte ich mir was Böses dabei denken sollen? Ich hätte ja auch jedem weitergeholfen. Ich reichte dem Mann also meinen Kontrollbogen. Im selben Augenblick erhielt ich einen Stoß vor die Brust. Ich stolperte zurück. Ehe ich etwas begriffen hatte, war der Mann wieder in 326 verschwunden. Ich wollte noch hinter ihm herlaufen. Die Tür war aber schon abgeschlossen. Eine monotone Computerstimme dröhnte durch den Gang: Sie haben bei Aufgabe eins versagt. Wenn Sie nicht nach Hause gehen wollen, warten Sie in Zimmer 325 auf die nachfolgenden drei Anwärter, mit deren Kontrollbögen Sie die nächste Runde erreichen.
Zweifelnd sah ich mich im leeren Gang um.
Schon wieder die Stimme: Bitte entscheiden Sie sich sofort! Der nächste Kandidat wartet. Wenn Sie den Gang nicht innerhalb der nächsten 30 Sekunden verlassen haben, werden Sie von unseren Mitarbeitern entfernt. ・c 29, 28, 27 ・c・ Ich begann zu rennen. „・c21, 20, 19 ・c・ An einer Glastür hinter der Ecke stand dick EXIT. Ich lehnte mich keuchend dagegen. Damit musste ich wohl den Öffnungsmechanismus aktiviert haben, denn schon stolperte ich nach draußen. Nachdem ich mehrmals tief Luft geholt hatte, drehte ich mich um. Irgendwie müsste die Tür doch aufgehen. Ne Klinke gab es nicht. Nicht einmal hindurch sehen konnte ich. Was war das überhaupt für ein Platz, wo ich gerade gelandet war? Ein Hinterhof. Die Sonne blendete und es war heiß. Sollte ich mich noch einmal anmelden? Oder die anderen warnen? Zerknirscht trottete ich ziellos los. Ich weiß nicht, wie lange ich gelaufen bin. Ich kann・Ls einfach nicht glauben, dass das ein Eignungstest für den Wachjob gewesen sein sollte. Aber es war wohl so. Marie, ich bin durchgefallen, glatt durchgefallen, verstehst du?・
„Was weiß ich, was die noch für Fallen aufgestellt haben? Es wäre zwar schön gewesen, wenn du mir als Wache geholfen hättest, aber das hätte wohl sowieso nicht geklappt. Wir haben nur noch zehn Schichten Zeit.・ Es sollte tröstend klingen, aber es war nicht das Richtige. Doch dann legte ich mich einfach neben Jule, schob einen Arm unter ihren Kopf und wartete. Irgendwann regte sie sich wirklich. Als sie schließlich sagte, „Lass mich dir helfen, egal wie!・ da war sie schon wieder fast wie sonst.
Ich hängte meinen Schichtplan für die nächste Woche vergrößert an die Seitenwand. Ich hatte jeweils Schichten von drei Stunden an vier aufeinander folgenden Tagen zu gleichen Zeiten, aber mit verschiedenen Partnern. Am kommenden Montag wäre ich mit Blacky zusammen. Das war der beste Tag.
Montags hatte ich immer einen schwierigen Part. Ich musste für einhundertfünfzig Minuten einen fast sekundengenauen Laufplan mit dem Babykristall einhalten. Zwar wurde seit langem über eine automatisierte Laufstrecke nachgedacht, bisher hatten sich aber immer kleine Abweichungen ergeben, die dann ins Protokoll eingetragen wurden und deretwegen Menschen hier unersetzbar schienen. Man konnte die wenigen Impulse einfach nicht entbehren, die die Testuden für den Tag programmierten. Zumindest noch nicht.
Die vielen Gänge waren mit versteckten Kameras bestückt und die wiederum mit Computern verbunden. Die aktivierten die Wachmannschaften, wenn irgendetwas nicht nach Plan lief. Die könnten vor Langeweile sogar schlafen. Ginge aber eine Kristallbetreuerin nur vier Schritte in die falsche Richtung, würden sie sofort alarmiert.
Blacky hatte die Tröge zu kontrollieren. Er war eigentlich ganz überflüssig, denn bei den normalen Kristallen war alles automatisiert. Dort hatte sich in den letzten Monaten auch nichts Neues ergeben. So entwickelten sich die hier eingesetzten Betreuer aus Angst um ihren Job zu eifrigen Schnüfflern. Was Blacky erschnüffelt hatte, hatte er allerdings nicht in seine Protokolle aufgenommen: Das Mädchen, das mich hin und wieder abgeholt hatte, war ganz nach seinem Geschmack. Er hatte sich wohl erst nicht getraut, das auch nur zu denken, dann aber war sie aufgetaucht, als ich keinen Dienst hatte. Seinetwegen, hatte sie ihm gestanden. Ja, er sei hier einer der Dienstältesten, hatte er ihr stolz erklärt. Nein, er könne sie auch nicht ein einziges Mal zu den Kristallen lassen, weil alles aufgezeichnet werde, und dann sei er seinen Job los. Ja, er wisse, wo die Kameras installiert seien, er sei schon dabei gewesen, als sie eingebaut wurden.
„Armer Blacky・, meinte Jule, aber ich überzeugte sie. „Es muss sein. Während ich mit meiner Tour unterwegs bin, schleichst du dich zum Schlafzimmer für Kristall drei, wo Blacky ganz sehnsüchtig auf dich wartet. Dreimal kurz und dreimal lang als Klopfzeichen. Die Tür geht einen Spalt auf. Blacky soll sich mit dem Rücken zur Tür stellen und die rechte Hand nach hinten strecken. Er wird die Tür wieder schließen und ein paar Schritte nach vorn machen. Hoffentlich trügt ihn seine Erinnerung nicht. Die Augen der Kameras fallen ja nur dem auf, der weiß, wo sie sind. Keine Angst, Blacky will dir imponieren. Er wird sich total konzentrieren, als hätte er eine Filmrolle zu spielen. Er reißt den rechten Arm hoch, benutzt die Sprayflasche wie einen Revolver. Pfff! Es muss einfach funktionieren. Es sind nur Bruchteile einer Sekunde, die ihn in der verräterischen Pose zeigen können. Klar riskiert er damit seinen Job, aber für dich tut er es gern.・
Jule guckte mich zweifelnd an. „Ja, eben!・ Also versuchte ich weiter, ihr die Szene schmackhaft zu machen. „Das erste Auge fällt aus ・ genauso wie dann die anderen vier. Du hast Blacky ja erklärt, dass sich das Spray innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten spurlos auflöst. Das stimmt wirklich. Bis alles untersucht ist, arbeiten die Anlagen wieder einwandfrei. Wenn er es geschafft hat, kommst du herein, nimmst ihn in die Arme, küsst ihn stürmisch ・ allein das ist ihm bestimmt das Risiko wert ・ und dann ziehst du ihn hinter dir her. Gemeinsam steht ihr dann ehrfürchtig vor dem riesigen Kristall.
So sieht das Ding also in natura aus. Herrlich! Kann man ihn anfassen
Ich glaub, ohne dass sie Blacky schnappen, hilft uns das Manöver nicht weiter. Du musst also auf Zeit spielen. Erst wenn du das Gefühl hast, dass sie das Gebäude mit allen verfügbaren Leuten umstellt haben, trennst du dich von ihm. Du kauerst dich an einer der Stellen hin, die dir Blacky beschrieben hat, und wartest. Die Wachen laufen an dir vorbei. Blacky ist sich ja sicher, da sind tote Winkel, die das Beobachtungssystem nicht erfasst. Wer also sollte wissen, wo du hockst, ja, dass du überhaupt da bist? Die Überwachungskameras zeigen nichts. Du kannst vielleicht sogar zusehen, wie die Tür aufgerissen wird und die Leute in den Raum stürmen, aus dem Blacky gerade abhauen will. Reg dich einfach nicht. Gleich kommen die Kontrollbilder wieder klar an. Von drinnen ist nichts zu sehen. Wenn Blacky Glück hat, dann kontrollieren sie zwar die Aufzeichnungen, vermuten aber einen technischen Defekt. Dann kommt sogar er davon. Das glaub ich zwar nicht, aber für unser Unternehmen geht es nicht anders.・
Jule setzte zu einer Antwort an ・c aber ich redete schnell weiter. „Deine einzige Aufgabe ist es, den Hauptteil aller Wachleute zu beschäftigen. Denk dran, davon hängt vielleicht das Schicksal der Menschheit ab ・c Na ja, ich habe sogar im Traum gesehen, wie es dann für dich weitergegangen ist.・
Julia sah mich zweifelnd an. „Das klingt, als wär・Ls nicht gerade positiv. Dann halt bloß die Klappe! Du bringst mich sowieso nicht von ab.・
Ich schwieg. Ich hatte mein Ziel erreicht. Jule würde ihren Teil durchspielen. Und was nutzte dieser Traum? Wo ich mich wirklich in Jules Rolle gesehen hatte? Das Gebrüll? Was sollte das? Die Maschinenpistolen? Von mehreren Seiten auf mich gerichtet? Die Notfallpille im Mund? Während ich langsam die Arme hob, bewegte sich meine Zunge. Ich schluckte. Es fiel niemandem auf. Dann fühlte ich mich wohlig müde. Alles um mich herum drehte sich in einem immer schnelleren Strudel. Dann wachte ich auf. Als Marie ・c
Der freigelassene Vogel
I
Zuerst hatte ich Lisa über den Zeitpunkt informiert. Ob sie noch ein paar Zwischenfälle zur Ablenkung organisieren könnte ・c Je größer das Durcheinander umso besser. Dann ließ ich Jule ziehen. Wir drückten uns, als wäre das unsere letzte Berührung vorm Lebensende. Dann ging alles nach Uhr. Wann würde der Alarm ausgelöst, in welcher Zeit würden die Wachmannschaften die Räume um den künstlichen Steuerkristall eingekreist haben, wann auf Jule zugreifen ・c
Für mich lief eine andere Zeit. Ich hatte mich auf meine Weise vorbereitet, auf eine Weise, die bei meinem normalen Aufgabengebiet, das auch körperliche Fitness voraussetzte, nicht auffiel. Meist ging es um Trainingsläufe mit Belastung. Vorübergehend sollte das gesamte Sicherheitssystem ausfallen. Ein Teil davon wäre durch Jules Einsatz erreicht. Ich hoffte, dass alles, was Beine und Waffen hatte, zur Jagd auf sie zusammengezogen würde. Aber selbst, wenn ich die unsichtbare Hilfe durch Lisas Beziehungen dazurechnete, hatte ich exakt 90 Sekunden. In dieser Zeit musste ich in den Gang rein, den Originalsteuerkristall packen und mit seinen etwa zwanzig Kilogramm den Gang wieder raus. Bei einer Übung am Stadtrand hatte ich für die Laufstrecke mit einem Feldstein 85 Sekunden gebraucht. Der war aber leichter und leichter zu greifen. Vor allem konnte ich mir beim echten Start nicht den Luxus leisten, am Ende des Ganges auf die Uhr zu sehen. Also wusste ich nicht, ob ich längst auf einem Beobachtungsschirm aufgetaucht war, man also meinen Diebstahl bemerkt hatte. Im Gegenteil: Ich musste abbremsen, die Baracke gemächlichen Schritts verlassen, den eingepackten Kristall draußen unauffällig bis zum Wagen tragen, Nicht dass zufällig jemand auf mich aufmerksam würde, Helfer spielen und mir die mich beugende Last abnehmen wollte ・c Das am allerwenigsten.
Ich buckelte mit dem Kristall los, tauchte am Ausgang der Baracke auf, sah mich unauffällig um ・ nichts ・ streckte mich mit Mühe, hielt den verpackten Riesen locker im Beutel. Freute mich: Filmreif bisher. Reiner Sport. Aber die entscheidende Situation stand mir erst bevor. Der Posten am Haupteingang. Inzwischen hatte ich mich umgesehen Überall hektische Bewaffnete. Die meisten auf dem Weg zu Jules Bungalow. Noch keine neuen Meldungen? War mein Diebstahl schon entdeckt?
Ich zitterte. Fuhr auf das Tor der Siedlung zu. Für die Wache schien es keinen Grund für besondere Kontrollen mir gegenüber zu geben. Das war nur logisch, wenn alle Beteiligten an dem Scheindiebstahl bereits festgenommen waren. Es kam nur ein einziger Wachmann auf meinen Wagen zu. Ein paar andere lungerten im Schatten. Machten die gerade Pause?
Ich hätte mich am liebsten im Spiegel kontrolliert. Kam ich wirklich ganz unbefangen rüber? Das freundliche Lächeln im Gesicht, der zusätzlich offene Blusenknopf, der Scherz auf den Lippen: „・c Nein, ich habe nichts Besonderes dabei. Nur den Schatz der Stadt.・ Da hätte mir auch etwas Besseres einfallen können. Ein kaum gebräunter Uniformierter lachte. Ein Neuer eben. Noch immer kein Verdacht.
Da surrte es im Wachhaus hinter ihm. Richtig aufdringlich. Ich zuckte zusammen. Jetzt haben sie es bemerkt. Warum gehen nicht alle Tore automatisch zu? Soll ich lieber gleich das Kommando zum Vollstart geben und ab? Nein, der Vorsprung wäre zu gering. Eine Querfeldeinjagd gewinn・L ich sowieso nicht, und außerdem hätte ich mich damit schuldig erklärt. Sekunden verrannen. Ich erzählte, dass ich nicht zu den Aufenthaltsbeschränkten gehörte. Ich käme also wieder. Der Wachmann versuchte sofort, mit mir zu flirten. Ganz flache Anmache. Das Gespräch des Vorgesetzten drinnen dauerte schon mindestens eine Minute. Niemand kam heraus. Noch immer wartete der Wachmann auf meine Antwort. Sollte er sie haben: „Am Sonntag habe ich wieder Schicht, da muss ich zurück sein.・ Ich lächelte verlegen. Lauschte. Der Mann notierte sich meine Adresse in der Siedlung und das Reiseziel an der Küste. Salutierte. Langsam fuhr ich an. Wenn jetzt jemand aus dem Wachhaus gestürmt käme, um mich zu stoppen, ich hätte keine Chance. Zermürbend, dieses Abwarten.
Nichts passierte. Ich fuhr an, beschleunigte. Vorsichtig. Immer noch nichts. Der Jeep erreichte Langstreckentempo. Ich drehte mich nicht um. Aber meine Ohren versuchten weiter, ein Verfolgergeräusch herauszufiltern. Etwa fünf Kilometer fuhr ich so. Endlich erreichte ich die alte Düne. Dahinter konnte mich von der Siedlung aus niemand mehr sehen. Jetzt in die Wüste abbiegen ・c Zwar fuhren hier längst nicht mehr so viele Autos wie zu Zeiten unserer Ankunft ・ die Massen der hoffnungsvoll Anreisenden fehlten ・ aber ein stetiges Rinnsal von Transportern war immer noch Richtung Marienthal, Windhuk und Küste unterwegs. Fiele ich jemandem auf, war in Sekundenschnelle die Meldung über meinen Standort in Herbsttown. Wie hatte Lisa gesagt? Keine Angst: So schnell steigen keine Flugzeuge auf. Da war also Sabotage sicher.
Aber was war schnell? Ich fühlte mich elend. Nichts wusste ich. Hatte ich eine Chance? Sollte ich mich auf zusätzliche Schutzmaßnahmen verlassen, von denen ich nichts ahnte? Lisa hatte gemeint, dass es mir nichts nutzte, wenn ich von den Anderen wüsste, aber wenn etwas schief ginge, würde mich das Wissen gefährden. Achselzuckend fand ich mich mit der Unsicherheit ab. Hätte ja nicht anzufangen brauchen. Musterte die wenigen Fahrzeuge. Im Moment fuhren nur welche in meine Richtung, also weg von Herbsttown. Wahrscheinlich Gekündigte. Wenn nicht, hätte ich eben Pech.
Mein E-Car war ein Jeep mit Allradantrieb und Dreifachrädern. Zwar konnte der Wagen nicht in der Düne versinken, aber ich wollte wenigstens so weit weg, dass ich von den Hauptverbindungsstrecken aus nicht mehr zu sehen war. Auf diesem Teilstück schien sich der Horizont überhaupt nicht zu verändern.
Endlich glaubte ich, weit genug gekommen zu sein. Ich hielt an. Fühlte mich beobachtet. Das Notfall-Ortungssystem hatte ich schon vor der Abfahrt außer Betrieb gesetzt. So leicht sollten es meine Verfolger nicht haben. Mit einem Feldspaten hob ich eine flache Grube aus und tropfte blau funkelnde Sikroben hinein. Es schäumte und zischte. Also schmeckte den Sikroben der Boden. Als sie sich ausreichend vermehrt hatten, griff ich nach dem Beutel mit dem Kristall. Ich betrachtete ihn, und plötzlich stieß ich ein lautes Triumphgeheul aus. Dieses Ding hätte kein normaler Mensch jemals zu stehlen versucht. So groß wie ein Kinderkopf und mit klarer Struktur war er so einmalig wie auffällig. Es war allgemein bekannt, dass keine irdische Technologie ihn zerstören konnte. Wer sollte sich an dem vergreifen?
Ich legte den Kristall so ab, dass er nach Bedarf Tropfen in sich aufsaugen konnte. Was aber, wenn der Kristall alle Tropfen auf einmal verschlang?
„Was wir angefangen haben, führen wir auch zu Ende・, knurrte ich ihn an. Es wurde schnell dunkel und empfindlich kalt. Ich hüllte mich gerade zum Schlafen in meine Decken ein, da schossen meine Ohren wie Antennen nach oben: Dieses feine Sirren in der Luft hatte ich doch schon mal gehört?! Es kam unglaublich schnell näher. Da war wohl nichts drin mit einer erholsamen Nacht allein in freier Natur ・c
In drei weit voneinander entfernten Orten passierte zur selben Zeit etwas Seltsames: Drei Zwillingspärchen stiegen unabhängig von einander aus ihren Betten und liefen mit offenen Augen, aber ohne etwas zu sehen, in Richtung des entführten Kristalls.
In Herbsttown wurden die Töchter der Unternehmensleiterin durch ihre Bodyguards aufgegriffen und vorsichtig in ihr Zimmer zurück getragen. Petra verkniff sich Flüche wegen des zusätzlichen Zwischenfalls. Als die Mädchen erwachten, konnten sie sich an nichts erinnern. Nein, sie hätten nichts geträumt.
Sonjas Zwillinge stolperten auf der Treppe. Bei dem Sturz verletzten sie sich nicht, und als Sonja, aufgeschreckt durch den nächtlichen Krach, nachsehen wollte, lagen sie, sich umarmend und schlafend, vor der untersten Treppenstufe.
Janine hatte mitten in der Nacht so ein komisches Gefühl, wie sie nachher Jens erzählte. Die Mädchen waren nicht in ihrem Zimmer und alle Türen waren auf. Warum Jens auf die Straße Richtung Dorf gelaufen war, um sie zu suchen, konnte er nachher nicht erklären. Jedenfalls entdeckte er Sina und Leonie dort ・ barfuß, in Nachthemden und Hand in Hand. Es war abnehmender Mond, stellte Janine fest. Sie schlief neben Jens auf Sinas Bettrand ein. Als die Kinder am Morgen vor ihren Eltern aufwachten, hörten sie sich erst die Geschichte an und dann meinten sie: „Früher habt ihr euch bessere Stories einfallen lassen.・
Der Kampf
M
Ich rannte zu dem Kristall. Streckte die Finger aus. Etwa einen Meter vor seinem flimmernden Körper stieß ich auf Widerstand. Ich versuchte es von der anderen Seite. Es war nicht ranzukommen. Meinen Kristall umgab offenbar eine eigene Abschirmung. Ich durfte nur zusehen, was sich um mich herum abspielte. Der Sternenhimmel lag frei über mir. Ich erkannte das Kreuz des Südens. Eine reizende Atmosphäre für einen Film mit glücklichem Ausgang. Plötzlich wollte ich meinen Augen nicht recht glauben. Nachdem sie mehrere Stapel in die Landschaft gesetzt hatten, versammelten sich die Aerobolde über dem schweren Mutterkristall. Die ersten setzten zum Sturzflug an. Dann hoben sie den blau flimmernden Kristall einfach vom Boden auf. Als ich hinzu springen wollte, lösten sich einige aus dem Pulk und stellten sich mir in den Weg. Ich blieb stehen ・ die Aerobolde auch. Sie schwebten einfach vor mir in der Luft. Der mit so großem Einsatz geraubte Kristall entschwand meinen Blicken.
Einige Aerobolde näherten sich mir wieder. Die ersten schubsten mich vorsichtig an. Ich wehrte sie ab wie lästige Fliegen. Da stießen sie kräftiger zu. Ich wich zurück. Wieder Stöße. Als ich bis zu meiner Decke zurückgewichen war, bemerkte ich auch hinter mir Aerobolde. Sie hatten mich inzwischen also umzingelt.
Das hatte ich davon. Ich setzte mich. Die Aerobolde blieben in ihren Positionen. Sobald ich aber versuchte aufzustehen, bekam ich neue Stupse. Nachdem sich das mit immer demselben Ergebnis mehrmals wiederholt hatte, knurrte ich: „Ist ja gut, ich leg mich ja schon schlafen・, und dann geschah, womit ich am allerwenigsten gerechnet hatte. Ich schlief sofort ein.
Als ich aufwachte, war es blendend hell. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo ich war. Mit wachsender Verwunderung sah ich mich um. Inzwischen umgab mich von allen Seiten eine mächtige Mauer. Mehr als 15 Metallstapel waren da aneinander gefügt. Sie waren alle etwa so hoch wie ich, einen halben Meter tief und jeweils vier Meter breit. Von den Aerobolden war keiner zu sehen. Ich reckte mich, stand auf, näherte mich einem der Stapel, ohne auf Widerstand zu stoßen und empfand eine immer stärkere Angst. Bald würden die Suchkräfte aus Herbst-City ankommen. Dann wäre alles vorbei.
Meine Überlegungen wurden schnell unterbrochen. Etwas surrte in der Ferne. Die Aerobolden-Wolke kam zurück. In weniger als fünf Minuten war sie heran. Sie verstärkte den Metallring mit frischen Barren, und bald verstand ich, warum mich schon eine fast vollständige Mauer umgab. Diese Arbeitswut hatte offenbar die ganze Nacht über gewirkt. Eine Pause brauchten die Dinger ja nicht.
Während mir das durch den Kopf schoss, schwebte ein unbeladener Aerobold über mir. Ich dachte mir anfangs nichts dabei, doch dann passierte etwas Seltsames. So als ob sich mein Körper allmählich von innen färbte, veränderte sich meine Stimmung. Ganz deutlich berauschte ich mich von Sekunde zu Sekunde mehr an ・c nein, ich wusste nicht, woran. Zum Schluss konnte ich mich überhaupt nicht mehr bremsen. Andauernd musste ich feixen. Richtig irre. Alle traurigen Gedanken waren wie zugemauert. Alle Angst war verschwunden. Ein einziges Gefühl beherrschte mich: Der Aerobold da oben streichelte mich.
Etwa zwanzig Minuten später brummte es. Ich wunderte mich, dass ich dieses Brummen überhaupt aus dem vibrierenden Boden heraus hörte. Kurzzeitig wurde es vom bekannten Surren der Aerobolde übertönt. Deren Wolke kam diesmal genau aus Richtung Herbsttown. Von nun an guckte ich nur noch staunend zu. Es gab keinen Zweifel. Die Aerobolde begleiteten eine mächtige Karawane. Dort marschierten die inzwischen zu wahren Riesen ausgewachsenen Testuden auf mich zu. Wie zu Halbkugeln umgeformte Pferde in breiter Front und mit einem gewaltigen Staubschwanz hinter sich. Viele Tausend überschwemmten den kargen Boden. Näherten sich dem Steuerkristall, verteilten sich wieder.
Als erstes walzten und verschweißten sie eine riesige Grundplatte. Plötzlich stürzten sich acht Aerobolde auf mich, hoben mich vorsichtig wie in einer Sänfte an und warteten, bis unter mir die Platte fertig war. Dann setzten sie mich auf einer Sesselform wieder ab.
Gute Idee, dachte ich. So machte das Zuschauen richtig Spaß!
Weitere zwanzig Minuten vergingen, da hätte ich Ohrenschützer haben wollen gegen den Krach. Kaum hatte ich das gedacht, brachten zwei Aerobolde mir ein helmartiges Gebilde. Ich setzte es auf. Es saß wie angegossen. So konnte ich die Bauarbeiten ohne Schmerzen verfolgen. Vieles kannte ich schon aus Sternekop. Aber der erste Eindruck mit den Stapeln hatte getrogen. Die bildeten nur den Innenring. Das eigentliche Bauwerk entstand außen um diesen Ring herum. Die Stapel dort hatte ich vorher nicht bemerkt. Das erinnerte eher an eine allmähliche Verwandlung in ein gewaltiges Gebäude als an Bauarbeiten, wie sie sich Menschen vorgestellt hätten. Einzelne Arbeitsgänge konnte ich kaum unterscheiden.
Gelegentlich unterbrachen einige Testuden kurz ihre jeweilige Tätigkeit. Sie summten dabei so aufdringlich, dass es für mich selbst unter dem Helm unangenehm wurde. Dann wälzten sie sich auf ihre Barren und spuckten sie schließlich als vorgefertigte Bauteile auf ihrer anderen Seite wieder aus. Dort warteten schon die nächsten, um sie zu einer feineren Form zurecht zu kauen. Nach zwei Stunden waren am Boden bereits Konturen eines Palastes mit unzähligen Räumen fertig. Als ich überlegte, ob das ein Raumschiff werden sollte, spürte ich sofort ein starkes Stechen in der Schläfe. „Hm, das war wohl falsch.・ Kaum hatte ich das so vor mir hin gemurmelt, war der stechende Schmerz verschwunden. „Danke für die Belehrung! Geht・Ls auch weniger schmerzhaft?・ Ich lachte, drohte scherzhaft nach oben.
Ich fühlte mich während der ganzen Zeit glücklich berauscht. Aber plötzlich ließ das nach. Ich brauchte nicht lange auf eine Erklärung zu warten. Obwohl der Helm den umgebenden Lärm auf etwa ein Fünftel dämpfte, filterten meine Ohren ein neues, gleichmäßiges Geräusch heraus. Eines, das eigentlich leiser war als die meisten Arbeitsgeräusche. Ich sah mich um, entdeckte drei Flugzeuge über der Baustelle. Trotzdem fühlte ich mich sicher. Dass die Herbst-Gesellschaft so lange gebraucht hatte, war bestimmt nicht mit rechten irdischen Dingen zugegangen. Warum sollte es nicht so weiter gehen?
Herrlich! Ich erlebte eine Überraschung nach der anderen. Kaum schimpfte ich, dass ich bei dem Krach wirklich nicht ordentlich essen konnte, dämpfte der Helm die Geräusche so weit ab, dass mir die Bauarbeiten kilometerweit weg erschienen. Später legte ich mich völlig entspannt schlafen.
Am darauf folgenden Morgen sah alles anders aus. Ich hatte den Anmarsch der Menschen total verschlafen. Nun waren sie da. Um die Baustelle herum waren sie mit Panzern und verschiedenen Geschützen in einem Halbkreis zum Angriff bereit. Ich beobachtete wenig beunruhigt deren Bewegungen ・ wie einen Stummfilm.
Gerade setzten sich die Panzer auf breiter Front in Bewegung. Die Rohre vorgereckt schoben sie sich Meter für Meter näher. Dabei taten Aerobolde und Testuden noch immer, als interessierte sie der ganze Angriff nicht. Sie bauten einfach weiter. Etwa fünf Meter vor der äußeren Mauer blieben die Panzer plötzlich stehen. Jetzt hörte ich trotz meines Helms Motorengeheul. Die Panzer, gestoppt von einem unsichtbaren Hindernis, stemmten sich unter Aufbietung der maximalen Motorenleistung dagegen. Erfolglos. So fuhren sie etwa dreißig Meter rückwärts und blieben wieder stehen. Stille.
Plötzlich zuckte ich zusammen. Eine gewaltige Schallwelle hatte mich erreicht.
Die Fremden beherrschten offenbar den Ablauf von Raum und Zeit. Ich sah ein Wölkchen aus den Panzerrohren aufsteigen. Das markierte den Abschuss. Dann drangen die Geschosse ein paar Zentimeter in die unsichtbare Mauer ein, flogen rückwärts, und schlugen schließlich ・ zu schnell für meine Augen ・ wieder in die Rohre der Panzer zurück. Die waren nun zu Trompeten ohne Griff verformt. Ich brach in lautes Gelächter aus. Der Stummfilm gefiel mir.
Jetzt zuckten verschiedenfarbige Blitze. Laser. Das schreckte mich dann doch, weil einer der undurchsichtigen Seitenträger einsackte. In diesem Moment brach urplötzlich die Bautätigkeit ab. Die Aerobolde erhoben sich zu einer dichten Wolke und die Testuden formierten sich vor der Außenmauer, um sich langsam der Panzerfront entgegen zu schieben.
Erneut blitzte es aus allen Geschützen. Wahrscheinlich wussten die Soldaten nicht einmal, womit sie ihre erste Wirkung erzielt hatten. Aber auf jeden Fall konzentrierten sie sich so auf die zweite Kante, dass auch dort ein Zwischenstück glühend weich wurde. Ich schrie entsetzt auf. Einige von ihrem Erfolg faszinierte Kommandeure hüpften aufgeregt hin und her. Sie richteten offenbar eine dritte Salve auf die Mittellinie aus. Dann hätte die ganze Wand einstürzen können. Mir erschien der Gedanke so überzeugend, dass er all meine Sicherheit mit einem Mal wegblies.
Die vorrückenden Testuden sahen aus wie kleine Panzer ohne Rohr. Mühelos näherten sie sich ihren Gegnern. Offenbar war jetzt an die Panzer das Kommando zum Zurückweichen gekommen, denn sie zuckten rückwärts, blieben aber trotzdem stehen wie von unsichtbarer Hand festgehalten. Selbst durch meinen Helm drang das aufbrausende Surren, als die Testuden die Kampfwagen der Menschen erreichten. Jetzt veränderten die Testuden ihre Form. Es sah aus, als würden die Panzer von riesigen Teerklumpen getroffen, die vor Hitze schmolzen und ihren Gegner mit einer zähen Masse überzogen. Für einen Moment glänzten die gewaltigen Fahrzeuge wie die übrigen betroffenen Waffen schwarz, dann begannen sie zu schrumpfen. Allmählich gewannen die Halbkugeln wieder ihre Schildkrötengestalt. Was vorher Panzer oder Geschütz gewesen war, lag jetzt verformt zu unterschiedlich langen Rohren, T-Stücken oder Behältern mit kleinen Gegenständen darin herum. Die Panzerfahrer suchten splitternackt und völlig orientierungslos nach Deckung. Selbst ich mochte dem Bild nicht glauben.
Einige Offiziere ließen die noch verbliebenen Strahlenwerfer neu richten. Die ersten Testuden waren nur noch etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt. Blitze zuckten. Die getroffenen Körper fielen auseinander. An ihrer Stelle rückten zwei oder mehrere kleinere weiter vor.
Plötzlich pfiff es fürchterlich. Der Helm war einfach überfordert. Vergeblich versuchte er, das Geräusch abzumildern. Erst nach ein paar Sekunden hatte er das geschafft. Die ganze Wolke der Aerobolde stürzte in Richtung der angreifenden Soldaten und Offiziere. Fast genauso schnell erhob sie sich wieder in die Luft. Es bestand kein Zweifel. Da stand, ging oder lief kein einziger Mensch mehr. Alle zappelten in der Luft. Sie mussten zusehen, wie die letzten Waffen und Fahrzeuge von Testuden überzogen und als Baumaterial freigegeben wurden. Kaum damit fertig setzten die Aerobolde ihre lebende Fracht etwa einhundert Meter weiter weg ab und beräumten das Feld.
Die fliegende Wolke löste sich schnell auf. Auch bei den Testuden dauerte es nicht lange, bis sie wieder ihre Positionen auf dem Bauplatz eingenommen hatten. In der Ferne liefen die Menschen so schnell sie konnten davon. Die außerirdischen Bauarbeiter machten weiter, als wäre nichts geschehen.
Ein neuer Anfang
Und was jetzt?・ Petra sah Robert eindringlich an. „Wie holen wir uns unsere Macht zurück?・
Der grinste. „Oh, Gott, ・c unsere Macht?! Hier geht es doch ausschließlich um deine.・
Petra holte kurz tief Luft. Dann aber schien sie es sich anders überlegt zu haben. Sie setzte sich entspannter hin, blätterte halb interessiert in irgendwelchen Akten und sprach dann wie beiläufig mit einem drohenden Unterton. „Tja, wenn du Macht nur auf den Besitz des Unternehmens beschränkst, magst du Recht haben. Aber im Moment ist unser ganzes Projekt in Gefahr. Wenn uns nicht bald etwas einfällt, dann wird es die Superfabrik nie geben. In ein paar Jahren ist Herbsttown wieder nichts als Wüste. Ein Relikt des Fortschritts. Du selbst hast einmal gesagt, dass wir der Fortschritt sind.・
„Ich weiß nicht, was du hast? Das ist doch kein wissenschaftliches Problem. Klar wirft uns das zurück, aber Erkenntnisse gehen nicht verloren.・ Robert lag scheinbar entspannt auf der Couch „Außerdem haben wir noch den gezüchteten Kristall.・
„Soll ich jetzt lachen oder was? Was nutzt mir das Ding, wenn keine einzige faule Schildkröte da ist, der er Kommandos geben kann?・ Petra lief hin und her. Dabei zerrte sie mit den Fingern an der Unterlippe und sah in eine undefinierbare Ferne.
„Was bist du denn: Unternehmerin oder Wissenschaftlerin? Wissenschaftlerin doch wohl. Und jetzt kannst du dich wieder voll deinem eigentlichen Ziel widmen, den Biorobotern. Meinetwegen kannst du auch beobachten, was diese Außerirdischen treiben. Ich würde ・c・
„Komm, lass!・ Unwillig sah Petra diesen zu groß geratenen Jungen an. Hatte sie sich mit dem etwa nur der Illusion hingegeben, noch ein Teenager zu sein, dem die ganze Welt offen stand? „Ohne Geld geht nichts. Die Unternehmerin ist die Entscheidende. Warum geht das nicht in deinen Genieschädel? Die Welt ist Kampf, und nur die Sieger zählen. Denkst du, ich stell mich wieder hinten an? Wenn ich wüsste, wie ich neue Testuden züchten könnte, bitteschön. Das wäre eine Chance für uns. Da könnte dein Superhirn wieder was nützen ・c・
„Was du nur hast: Noch besitzt du ein paar Billionen. Was juckt dich nächste Woche?・
Petra war stehen geblieben. Sie sah Robert an wie einen Fremden. „Was bist du nur für ein Arsch! Aber du hast Recht. Du hast mehr Recht, als du ahnst. Das ist die Lösung.・ Durch ihren Kopf rasten Zahlenreihen. Scarian hatte es angesprochen. Im Moment galt es wirklich, zuerst zu retten, was sie hatte. Sobald ihre Katastrophe bekannt würde, zerfleischten sie die Geier. Und sie konnte schwerlich mehr als Stunden die tatsächlichen Vorgänge verheimlichen. Sie steckte die rechte Hand in die Hosentasche und löste den Alarmpieper aus. Wie ein Geist aus der Flasche stand ihr Assistent Cooper vor ihr.
„Cooper, vergessen Sie alles, was Sie sich für die nächsten Stunden vorgenommen haben. Greifen Sie sich Pauls, Mager, Simmons und wem immer Sie vertrauen. Sie haben vom Ersten des nächsten Monats an ein Jahr bezahlten Urlaub. Wenn Sie besondere Wünsche haben, schreiben Sie sie auf. Im Moment haben Sie nichts anderes zu tun, als festzustellen, welche von den Firmen, die wir fertig gemacht haben, noch existieren. Bevorzugt Aktiengesellschaften. Kaufen Sie jeden Plunder. Machen Sie keine Pausen. Kaufen Sie, was billig ist, prüfen Sie, was aus Liquidationen zu holen ist, schlagen Sie rundum zu. Alles, was konservative Produktion bedeutet, Dienstleistungsunternehmen, an denen unsere Testuden nicht beteiligt sind, und was billig ist. Was auch immer es sein mag. Und wenn nur ein Markenname übrig geblieben ist, kaufen Sie den. Jeden Schrott. Ist das klar? Fragen Sie nicht nach Kosten ・ wir haben Kredit.・
Cooper stand etwa unschlüssig in der Mitte des Raumes. „Kaufen! Alles, was Schrott ist. Hauptsache ohne Testuden. Klar. Wird ausgeführt.・ Beim Verlassen des Raums war nicht zu erkennen, ob er sich selbst oder seine Chefin für durchgedreht hielt, und ob er seine Aufgabe überhaupt verstanden hatte. Petra wusste aber, mit welcher Gründlichkeit er alle ihm gestellten Aufträge ausführte.
Petra trat an die Rufanlage. „Hennings zu mir!・
Das Gespräch mit dem Ersten Prokuristen war schwieriger. Vor allem dessen Blicke waren unangenehm. Er arbeitete mit einer Maske aus wissendem Grinsen und Unterwürfigkeit. Eigentlich brauchte Petra ihm nichts zu erklären, aber immer wieder sah er sie in einer Weise an, dass sie dann doch noch einen unnötigen Satz anhängte. Diesmal wollte sie nur, dass er stetig, aber in gerade noch unauffälligen Tranchen Aktien der Herbst Corporation abstieß. „Der Unterschied zu ohne Testuden ist ・c Mensch, wir müssen so viel wie möglich noch zu jetzigen Kursen loswerden.・ Hennings war Petra und Robert körperlich überlegen, größer und schwerer. Nun sah er auf seine Chefin herab. Petra fuchtelte mit den Händen herum. „Und wenn die Kurse sacken, dann verkaufen Sie ohne Hemmungen, was geht. Wir müssen damit rechnen, dass plötzlich der ganze Aktienhandel ausgesetzt wird. Danach gibt・Ls HC zum Papierpreis.・ Endlich verließ der Mann wieder den Raum.
„Verdammt!・ Petra starrte Robert an, als sei ihr gerade erst das Wichtigste eingefallen. „Hennings wird doch nicht aus der Bekleidung aussteigen? Sikroben zum Züchten neuer Sachen haben wir doch noch.・
„Beruhige dich. Du hast Cooper gesagt, Schrott soll er kaufen, und Hennings, unseren Schrott soll er verkaufen. Die Branche lebt aber. Willst du mal gucken?・ Robert ließ die Kurse der Kapstädter und New Yorker Börse parallel vorüber scrollen. „Daimler wird er rein gehen. Sieben Euro sechzig das Stück bei uns und acht in New York. So was lohnt sich.・
Petra knurrte etwas Unverständliches.
„Acht. Neun! Es geht los! Er steigt ein. Man, jagt der hoch! Willst du sehen?・
„Danke. Das sagt mir nichts. Ich will erst in einer Woche wissen, wie viel wir gerettet haben. Stell dir vor, was die alten Patente wieder für einen Wert bekommen! Verstehst du: Als Unternehmer musst du was leisten; Köpfchen haben. Dann machst du in Stunden Milliarden. Hattest du wirklich gedacht, ich würde noch einmal in einem Hinterhauslabor ermüdende Testreihen zusammenstellen?・ Petra hielt es nicht mehr auf ihrem Chefsessel aus. Sie sprang auf, lief in Gedanken versunken hin und her. „Von acht auf sechzehn Euro, das ist Fortschritt. Wenn du fünf Milliarden hast und nachher zehn. Da hast du Macht. Da kannst du auch nach den Sternen greifen, wenn du willst. Wir müssen Rohstoffe aufkaufen. Überall sind die Produktionsabläufe auf die billigen Stoffe ausgerichtet, die es von nun an nicht mehr neu gibt. Das heißt, sammeln müssen wir!・ Einen Moment verlor sich Petras Blick in einer unsichtbaren Ferne. „Es wird etwas Zeit kosten. Dann aber werden wir neue Testuden haben und Aerobolde auch. Etwas in der Art. Dann sind wir wieder oben. Jetzt aber sollten wir den Schaden in Grenzen halten.・
Über Scarians Gesicht huschte ein kurzes Grinsen.
Entlassen in die Wüste
S
Dann hatte es in der Leitung geknackt und ein Mann in Uniform war dazugekommen. Ihre Gesprächszeit sei um. Er führte sie in eine Einzelzelle. Sie wusste nicht, wessen sie offiziell beschuldigt wurde, ob überhaupt ein Verfahren vorbereitet wurde und vor allem eben, was mit Marie war.
Dann kam der Schreck: Ein Uniformierter öffnete kommentarlos die Zellentür, händigte ihr ihren Ausweis aus und sagte: „Sie können gehen.・ Auf ihre Fragen hin, was denn los sei, schob er sie aus dem Büro und schloss hinter ihr die Tür.
Draußen war es blendend hell. Was jetzt? Sie sah sich unsicher um. Lauerte da einer, der sie auf der Flucht verschwinden lassen sollte? Sollte sie Petras Leute auf Maries Spur bringen? Oder erwartete sie jemand von Lisas Leuten? Es war niemand zu sehen.
Oder doch. Da stand ein Schwarzer auffällig herum, als hätte er nichts zu tun. War das einer, der sie beschatten sollte? Sollte sie ihn anreden? Marie hätte das ohne Zögern getan. Er kannte sich bestimmt in der Gegend aus. Marie hätte sich aber auch besser zu wehren gewusst.
Trotzdem ging Julia auf den Fremden zu. „Ich muss zum Freedom Square. Wie komm ich dorthin?・
„Ich werde Sie in die Freiheit bringen, ganz persönlich, wenn Sie möchten・, antwortete er.
„Nein, danke, meine Freiheit such ich mir selbst.・
Welch aufdringliche Anmache! Julia hatte sich wütend weggedreht, da packte sie plötzlich ein kräftiger Arm. Sie hörte ein anfahrendes E-Car, und, noch immer schwankend, ob es ihr helfen konnte, laut um Hilfe zu rufen, erkannte sie, wer im Wagen saß.
Jens hatte noch gescherzt: „Ob wir wohl diese Nacht wieder unsere beiden von der Straße holen müssen?・
Janine hatte selbst lachen müssen und geantwortet: „Nur, wenn es nicht wolkig ist.・
Sofort war Jens auf die Veranda gelaufen, hatte demonstrativ zum Himmel gesehen, um dann einen scheinbaren Schlussstrich zu ziehen: „Es ist wolkig.・
Nun war er aufgewacht. Er wusste, er würde nicht gleich wieder einschlafen. Er schwankte: Sollte er versuchen, ob er sich genau an seinen Traum erinnerte, oder ihn besser schnell vergessen? Da waren nur Stückchen. Die Stimmen waren ganz deutlich. Das waren seine Mädchen. Komm doch mit, Papa, hatten sie gerufen. Bitte, zusammen ・c Aber an die Gesichter, die Gestalten konnte er sich überhaupt nicht erinnern. Nur ganz sicher war: Er hatte nicht seine Zwillinge gesehen.
Jens lauschte. Tatsächlich: Dieses Atmen neben ihm klang, als ob Janine krampfhaft versuchte, sich schlafend zu stellen. „Kannst du auch nicht schlafen?・ Jens flüsterte es, um Janine ja nicht zu wecken, wenn er sich geirrt hätte.
„Sie haben mich gerufen.・
„Wer hat dich gerufen?・
Jens wusste, wie blöd die Frage war. Er wusste die Antwort, und ihm war sofort klar, was das bedeutete. Diesmal würde er nicht ausweichen können.
„Sina und Leo. Ich soll mitkommen. Ich habe Angst.・
Jens versuchte, einen Arm um Janine zu legen, sich zu beruhigen, indem er sie beruhigte. Aber das misslang. Im Gegenteil. Eine unerklärliche Unruhe beschlich ihn, ein Gefühl, er sollte jetzt woanders sein, und eine eisige Kälte erfasste ihn, beginnend an den Fußsohlen, die er sorgfältig in die Bettdecke eingehüllt hatte.
Plötzlich bewegte sich Janine. Sie drehte sich, murmelte „Meine Füße!・ und dann schob sie die hochgezogenen Fußsohlen an Jens・L Oberschenkel.
„Ah!・ In erster Linie war es der Schreck. Das hatte sich angefühlt, als hätte Janine ihm einen riesengroßen Schneeball unter die Decke gesteckt. Jens sprang auf. Er zog den Bademantel über, lief los. Janine sagte nichts. Auch sie hatte sich aufgerichtet. In der Tür wartete Jens einen Moment. Jetzt stand Janine hinter ihm.
Im Kinderzimmer war es still. Jens drückte vorsichtig die Klinke herunter. Er sah zu den Betten und gab den Blick für Janine frei. Die Betten waren leer.
„Also los!・
Die beiden zogen sich an, rannten nach draußen und fuhren mit ihrem Wagen Richtung Dorf. Dort war kein Mensch.
„Was jetzt?・
„Nach Berlin, die sind nach Berlin.・
Jens kam überhaupt nicht auf die Idee, Janine zu fragen, warum sie das glaubte. Vielleicht war er auch nur erleichtert, dem E-Car eine Richtung geben zu können.
Etwa drei Kilometer hinter dem Ortsausgang Sternekop in Richtung Berlin tauchten sie dann im Lichtkegel des Wagens auf. Wieder barfuß und in ihren knielangen Nachthemden, aber was Jens so erschreckte: Leonie, die er hochhob, um sie auf den Rücksitz zu befördern, war ganz heiß, als hätte sie hohes Fieber.
„Wenn ihr uns einschließt, dann gehen wir durchs Fenster, und wenn ihr Gitter vormacht, dann biegen wir sie zur Seite.・
Das kam aus Sinas Mund, aber das Gesicht des Mädchens blieb dabei maskenhaft starr. Janine bewegte ihre Hand vor den Augen der Tochter, aber die schien das nicht zu merken.
Als die vier aus dem Wagen stiegen, waren die Mädchen noch immer nicht wach. Aber plötzlich sagte Leonie: „Bitte, dürfen wir bei euch mit im Bett schlafen?・
Jens schlief sehr unruhig. Er wagte nicht sich zu bewegen, wenn er wieder einmal aufgewacht war, weil sich Leonie wahrscheinlich bewegt hatte, aber er hatte bei jedem neuen Einschlafen eine unerklärliche Angst vor dem Wesen, das sich da in seinen Arm verkrallt hatte.
Geweckt wurden sie von einem Anruf. Sonja meldete sich. Sie war total aufgeregt. Offensichtlich waren auch ihre Zwillinge wieder auf Wanderschaft gegangen. Jetzt, wo gerade ein neuer und hoffentlich schöner Tag anfing, da wollte Jens seine Unruhe der letzten Nacht mit einem aufmunternden Rat an Sonja betäuben. Da müssen wir eben besser aufpassen, was unsere Töchter nachts anstellen wollen. Aber bevor er dazu kam, hörte er Sonjas Stimme: „・c und weißt du, was sie gesagt haben? Wenn du uns einschließt, dann gehen wir durchs Fenster, und wenn du Gitter vormachst, dann biegen wir sie zur Seite. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Richtige Automatenstimmen. Ich hab sie gerade so in die Wohnung schaffen können. Und plötzlich waren sie ganz anders. Bitte, dürfen wir bei dir mit im Bett schlafen? Das haben sie schon nicht mehr gewollt, seit sie zur Schule kamen・c Jens? Jens, was ist denn?・
Jens konnte sich einfach nicht gegen den Drang wehren, sofort die Verbindung zu unterbrechen. Kaum war Sonjas Bild erloschen, riss ihn das Sirren seinen Videophonweckers aus den Gedanken. Er versuchte sich zu konzentrieren. Klar. Nun musste er sich entschuldigen. Eine technische Störung ・c?
Doch es war Lisa. Und mit jedem Wort wurde Jens schwindliger. Er musste sich setzten. Er zitterte, der Magen zog sich zusammen.
„・c was ist denn los mit dir? Jens?・
Jens hatte noch die Kraft, ruhig zu sagen: „Ich muss das nur noch mit Sonja und Janine bereden. Ich ruf dann gleich zurück.・
Langsam stand er auf, wankte in die Küche, wartete, bis Janine zu ihm herüber sah, und dann sagte er: „Ich weiß jetzt, wo unsre beiden hin wollten und vor allem, warum. Wir werden sie begleiten. Wir sollten schnell die Barren aus dem Keller losschlagen. Egal, was es bringt. Es ist nicht für uns. Du kommst doch mit, oder?・
Janine kam auf ihn zu ・c da drückte Sina Jens zur Seite. „Hab ich einen Hunger. Mir ist, als wär ich die ganze Nacht draußen rum gelaufen.・
„Blöder Witz!・
„Das war nicht nur als Witz gedacht.・ Sonja raste traumwandlerisch sicher durch die Landschaft, obwohl die Automatik abgeschaltet war, damit sie nicht so leicht geortet werden konnten. „Es ist besser, wenn du nicht alles weißt, was wir für dich angestellt haben. Ein wenig Agentenspiel gehörte dazu. In einer Stunde machen wir uns auf.・
Julia war das egal. Sie war draußen.
Als sie schließlich mit Jens, Janine, Sina und Leonie in einem der drei E-Cars saß, wusste sie schon mehr. „Wir haben alle Barren aus dem Keller an Onkel Merk verkauft・, war es aus Sina herausgesprudelt.
„Hier sind eine Menge Journalisten reich geworden・, hatte Jens grinsend angemerkt. „Einige haben Wind davon bekommen, dass in der Kalahari die Story ihres Lebens liegt. Aber es hat eben alles einen Preis. Wenigstens, soweit es um euch beide ging, herrschte absolute Funkstille. Dass Marie mit dem schweren Kristall davongekommen ist, ist wohl noch immer das Geheimnis eines ganz kleinen Kreises. Nur dank Lisas Leuten wussten wir Bescheid. Wir haben sofort alles vorbereitet, um ihr zu helfen. Du wurdest mit regierungsamtlichen Schreiben auf Kaution frei gelassen. Das hätte man dir natürlich sagen müssen. Dann kam die Strafaktion gegen die separatistischen Grenzstämme.・ Janine sagte das mit todernstem Gesicht.
„Was für eine Strafaktion? Welche Grenzstämme?・ Julia war allzu deutlich anzusehen, wie wenig sie mit den vielen hingeworfenen Brocken anfangen konnte. Die Anderen prusteten los.
„Na, dass plötzlich massenweise Panzer und modernste Waffen abrückten, ließ sich natürlich nicht total verschweigen. Separatisten und Terroristen erklären aber alles. Ich weiß nicht, wie Petra das hinbekommen hat, aber bisher ist meines Wissens noch nicht durchgesickert, dass der Kristall alle Testuden aus Petras Produktionsstraßen abkommandiert hat. Is aber so. Im Wesentlichen steht die Herbst-Corporation still. Ihr Aktienkurs ist zwar schon am Sinken, weil hinter vorgehaltener Hand Insider zu retten versuchen, was irgend geht. Aber verglichen mit dem, was los sein wird, wenn die Ereignisse hier herauskommen, war der Schwarze Freitag von 1929 eine Pfütze unterm Geländewagen. Deshalb spielt Petra auch heimlich Krieg. Du brauchtest nur in ihrer Zentrale anzurufen und dich als Reporter auszugeben, der weiß, dass ・c schon ist dein Tagesgehalt höher als sonst dein Lebensgehalt wäre. Jede Stunde zählt. Als wir los sind, sind nur ein paar beiläufige Infos über eine Strafaktion raus.・
Jens holte für einen Moment Luft, Janine lachte und endlich kam Leonie zu Wort. Sie hatte schon die ganze Zeit gezappelt, weil keiner das gesagt hatte, was ihr so wichtig schien: „Die sind doch blöd. Das schaffen die nie. Unsere Kristalle sperren sie in ein Feld. Da gehen sie unter.・
„Das wird Petra umso gefährlicher machen. Sie steht dann mit dem Rücken zur Wand.・ Jens beobachtete aufmerksam alle Besonderheiten der Landschaft. Nach seinen Informationen müssten sie bald Maries Lagerplatz erreicht haben.
„Was für ne Wand?・ Sina sah sich total verwirrt um, weil offenbar alle verstanden, was überhaupt keinen Sinn ergab.
„Das sagt man so, wenn einer kämpft und sich nicht mehr weiter zurückziehen kann・, erklärte ihr Julia. Aber dann musste sie ihre wichtigste Frage loswerden. „Warum denkt ihr, dass die Sache für uns nicht gefährlich wird? Ihr würdet doch sonst nicht die Kleinen mitbringen, oder?・
Augenblicklich wurde es still im Wagen. Nicht einmal die Mädchen beschwerten sich, dass sie die Kleinen genannt worden waren.
„Das hängt anders zusammen・, sagte Jens leise. „Sie sind zu Hause noch weniger sicher. Jede Nacht sind sie als Schlafwandler losgelaufen. Was haben wir nicht alles versucht. Als ich dann von Sonja hörte, dass das bei ihren beiden genauso war, haben wir zusammen entschieden, die Kinder kommen mit. Aber eigentlich ・c・
„Guck mal da!・
Sinas Zwischenruf kam Jens offenbar sehr gelegen. Alle starrten nach vorn, dass die Augen tränten. Der Punkt wurde trotzdem nicht schneller größer.
„Wenn das nun die Strafexpedition ist ・c?・ Julia steckte noch der Gefängnisaufenthalt in den Knochen.
Jens zuckte mit der Schulter. „Da könnten wir auch nichts machen. Wir wollen hier Forschungen treiben und wenn wir das nicht dürfen, fahren wir ein Stück weiter. Aber sieh mal genau hin!・
Er hatte Recht. Langsam war mehr zu erkennen. Ein fremdartiges Gebäude, das doch irgendwie vertraut aussah. Sternekop. Ja, das sah so ähnlich aus wie das, das die Testuden damals in ihrem Garten errichtet hatten.
„Unsere Sternwarte・, brüllte Leonie.
„Kann sein・, bestätigte Janine zögernd.
Auf jeden Fall näherten sie sich einem gewaltigen Kuppelbau. Am ehesten erinnerte er an eine der außerirdischen Schildkröten mit gigantischen Ausmaßen. Sein Gesamteindruck war vor allem deshalb so erschlagend, weil die Außenhülle durchsichtig war und den Blick auf verschiedenartigste Apparaturen freigab, deren Sinn trotzdem keiner durchschaute. Jens fuhr langsam auf das Objekt zu. Durch die Ereignisse in Sternekop gewarnt, erwartete er jeden Moment, gegen eine unsichtbare Abschirmung zu stoßen.
„Marie, da ist Marie!・ Sina war nicht zu halten. Sie hüpfte vor Begeisterung von ihrem Sitz ・ offenbar hatte sie die Verriegelung gelöst ・ und deutete mit ausgestrecktem Finger auf eine Stelle im Bauwerk. Jens stoppte. Das konnte nur eine optische Täuschung sein. Mitten in dem Gebilde, etwa so groß wie eine einzelne Rote Waldameise in ihrem Bau, stand tatsächlich eine menschliche Gestalt, die Marie ähnlich sah, neben einem Jeep und winkte mit beiden Armen. Was sie rief, war nicht zu hören, nur Surren, Pfeifen, Hämmern, Kreischen ・ Arbeitsgeräusche der Riesentestuden, die sich auf Gerüsten bewegten.
Inzwischen waren auch die anderen beiden E-Cars heran. Sonja mit ihren Zwillingen, Lisa, Zan, der Julia den Schrecken eingejagt hatte, und zwei Inder. Jens ging voran, die Arme vorgestreckt wie im Dunklen, um nicht allzu schmerzhaft gegen die unsichtbare Absperrung zu stoßen. Er spürte keine. An der Außenmauer fand er aber auch nichts, was an eine Tür oder eine andere Art von Eingang erinnerte. Er legte seine Hände gegen das durchscheinende Material. Plötzlich stürzte er vorwärts. Er konnte seinen Schwung kaum abfangen. Die anderen schubsten ihn von hinten weiter. Als sich alle gefasst hatten und sich umdrehten, um zu erkennen, wie sie durch die Mauer gekommen waren, hatte die sich schon wieder hinter ihnen geschlossen, fugenlos, durchscheinend und geheimnisvoll.
Jens lief weiter. Von der anderen Seite kam ich ihm entgegen. Ich rief etwas, aber meine Stimme richtete nichts aus gegen den Baulärm. Plötzlich schaukelten vor den Gesichtern der Neuankömmlinge solche Helme wie meiner. „Wir sollen doch nicht etwa einen Sparringboxkampf vorführen・, sagte Jens. Er spürte offenbar die Beklemmungen der anderen und versuchte ausgerechnet in diesem Augenblick, witzig rüber zu kommen. Es hat aber keiner gelacht.
In den Helmen waren Mikro und Kopfhörer installiert. Allerdings achtete ich anfangs gar nicht darauf, ob mich die anderen verstanden. „Ihr habt einiges verpasst. So schnell, wie die hier Panzer und anderes Kriegsgerät in nützliche Sachen verwandelt haben, das muss man einfach gesehen haben.・
„Was war denn?・
Ich gab mir Mühe beim Erzählen, dass sich alle das Gefecht bildlich vorstellen konnten. Dieses Gefecht ohne Schaden beim Gegner. Außer dem Schrecken. Dass Aerobolde und Testuden Panzer in Bauteile umgebaut hatten, war ja wohl kein Schaden, sondern ein Vergnügen für die Zuhörer.
Nachdem sich alle ausgiebig amüsiert hatten, begann der Rundgang durch das inzwischen fast fertige Bauwerk. Eine komplizierte Angelegenheit, diese Führung. Sie ging nicht ohne Lachtränen ab. Was konnte ich schon erklären? So viele Jahrtausende war ich unserer irdischen Technikwelt nicht voraus. Ich entschied mich also dafür, den Bau zum Museum für Nichtgegenständliche Kunst zu erklären. Die lange Fläche mit Konsolen, Leuchtkreisen und Tastpunkten wäre also die Illusion eines Steuerschaltpults. Und das andere? Ich gab jedem Teil eine Aufgabe. „・c Und hier sehen Sie die Triebwerke. Bitte berühren Sie keines der leuchtenden Plättchen. Sie stehen unter Strom. Das Summen entspringt dem zylinderförmigen Gebilde zu Ihrer Linken, das Sie unschwer als Generator erkennen ・c・
Ich hielt das während der ganzen Besichtigung durch. Fast bei jeder Behauptung lachte ich wie abgekitzelt. „Ich kann nichts dafür・, flüsterte ich Jens zu. Dazu deutete ich nach oben auf meinen personengebundenen Aerobold. In diesem Moment durchströmte meinen Körper ein wohliger Schauer und ich konnte mir nicht verkneifen, „Ich glaub, er mag mich・ zu ergänzen. Der Aerobold belohnte mich mit einem weiteren angenehmen Erschauern. Er hatte also die ganze Sache als eine Blödelei erkannt. Demnach hatten die Fremden also Sinn für Humor.
Das Dachgeschoss erinnerte an einen riesigen Diskus. Obwohl auch hier die meisten Seitenflächen durchscheinend waren, wirkten sie gleichzeitig abweisend kalt und hart. Wieder unten neben meinem Jeep waren alle überraschend erschöpft, als wären wir Stunden lang unterwegs gewesen. Wir legten uns, so wie wir gerade waren, auf den Baugrund, und mit dem Gefühl, in weichen Betten zu liegen, schliefen wir ein. Ich dachte noch kurz, wer weiß, was auf uns zukommt, da drehte sich alles in meinem Kopf. Stille.
Auch du, Brutus?
Die Zeit läuft.・
Robert nickte zu Petras Worten.
„Was hältst du eigentlich von diesen Außerirdischen?・ fragte Petra. Robert zuckte nur mit den Schultern. „Robert, hier sind wir noch sicher.・
Zweifelnd sah er hoch. „Ja? Meinst du? Sind wir das noch?・
„Was willst du?・ Petra sprang erregt auf. „Mal geht es hoch, mal runter, dann wieder hoch.・
„Als sie London wieder aufgemacht haben, lag die Herbst Corporation bei einem Hundertstel von vor vier Tagen. Das ist etwas viel runter, oder? Denk dran, was dir alles nicht gehört. Ob du willst oder nicht ・ den Transportunternehmen zum Beispiel musst du echte Rechnungen bezahlen.・
„Wir müssen, mein Schatz. Wir.・ Petra schien sich beruhigt zu haben. Grinsend setzte sie sich wieder. „Du steckst mit zehn Prozent im Unternehmen. Sonst hast du gar nichts. Es hat eben auch Nachteile, wenn man sein Gehalt als Firmenbeteiligung gutgeschrieben bekommt.・
„Ich brauch nicht viel. Aber die meisten Anteile habe ich längst abgestoßen. Die Papiere, die ich dafür eingetauscht habe, steigen langsam wieder.・
Petra saß auf der einen Couch, Robert auf der anderen. Beide schwiegen. Petra grübelte. Hatte sie das richtig verstanden? Scarian saß zwar noch da, aber hatte diese Ratte etwa längst das Schiff verlassen, auf dem sie Kapitän war?
„Wo ist eigentlich Hennings?・
„Kannst du es dir nicht denken? Hier ist er jedenfalls nicht. Du hast es ihm ja auf die Nase gebunden: Den Hauptteil seines früheren Einkommens hat er in Aktien der HC bekommen. Die wird er als erstes abgestoßen haben. Dann hat er sich wohl verdrückt.・
„Meinst du, dass er sich das traut? Das ist doch strafbar.・ Petra schaltete die Rufanlage an. „Mister Hennings? Mister Hennings?・ Irgendwie wurde ihre Stimme unsicher. Wie viele Leute hörten mit? Wie viele ahnten, worum es ging?
Die Tür ging auf. Entgeistert betrachtete Petra den Mann, der dort leger in der Tür stand.
„Sie möchten mich sprechen, Miss Herbst?・
Petra bemerkte nicht, dass diese Anrede ein Grinsen in Roberts Gesicht trieb.
„Mister Hennings, könnten Sie mir einen Zwischenbericht über die Ergebnisse unserer Transaktionen der letzten Woche geben?・
„Ich könnte vielleicht, Miss Herbst, aber ich würde es vorziehen, dies der Aktionärsversammlung gegenüber zu tun.・
Petra setzte ein einschmeichelndes Lächeln auf. „Aber Hennings, dem Hauptaktionär gegenüber können Sie doch einmal eine Ausnahme machen, oder?・
Hennings deutete lächelnd eine Verbeugung an. „Im Prinzip ja. Aber wen meinen Sie damit? Ich habe mir gegenüber bereits Rechenschaft abgelegt.・
„Was soll das heißen?・
„Was denken Sie? Sie sind jedenfalls nur einer von vielen Aktionären.・
Hennings hatte die Tür hinter sich zugezogen. Er sah sich im Raum um, registrierte den Sessel schräg gegenüber von Petra Herbst und schlenderte auf ihn zu. „Darf ich?・ Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich.
Allmählich fasste sich Petra wieder. „Hennings, wir kennen uns schon eine Weile. Da kann ich mir den Schmus wohl sparen ・c Ich möchte Sie nur auf das Risiko hinweisen, das sich aus der Strafbarkeit von Insidergeschäften ergibt.・ Sie lehnte sich entspannt zurück.
„Nein, das brauchen Sie nicht. Ginge ich davon aus, die Runde zu verlieren, säße ich nicht hier. Allerdings möchte ich Ihnen zweierlei zu bedenken geben. Das erste ist die Frage von Zeit und Geld. Ich bin gern bereit, Ihnen sowohl Ihre Liquidität zu erklären als auch Ihre Bonität. Einfach gesagt: Sie verfügen über recht schmale flüssige Mittel, und in nächster Zeit wird das so bleiben. Die Zeit arbeitet also gegen Sie. Das zweite ist die Beweislast. Nehmen wir einmal an, Sie finden einen Staatsanwalt, der Ihnen entgegen kommt. Glauben Sie mir, ich kann beweisen, dass ich die teuren Aktien lange vor Ihrem Verkaufsauftrag abgestoßen hatte. Und dass ich die billigen eingesammelt habe, können Sie mir wohl nicht verübeln. Ich habe sozusagen nur eine alte gegen achtzig neue eingetauscht und nun wünsche ich Ihnen Erfolg bei Ihrer Forschungstätigkeit. Ich nehme an, Sie verständigen sich da gerade mit Mister Scarian.・
„Ich habe einiges eingebüßt. Ist aber nicht so schlimm.・ Robert sagte das wie beiläufig. „Ich hatte schließlich eine gute Lehrmeisterin.・
Hennings gab seine zurück gelehnte Position nicht auf. „Unser weiteres Schicksal ist daran geknüpft, was Cooper erreicht hat.・
„Wieso? Was wissen Sie von Cooper? Wo ist er?・
„Ist das wichtig? Das einzige, was im Moment klar ist, ist, dass die Herbst Corporation nicht mehr überwiegend Ihnen gehört. Jetzt gibt es viel Streubesitz und ein paar Hauptaktionäre. Davon sind Sie einer, wenn auch nicht mehr der größte.・
Bei Hennings Worten verengten sich Petras Lider ein wenig. Vielleicht bemerkte Robert, wie sich ihr gesamter Körper zum Sprung spannte. Auf jeden Fall blieb sie äußerlich völlig ruhig.
„Daimler steht bei einundzwanzig null drei. Nicht schlecht. Und die steigen weiter. Mit Sicherheit. Wer dort in den vergangenen Tagen Anteile erworben hat, wird verdammt leuchtende Augen bekommen.・ Robert betrachtete die Zahlen auf seinem Bildschirm mit sichtlichem Vergnügen. „Übrigens brauchst du nicht nach Cooper zu suchen, Petra. Er hat sich nach China abgesetzt, vielleicht von dort weiter. Aber keine Sorge: Der HC ist kein Schaden entstanden. Cooper hätte nur seinen Prozess wegen Insiderhandel zu sicher verloren, denn er hat genau die Kurse der Aktien mit HC-Mitteln hochgetrieben, in denen er vorher sein eigenes Geld angelegt hatte.・
„Und woher weißt du das?・ Petra sah Robert wütend an.
„Deine Zeiten als unangefochtene Chefin sind passe・L.・ Als wäre dies die Antwort auf die ihm gestellte Frage, stand er auf. Auch Hennings erhob sich. Petra war zu perplex, um zu reagieren. Als sie allein im Raum zurückgeblieben war, atmete sie durch. Wenigstens hatte sie den beiden nicht mit dem Aufsichtsrat gedroht und sich damit zu allem Übel auch noch lächerlich gemacht. Es war wohl klar. Sie hatte gerade ihre kalte Entmachtung erlebt. Sie könnte jetzt alle ihre Anteile mit Verlust verkaufen. Das Kerngeschäft ihrer Firma würde sich sowieso kaum erholen. Aber wenn sie sich über Cooper in die normale Weltproduktion eingekauft hatten, würde der Wert der Beteiligungen bald wieder in die Höhe schießen. Sie brauchte also Geduld.
Ich war dank eigener Ideen für kurze Zeit die mächtigste Frau der Welt, ging es Petra durch den Kopf. Vorbei! Da dürfte Robert Recht haben. Hätte sie sich auf ihr Forscherdasein beschränken sollen?Selbst, wenn es gelänge, neue, mir, uns wieder hörige Kristallkinder zu züchten, woran Robert offenbar nicht glaubt, wäre ich nur eine Aktionärin unter vielen. Arbeitete für den Gewinn anderer. Petra schlurfte gedankenverloren zu ihrem Fuhrpark. Sie dachte eigentlich nicht über den Weg nach. Nur weg, weit weg wollte sie.
Ihr Kopf schmerzte. Was hatte ihr das große Abenteuer eingebracht außer Erinnerungen, die sie vielleicht einmal am inneren Bildschirm vorüber laufen lassen konnte, wenn ihr nostalgisch zumute wäre? ・c Sie mochte nicht weiter denken. Hennings, Cooper, ・c Robert ・c sie waren alle gleich krank. Infiziert. Sie alle hatten nur ihren Augenblick abgepasst, als sie dran waren. Mehr hatte sie selbst doch auch nicht gemacht, und jetzt lief sie herum und wusste, dass es das nicht das gewesen war, was sie gewollt hatte. Jedenfalls nicht über den Tag hinaus. Die mächtigste Frau der Welt? Finito!
Petra wählte das stärkste E-Car aus. Sie wollte einfach losfahren. Wenigstens ein-zwei Stunden alles hinter sich lassen, Ruhe finden, ungestört nachdenken. Dann weitersehen. Nur weg von diesem Produkt Stadt, das, auch im verkommensten Zustand, ihren Namen behielte. Den Steuerautomaten hatte sie abgeschaltet. Sie wollte spüren, wie sie etwas bewegte.
Selbst ihre Kinder kamen ihr fremd vor. Und Millionen Menschen hassten sie wahrscheinlich, weil sie ihnen den Arbeitsplatz genommen, obwohl sie ihnen ein besseres Leben versprochen hatte. Wann war das eigentlich gewesen? So lange her. Dieser verdammte Motor! Warum konnte sie ihn nicht wie wild aufheulen lassen, richtig Gas geben, durchs Gelände jagen?
Hätte man ihr vor einem Monat vorhergesagt, wie sie sich jetzt fühlte・c Selbstmitleid! Sie doch nicht! Aber ・c
Was war denn das? Das waren doch Jana und Tina? Wo waren die Bodyguards? Wo war der Alarm? Warum liefen die beiden da wie aufgezogene Puppen in die Wüste hinein und taten so, als bemerkten sie den Wagen hinter sich überhaupt nicht? Petra fiel jetzt erst auf, dass sie selbst beim Verlassen der Siedlung nicht kontrolliert worden war. Die Art, in der sich ihre Töchter vor ihr bewegen, war Petra nicht fremd. In den letzten drei Nächten waren die kleinen Schlafwandlerinnen gerade noch so abgefangen worden. Aber jetzt war doch Tag!
Petra bremste, stieg aus, lief an Jana und Tina vorbei, trat ihnen entgegen ・c
Die Mädchen blieben stehen. Ihre Augen waren auf Petra gerichtet. Petra hätte aber nicht sagen können, ob ihre Töchter sie sahen oder gar erkannten. Plötzlich sprachen Jana und Tina mit Stimmen, die wie computergeneriert klangen: „Gut, Mutti, wir zeigen dir den Weg!・
Petra packte beide an den Schultern, schob sie in den Wagen, wollte zurück Richtung Oase, doch die Steuerung ignorierte alle Kommandos zum Wenden. Die Automatik? Einen Moment lang überlegte Petra, ob sie mit Tatjana und Martina aus dem anfahrenden Wagen springen sollte.
Sie tat es nicht. Je mehr der Wagen beschleunigte, umso gefasster war sie. Längst war ein Fluchtsprung ausgeschlossen. Die Mädchen drängten sich an sie. Wohl weniger aus Angst, sondern eher als Werkzeuge einer sie kidnappenden Technik. Wo sollte das hingehen? Petra ahnte es. „Jetzt wird es sich entscheiden・, murmelte sie.
Das Fahrzeug näherte sich einem weithin sichtbaren Kuppelbau. Petra bremste. Ihr fiel überhaupt nicht auf, dass der Jeep gerade wieder ihrem Kommando gehorcht hatte. Das Bild vor ihr nahm sie zu sehr gefangen. Es mochte an der Beleuchtung liegen. Petra hatte die Sonne im Rücken und die gewaltige Halbkugel blitzte ihr entgegen wie eine auf dem Kopf stehende, frisch geputzte Messingschale. Das war kein Trugbild. Das war genau das Objekt, mit dem sie gerechnet hatte.
Petra stieg aus ihrem Jeep. Sie wollte diesen Eindruck genießen. Gleich käme das Abschirmfeld oder was das sein mochte, womit sich die Fremden Unbefugte fern hielten. Petra wollte nicht dagegen stoßen, aber Jana und Tina zogen sie an den Armen vorwärts. Nirgendwo wurden sie aufgehalten. Sie betraten das Bauwerk, stiegen eine metallene Wendeltreppe aufwärts. In der ersten Etage stand ein langer Tisch. An dem saßen Jens, Sonja, noch ein paar bekannte und ein paar unbekannte Personen. Petra ging weiter auf sie zu. Als sie den Tisch erreicht hatte, sah Jens kurz auf. „Dann sind wir ja vollzählig.・
Petra war die Bemerkung unheimlich, aber die anderen schienen sie ganz normal zu finden. Jetzt nahm Petra auch den einen Aerobold über sich wahr. Ansonsten musste der Bau wohl fertig sein, denn bis auf ein leises Brummen war es still. Drei Aerobolde stellten je einen Teller mit cremiger Suppe vor sie und ihre Töchter hin. Sie begannen zu löffeln. Alle um sie herum waren merkwürdig schweigsam, selbst die Kinder. Entweder war sie in ein Gespräch geplatzt, das sich um sie gedreht hatte oder alle waren irgendwie hypnotisiert oder eine merkwürdige Kraft ・c Petra schielte unsicher nach oben. Über jedem schwebte dieser einzelne Aerobold, der nicht beim Bedienen mitwirkte. Petra spürte keinen direkten fremden Einfluss auf ihr Inneres. Aber vielleicht war diese unerklärliche Szenerie im Ganzen eine Halluzination? Was blieb ihr übrig. Sie würde es erleben. Was hatte sie noch zu verlieren. Schon stockte sie. Ihre Mädchen sahen so glücklich aus. Der einzige Grund, den Petra sich dafür vorstellen konnte, trieb sie fast zur Verzweiflung. Jana und Tina freuten sich auf den Weg nach Hause.
Kontakt?
W
Auf der Tafel war eine Leuchtschrift erschienen: Wollt ihr uns besuchen?Julia drehte sich zu mir um. „Das ist doch für uns?・
Jens hatte den angewinkelten rechten Arm halb gehoben. „Sieht fast so aus. Wollen wir ihnen antworten?・
„Was gibt es da zu überlegen?・ Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Natürlich wollen wir. Müssen wir das jetzt an die Tafel schreiben?・
Sonja rief: „Nun mal nicht so heftig. Das kommt ja wohl etwas plötzlich. Wir haben doch keine Ahnung, was das für eine Reise ist, ob wir die überhaupt überstehen können, ob wir jemals wieder zurückkommen, ob ・c na, was die da von uns erwarten? Wir haben Kinder unter uns; selbst Marie und Julia sind bestimmt nicht, was man sich unter Astronauten vorstellt, unser technisches Vermögen ist ・c also da sollten sie es erst einmal mit einem Hund als Testobjekt versuchen ・c・
Plötzlich flimmerte die Tafel violett. Das ging so schnell, dass Sonja verschreckt abbrach und alle trotz der blendenden Strahlen zur Tafel sahen. Dort formten sich neue Schriftzeichen: Bitte langsam! Das sind zu viele Fragen auf einmal. Der seltsame Kommunikator wartete ab, ob noch jemand etwas sagen wollte. Aber alle schwiegen verwirrt.
Also: Ihr werdet überhaupt nichts von der Reise spüren. Uns sind keine Belastungen für die Kinder bekannt. Ihr werdet so lange bei uns bleiben, wie ihr wollt, und dabei genau so viel älter werden wie auf der Erde. Wir werden euch mit technischen Einzelheiten wenig belasten. Ihr habt kaum Ähnlichkeit mit einem Hund. Der wäre ungeeignet für Kommunikation. Frage wiederholt: Wollt ihr uns besuchen?Janine trat einen kleinen Schritt vor. „Warum nehmt ihr keinen Kontakt zu offiziellen Vertretern der Menschheit auf? Wir können nicht für die Menschen sprechen ...・ Sie wollte ihre Frage erklären, suchte weiter nach Worten, aber dann tauchte sie zurück in unsere Gruppe.
Die Menschheit als Ganzes ist noch nicht geeignet. Ihr seid ein Test. Mit euch greifen wir künftigen Begegnungen vor. Gönnt uns etwas Hoffnung.Jens trat wieder vor und drehte sich zu uns anderen um. „Ist jemand dagegen?・
Keiner reagierte.
„Und wer ist bereit mitzukommen?・
Ich hob meine Hand sofort. Auch Leonie und Sina streckten ihre beiden Arme begeistert nach oben. Jens guckte etwas traurig zu seinen Töchtern. Schließlich hob er langsam seinen angewinkelten linken Arm und öffnete dabei die Handfläche zu den anderen hin. Die hatten seinen fragenden Blick als Aufforderung verstanden. Julia und Sonja stimmten als letzte zu. Wie Jens seine Klonies betrachtete ...
Auf der Tafel war jetzt zu lesen: Eure Angst ist unberechtigt, aber ihr müsst noch lernen, für euch selbst zu entscheiden.
„Und was ist jetzt noch zu tun?・ fragte Jens.
Wir müssen eure Gehirne scannen, die Ergebnisse nach Hause schicken, die Bestätigung abwarten. Ihr seid auch nicht vollzählig.Instinktiv wichen wir einen kleinen Schritt zurück. Jens fragte mit einem Beben in der Stimme: „Wieso nicht vollzählig?・
Wartet ab! Ihr werdet sehen
In den folgenden Minuten nahmen wir in Schalensesseln Platz. Die Aerobolde brachten Helme, die den Lärmschutzhelmen ähnelten. Unsicher stülpten wir sie uns über. Dann hörten wir eine Art Sirenengesang. Angenehm leise. Die realen Bilder verschwanden. Wie auf Kommando schlossen wir die Augen. Bildeten uns ein, langsam einzuschlafen. Dann ... Diese schon vertraute, leise ausklingende Musik war wieder oder immer noch da. Jedes Gefühl für Zeit und Raum war verschwunden. Benommen standen wir auf. Unsere Umgebung erschien uns unwirklich, irgendwie verzerrt, als ob wir durch Gelee liefen. Ich rief Jens und Janine zu: „Na, wie ist euch so?・
Die Worte bildeten sich im Kopf, ich sprach sie aus, aber ich hörte sie selbst irgendwie zeitversetzt, so als ob jemand anders sie mehr als fünf Sekunden später gesagt hätte. Erschrocken schwieg ich. Ohne dass es jemand ausgesprochen oder an die Tafel geschrieben hätte, liefen alle wie auf Kommando in die erste Etage zum Essen.
Wir setzten uns an einen langen Tisch, hatten aber noch nicht mit Löffeln angefangen, da tauchte Petra Herbst mit ihren Klonies auf. Erst wahnsinnig schnell und dann immer langsamer. Vorübergehend schienen die drei im Gehen zu erstarren. Aber dann wurde das Bild wieder normal. Ich schüttelte den Kopf. Als hätte ich meine Verwunderung abschütteln müssen. Kugelbesitzer, was sonst? Aber da fehlten doch welche, da würden wohl immer welche fehlen!
Jens sah kurz auf: „Dann sind wir ja vollzählig・, sagte er.
Immer mehr Gedanken und Empfindungen kamen zurück, ungefähr so, als ob in der Schwerelosigkeit schwebende Dinge mit steigender Schwerkraft wieder an ihrem alten Platz zurückkehrten. Ich richtete mich auf, führte Petra zu ihrem Sessel, half ihr dabei, den Helm aufzusetzen. Petra sah mich fragend an, als ob sie mir nicht traute. Plötzlich wurde ich müde. Ich wankte los und legte mich neben meinen Jeep. Als ich aufwachte, hatte Petra keinen Helm mehr auf und lief zwischen den Aggregaten des Erdgeschosses umher.
Jens redete gerade eindringlich auf sie ein. „・c und dann haben alle zugestimmt, ganz langsam, einer nach dem anderen, als wollten sie eigentlich nicht. Wir haben uns nur nicht getraut, es zuzugeben. Die Tafel hat uns auch gleich gerügt dafür.・
Petra hörte ihm apathisch zu.
In diesem Moment blitzte es. Ich hatte gerade nach oben gesehen, da raste ein feuriges Gebilde, so eine Art Kugelblitz auf mich zu. Ich schloss die Augen.
Nichts. Kein Einschlag, der mich verbrannt hätte. Ich öffnete die Augen wieder. Das Gebilde war verschwunden. Dafür brummten die Aggregate, als würden sie im nächsten Moment explodieren. An Stelle der Angst, die kurz hatte aufkommen wollen, erfasste alle schon wieder eine unüberwindliche Schwere und Müdigkeit. Wir schlurften zu unseren Schalensesseln. Schon verschwand der Raum um uns.
Es war alles ganz locker. Entspannt. Die Köpfe ・c Wir bewegten uns noch unsicher. Aber alle fühlen sich ausgeschlafen, happy, unbelastet, als wären wir nach einem langen Wellnessbad aufgestanden. Es war uns völlig egal, wie viel Zeit vergangen war. Nur ・c
Ich stutzte zuerst. Um mich herum war es absolut still. Nein, ein einsames Knacken hallte durch den Raum. Erschrocken drehte ich mich zur Seite. Jule hat die Arme gebeugt; da hatten ihre Gelenke geknackt. Lachte verlegen. Es schallte fremd und hohl. Wir sahen uns an, meinten, die anderen bewegten sich ja komisch ・c
„Hallo?・ Jule kicherte. Es gab ein schwaches Echo. Sie sprang auf und macht wenige Schritte auf mich zu. Als sie meine Hand berührt, fühlte sie sich wieder sicherer.
„Hast du auch so verrückt geträumt?・
Als Julia das fragte, erinnere ich mich an Bruchstücke. „Ja, da war etwas. Aber frag nicht ・ das meiste ist weg.・
Auch die anderen standen auf, rückten instinktiv enger zusammen. Ich suchte ein Bild von draußen. Die Fremde, die Welt derer, die uns eingeladen hatten ・c
Denkste! Uns umgab das bekannte Bild der Kalahari. Kein fernes Universum. Wir hatten nicht nur nichts mitbekommen von einer Reise, wir hatten auch keine hinter uns.
Leonie jammerte: „Ich will hier raus!・
Petra ließ die Arme hängen: „Also das war・Ls wohl.・
Ich rannte die Treppe hoch auf die Tafel zu. Meine Schritte hallten durch den Raum. Alle schwiegen. Lauschten. Warteten, was ich an Botschaften von der Tafel ablesen würde. Nicht lange, da kam ich langsam wieder zurück. „Nichts!・
Sonja drehte sich um. Sie sah nach den Jeeps, mit denen Jules Truppe gekommen war. Die standen unverändert draußen. Ich stieg in mein E-Car. Julia setzte sich neben mich und legte den rechten Arm auf meine Schulter. Sonja lief los. An der durchsichtigen Wand, durch die sie auf dem Hinweg einfach weitergegangen war, prallte sie zurück. „Au!・
Nun drückten und hämmerten auch die anderen gegen die Mauer. Ihr Pochen jagte Echos durch das Bauwerk. Mehr passierte nicht. Jens rannte nach oben zur Tafel, wo wir gegessen hatten. Die anderen hinterher. So wenig, wie wir Spuren eines der Aerobolde entdeckten, so wenig fanden wir etwas Ess- oder Trinkbares.
„Wir werden ersticken. Oder verdursten.・
Janine stürzte zu Jens hinüber und presste ihm die Hände vor den Mund. Sina heulte. Leonie lief die Treppe hoch. Als wäre das ein Zeichen, rannten nun alle in verschiedene Richtungen. Der Inder und der Schwarze zerrten an einem Rohr herum, das im Gegensatz zu den meisten glatten Flächen aus dem Aggregatsystem herausragte. „Kommt doch mal her.・
Sie stöhnten und keuchten. Ruckten aneinander. Wir packten mit zu. Doch das Märchen von der Rübe, die letztlich alle gemeinsam ausreißen, erfüllte sich nicht. Das Rohr ließ sich keinen Millimeter verbiegen. An Abbrechen war erst gar nicht zu denken.
„Ob die uns testen wollen? Vielleicht ist das alles eine Einbildung?・ Julia sah einen nach dem anderen an. Die meisten blickten daraufhin zu Boden.
„Geprüft und für ungeeignet befunden. Entschuldigt, das lag wohl an mir. Sie haben die Anlage einfach abgeschaltet・, murmelte Petra. „So, als hätten sie einfach vergessen, dass wir noch hier drin sind. Aus. Einfach aus.・ Nach einigen Sekunden Pause ergänzte sie leise: „Und ich hatte gedacht, jetzt holen sie ihre Kinder zurück.・
Eingesperrt. Immer wieder schlug einer von uns ohne wirkliche Hoffnung auf Erfolg an einer neuen Stelle gegen die Außenwand, mit dem Arm oder mit meinem Jeep, und dann kam ein anderer, um ihn zu besänftigen. Minuten später versuchte der es dann selbst. Vergeblich.
Ich beteiligte mich nicht an diesem panischen Etwas-tun-um-etwas-getan-zu-haben. Ich beobachtete es eine Weile, bevor ich so ruhig wie möglich sagte: ・Zan, nimmst du die anderen Helfer mit? Geht einfach auf die Jeeps zu! Der Rest bleibt hier.・
Jens wollte mir widersprechen. Ich gab ihm ein Zeichen. „Nein, genau das haben wir nicht probiert.・
Tatsächlich. Der Afrikaner und die Inder gingen durch die Wand, als wäre sie nicht da. Ein kurzer Hauch frischer Wüstenluft drang in das Gefängnis.
Jetzt waren nur noch die sechs Klonies, Sonja, Petra, Jens, Janine, Jule und ich in dem Horrorschloss. „Julia, du hast zugeguckt. Mach jetzt genau dasselbe!・
„Und du?・
„Mach nur!・
Jule setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Dieselbe Wand, die eben durchlässig gewesen war, blieb für sie unüberwindlich. Draußen verschwand einer der Jeeps aus dem Blickfeld.
„Da wird hier bald was los sein.・
Jens schien diese Aussicht nicht zu begeistern.
„Eben ・c・ Ich holte mein Handy heraus, drückte die Sieben, konnte die Sekundenbruchteile der automatischen Anwahl kaum abwarten, sagte „Komm endlich ・c・
Da erlosch das Display. Kein Laut. Nichts. Ich ließ die Hand sinken.
„Wen wolltest du denn anrufen?・, fragte Jens.
Ich winkte ab. Jens wartete meine Antwort nicht ab. Auch er nahm seinen Kommunikator in die Hand. „Mist! Alles tot!・
Die Zeit lief.
„Wir werden hier sterben. Reporter und Schaulustige werden uns dabei beobachten und über die gescheiterte Begegnung mit der angeblich höher entwickelten Intelligenz berichten.・ Jule hatte es nur geflüstert. Die anderen taten, als hätten sie es nicht gehört.
Petra hockte in einer Ecke. Man hätte sie für total apathisch halten können. Ich erkannte aber, dass die Gedanken in ihrem Kopf nur so rasten. Sie hatte Hoffnung. Ich auch.
Schluss fürs erste
Vielleicht ist es gar nicht so schlimm? Vielleicht ist dieses Bauwerk gar nicht luftdicht? Alles nur eine Frage der Zeit. Dieses verdammte Warten ・c・ Sina und Leonie hatten sich bei Janine verkrochen, die anderen Klonies bei ihren Müttern.
Jule setzte sich neben mich, kuschelte sich an, schwieg. Echt friedlich. Es tat gut. Etwas zum Festhalten. Es kam mir so vor, als herrschten Minusgrade in dem Gebäude. Dabei war die Temperatur das einzig Normale. Ich wartete. Eine Hoffnung war noch real ...
Endlich!
Wir beobachteten die Karawane, die sich dem durchsichtigen Gefängnis näherte. Flugzeuge und vor allem Jeeps kamen auf uns zu. Heraus sprangen Reporter und Kameraleute. Sie eroberten den gesamten Platz um unseren Bau. Auch Uniformierte, nur diesmal ohne Panzer.
Nicht das geringste Geräusch drang zu uns Eingeschlossenen durch. Bevor die draußen den ersten Versuch unternahmen, zu uns durch zu stoßen, hatten sie schon massenweise Fotos geschossen. Hunderte Kameralinsen blieben auf uns gerichtet. Die Erfahrungen mit Sternekop hatte da nicht gefruchtet.
Sie versuchten es mit einem Schweißgerät. Die Flamme bog einfach zur Seite ab. Mehr passierte nicht. Irgendwann war das müde Lächeln auf meinem Gesicht erstorben. Ich sah nicht mehr hin.
Dann stieß mich Julia in die Seite. „Eh, guck mal!・
Ich wunderte mich erst über die seltsame Bewegung des Knäuels von Gaffern an der Stelle, wo noch Jens・L Jeeps standen. Irgendwie erwartete ich so einen Jarwinkeltyp, der sich durch zu drängeln versuchte. Aber dann schrie Janine den Bruchteil einer Sekunde vor mir auf: „Lisa!・
Wirklich. Gerade fuchtelte sie mit irgendeinem Papier herum. Die Leute wichen langsam vor ihr zurück. Lisa hatte uns inzwischen gesehen, winkte mit hoch gestreckten Armen, rief etwas, lief los ・c stürmte auf die unsichtbare Mauer zu und ・c
Nein, sie war schon durch! Deshalb gafften die Leute auch so verwundert. Einige von ihnen waren hinter ihr her gestürmt und dabei gegen die Mauer geprallt.
Lisa war also als letzte lebende Kugelbesitzerin in der Festung. Oder Hardy lebte und fehlte noch und der würde nicht hierher kommen. Nicht in der uns verbleibenden Zeit. Alle überschütteten sie mit Berichten über die jüngsten Erlebnisse. Ich sah mich suchend nach Veränderungen im Inneren des Bauwerks um. Schließlich lief ich zu der Tafel, kontrollierte alle Displays, kam wieder zurück, rief: „Setzt euch doch noch einmal alle in eure Schalensitze. Da könnt ihr bequem weiter erzählen.・ Es klang verzweifelt. Hatte nicht Petra auch diese Hoffnung gehabt?
Irgendwie versiegten die Wortsprudel sofort wie kleine Bäche in der Wüste. Wir sahen uns an, sahen uns um. Der Stummfilm ringsum ging unverändert weiter. Hubschrauber umkreisten uns. Das, womit alle gerechnet hatten, blieb aus.
Es war absolut still. Alle waren grübelnd abgesackt. Mit Petra schien gerade irgendetwas zu passieren. Während der ganzen Zeit saß sie da wie in Gebete vertieft. Gott, Manitu, Buddha ・c Manchmal murmelte sie etwas, was wie „Verzeiht mir・ klang, aber uns nicht erreichte. Ich setzte mich zu ihr.
Ihre beiden Klonies waren an sie angekuschelt eingeschlafen und sie sprach einfach drauflos, ohne jemanden anzusehen: „Was wäre das für ein gewaltiger Fortschritt für die ganze Menschheit, wenn es weiter so etwas wie Sikroben, Testuden oder Aerobolde gäbe. Die warten nur darauf, nützlich zu sein. Ich habe das aus dem Auge verloren. Auf der Erde zählt doch nur, was für einen persönlich raus springt. Etwas Arbeit wäre geblieben. Andere eben. Nützliche. Nur dass die nicht bezahlt wird, sondern einfach so für alle gut ist und Freude macht, zusammen und so ・c・
„Aber Petra, das von dir? Wie kommt・Ls denn?・ Ich hatte nicht darauf geachtet, wie Sonja herangekommen war. Sie wäre wohl am liebsten wie eine Kannibalin über die ehemalige Kontrahentin hergefallen. Petra schien das überhaupt nicht zu stören. „Ich wollte immer nur Erfolg. Der wird da draußen eben nur in harter Münze gemessen. Das war meine Welt. Jetzt muss ich nicht mehr, oder?・
Auch Julia gaffte Petra total verwundert an „Und trotzdem hast du Glück, dass es hier keine Messer gibt. Du bist bestimmt die erste, über die hergefallen wird, wenn das hier so mit uns zu Ende geht. Du hast ja irgendwie Schuld, dass die Fremden uns nicht haben wollen.・
„Das glaube ich nicht.・ Ich wollte sie beruhigen, aber da sagte Petra etwas zusammenhanglos Erscheinendes: „Wir sollten uns jetzt schlafen legen.・
Ihr Vorschlag stieß zuerst auf allgemeines Misstrauen. Petra ließ sich nicht beirren. Sie legte ihre Klonies zurecht, ging die Treppe hoch und nahm auf einem der Schalensitze Platz. „Wir müssen Vertrauen in die Vernunft der anderen haben.・ Sie schloss die Augen, als ginge es sie nichts an, was der Rest machte. Auch ich packte mich in meine Schale.
Bevor ich richtig einschlief, hörte ich ein gleichmäßiges Brummen. Es gehörte nicht in den Traum. Ich merkte das. Es störte mich nicht.
Als ich aufwachte, war es dunkel. Ich gähnte und streckte mich. Es dämmerte. Ich richtete mich auf. Neben mir kamen die anderen zu sich. Mit jedem, der sich aufsetzte, wurde es eine Spur heller. Die Kalaharikulisse war verschwunden. Wir befanden uns in einem Raum, der keine Ecke zu haben schien. Ich stieß der schläfrigen Julia in die Seite. „Wir sind gereist!・ Jule murmelte nur etwas Unverständliches.
Ob die Türen hatten? So was Ähnliches doch bestimmt? Da fiel mir die Konsole auf. Hinter Petra. Mehrere Tastaturen. Sofort stellte mich davor. Freute mich. Auf diesen Tastaturen befanden sich die uns vertrauten Buchstaben. Da die Fremden die kaum selbst verwendeten, waren sie also extra für uns gemacht.
Ich drückte vorsichtig auf irgendeine Taste und die Tafel leuchtete auf. Erst Herzlich willkommen! Dann Bevor ihr diesen Raum verlasst, solltet ihr einiges wissen. Wer wir sind, wie wir leben und noch mehr, was ihr nachher sowieso fragen würdet und überprüfen könnt. Ich hatte das kaum gelesen, da summte es unter der Konsole aufdringlich. Aus einem Schlitz, den ich vorher nicht bemerkt hatte, schossen lange, bedruckte Bögen hervor. Sie waren alle gleich, also für jeden von uns einer.
Ich las fasziniert, was die Fremden mir mitteilen wollten, bevor ich sie zu Gesicht bekommen sollte. Jens war fast zusammen mit mir fertig. Wir sahen uns an wie Alice im Wunderland ・c Was hatte da gestanden?
・cdie Hände in der abgebildeten Weise auf die Wandfläche genau gegenüber dieser Tafel legen ・c Meine Hände hatten schon die richtige Stellung gefunden. „Wir Küken verlassen unser Ei.・ Ich lächelte. Es ging los.
Nachwort
W
Wir haben noch viel Zeit. Nichts ist entschieden. Selbst das, was von Anfang an klar schien. Ob die sechs Kleinen bei euch Tschoms bleiben werden. Ihr habt ihre Pflegeeltern die ganze Zeit über beobachtet. Wie Jens und die anderen mit dem Gedanken gerungen haben, ob es besser ist, sie bei euch zu lassen. Ich glaube, ihr werdet die Mädchen selbst entscheiden lassen. Vielleicht sind wir ihnen bald fremd. So wie ihr ihnen jetzt noch etwas fremd seid. Aber das glaube ich nicht.
Lustig, wie ihr uns auf unsere Rückkehr vorzubereiten versucht. Mit kreisenden Bewegungen (wir hätten mit den Köpfen geschüttelt) habt ihr uns erzählt, dass das Sendehaus auf der Erde zu einer Kultstätte geworden sei. Es ist wohl so etwas wie eine neue Religion entstanden. Zehntausende Menschen pilgerten Monat für Monat in die Kalahari. Rings um die Anlage sei eine kleine Stadt entstanden voller Hotels und Buden, die Miniaturen für Geld anböten. Es bleibt euch wohl unverständlich, dass Menschen immer noch für so etwas arbeiten. Mehr als fünfzig zum Beispiel allein als Begleiter der Touristen, die den neuen Besuchern des Geländes Geschichten erzählen, die gar nicht wahr sind.
Für mich war das Buch logischerweise ein besonderer Schocker. Wie es scheint, besitzen es inzwischen die meisten Menschen, die Geld übrig haben, um es zu bezahlen. Meine Lebensgeschichte! Schon der Titel verrät den Quatsch: „Das Mädchen, vor dem Kantha Inar erblasste・.
Wie hatte sich Petra aufgeregt, als sie erfuhr, dass sich hinter dessen Autor „Testud・ und seinem Verlag „Aerobold・ niemand anders als Robert Scarian verbirgt, ein Mensch, der mich nie persönlich getroffen hat!
Er ist auch ganz groß beim Vermarkten der Abenteuertouren zum „ersten Monumentalbauwerk außerirdischer Kultur auf dem Boden der Erde・. Warum solltet ihr Menschen trauen, die nicht verstehen, was ihnen als angeblich denkende Intelligenz doch klar sein müsste: Wer solch einen Ersatz wie Geld braucht, der ist noch ganz schön unreif. Anstatt nach wirklich vernünftigen Dingen zu forschen, beschäftigt er Leute damit, andere von seinen Gewinnen auszuschließen. So ist er eben, dieser Scarian. Leider ist er da nicht die Ausnahme. Wer das sagt? Na, Petra natürlich. Sie wird sich besonders über mein Buch freuen. Obwohl sie ja nicht gerade gut dabei weg kommt. Aber das versteht ihr sicherlich. Und irgendwann werden es vielleicht auch die Menschen verstehen. Oder auch nicht. Denn wie soll ich über euch berichten? Ich bin doch keine Schriftstellerin ...
 
 
ir haben viel erzählt. Alle. Ihr habt zugehört. Oder auch nicht. Viele dieser Erzählungen habt ihr ja aufgezeichnet. Mit Bild und Ton. Synchronisiert in eurer Sprache. Nun kommt der Abschied und ich möchte euch nach so vielen Jahren etwas schenken. Etwas Persönliches. Da habe ich mir gedacht, ich gebe mir einmal Mühe und schenke euch etwas Bleibendes. Macht damit, was ihr wollt. Benutzt es als Buch, verfilmt es, wenn es euch Spaß macht. Vielleicht haben Eure Kindeskinder noch Vergnügen daran, was ihr bei uns angerichtet habt. Aber auch ich ・c also, wenn ich zurück komme auf die Erde, dann möchte ich doch vieles richtig stellen. Das meiste, was passiert ist, habe ich mir direkt von den Mitspielern bei dem großen Chaos erzählen lassen. Wenn sie dabei zu gut oder zu schlecht weggekommen sein sollten, sind sie selbst Schuld. Sie hätten es anders erzählen können. Der Vollständigkeit halber habe ich meine Phantasie fliegen lassen. Schließlich sind ja einige gestorben, aber was sie erlebt haben, ist doch auch wichtig. Ohne Zeugen und ordentliche Zeitungsartikel habe ich zurecht geflunkert, was bei denen abgelaufen sein könnte.
, erklärte die Tafel.
ir hatten uns fast alles angesehen und fast nichts begriffen. „Wie eine riesige Schultafel!・ Leonie zeigte auf eine glatte dunkle Fläche mitten in der linken Wand im letzten Raum. Natürlich sahen wir daraufhin alle in diese Richtung. Auf einmal stießen wir uns gegenseitig an, als wollten wir uns vergewissern, dass jeder dasselbe sah.
ie war in einem Gefängnis in Windhuk gelandet ・ noch immer als Ulla. Was sie am meisten beunruhigte, weil sie es nicht verstand: Petra Herbst hatte ihr nach der Gefangennahme kurz gegenüber gestanden ・ Julia war sich sicher, sie hatte sie erkannt, aber nichts gesagt. Die ganze Zeit grübelte Julia nun, warum. Die Haftbedingungen waren nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Auch die Schlafdroge hatte keine Nachwirkungen, Kater oder so. Quälend war nur diese verdammte Ungewissheit. Man hatte ihr einen einzigen Anruf erlaubt. Sie hatte sich für Lisas Notnummer entschieden ・ eigentlich war jetzt wohl egal, ob jemand mitbekam, wer sie geschickt hatte, und die Leute hier konnte sie nicht verraten ・ sie kannte sie nicht. Julia erreichte nur einen Anrufbeantworter. Immer in Angst, belauscht zu werden, erzählte sie drauflos, sie sei eingesperrt, sie habe an einen Kristall herankommen wollen, ein anderer sei wahrscheinlich verschwunden, hier könne sie nur ein ganzes Team retten. So viel, dachte Julia, wussten Petras Leute inzwischen sowieso. Lisa würde dem Gestammel hoffentlich entnehmen, dass das eigentliche Unternehmen gelungen war. Ob das stimmte? Dann hätte sich alles gelohnt.
ir kam ein richtiger Orkan entgegen. Eine Wolke von Aerobolden wehte über den Lagerplatz hinweg. Ich konnte nur wenig erkennen. Dieses Luftflotte wehte gespenstisch um mich herum. Schnell war ich von Stapeln aus Metallbarren umgeben.
ch hatte es getan. Ich hatte es wirklich getan!
, wirst du fragen. Und er antwortet dir vielleicht Klar. Das haben wir früher auch gemacht. Du wiegst den Kristall spielerisch mit der Hand. Damit hätten wir ausgesorgt! ... Bist du wahnsinnig? Leg ihn wieder hin! Blackys Stimme wird sich fast überschlagen vor Schreck. ・cWar ja nur Spaß, kannst du antworten. Ich wollte mich wenigstens einmal im Leben reich fühlen ... So, jetzt hattest du dein Gefühl, wird er dich anflehen. Aber jetzt sollten wir wieder verschwinden. Wenn sie dich hier entdecken ・cUlla, da läuft ein stiller Alarm. Jeden Moment kann hier die Tür aufgehen und dann ・c
ir lauerten immer nervöser auf eine Gelegenheit zum Eingreifen. Die rückte und rückte nicht näher. Im Gegenteil. Julia, also Ulla, bekam ihre Kündigung. Vorsichtig versuchte ich sie zu trösten. „Bewirb dich doch einfach um einen der Wachjobs. Die stocken sie noch auf. Und wahrscheinlich kannst du ja da für unser Vorhaben nützlicher sein als bisher.・
obert hatte Petra in sein Gästehaus gebeten. Petra hatte gelächelt. Irgendwie hatte sie nicht mehr damit gerechnet. Aber warum eigentlich nicht? Inzwischen lagen mehrere Monate hinter ihnen, in denen sie viel zusammen erreicht hatten. Genau genommen war ihr Projekt fertig. Der Rest war Masse. Das Werk, das die nächsten Werke produzierte. Die von dem neuen Kristall gelenkten Testuden würden im Laufe der Zeit alles leisten, was sie, Petra Herbst, wünschte. Jetzt konnte sie sich sicher etwas mehr Privatleben leisten.
ie Kristalle hatten mich, als sie noch bei uns waren, auf ein phantastisches Niveau hochgetuned. Danach, ohne unsichtbare Helfer, fühlte ich mich geistig platt wie ein gebügelter Schellfisch. Und Jens・L Gartengrundstück wirkte wie Salz in einer offenen Wunde. Von wegen Garten, ・c da würde schon wieder etwas wachsen ・c Ja, vielleicht in zehn Jahren! Im Moment war er nichts als trauriges Ödland, für uns am quälendsten, weil wir die frühere Verwilderung so genossen hatten. Zwar anders als Nadine ・c aber Rollrasen war eben etwas Anderes als Dschungelwuchs.
aszinierend! Was hieß hier schon Arbeit? Die blieb dem ständig wachsenden Heer neuer kleiner Forscher und Assistenten vorbehalten. Die Tests, die Petra zusammen mit Robert an den Kristallen und Testuden durchführte, waren eher ein fesselndes Spiel. Ein Spiel mit vollem Einsatz, das sie bis zum Sieg weiter spielen würde. Robert war der Joker. Total abgeschirmt gegen den restlichen Wissenschaftsbetrieb war Petra über die Testreihen der anderen, die aber nicht über die ihren informiert. Entscheidend war, dass sie ungestört die Beziehungen des Mutterkristalls zu den Testuden studieren konnte. In diesem Fall war sich Petra nicht zu schade, auch primitive Testreihen eigenhändig durchzuführen.
s klopfte an der Tür, als sie gerade zusammen beim Essen saßen. Die Zwillinge, Janine und Jens. Janine sah Jens fragend an. Der schüttelte den Kopf. Wozu hätte er die Klingel abstellen sollen, wenn sie dann doch wieder jeden hereinließen?
inter Petra lagen Wochen pausenloser Euphorie. Die restlichen Kristalle und die reglosen Testuden waren ihr trotz der 10 Millionen wie ein Geschenk vorgekommen. Wann wurde einem schon so viele bisher ungebändigte Kräfte auf einmal in die Hände gegeben ・ und erste Erfahrungen im Umgang mit ihnen gleich mit?!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen